# taz.de -- Abitur-Verschärfungen in Hamburg: Schwaches Abitur, na und? | |
> Die Idee, dass ein Abitur mit niedrigeren Hürden schädlich sein könnte, | |
> ist ein Mythos – gepflegt von Bürgern, die Abgrenzung nötig haben. | |
Bild: Da war noch kein Corona: Abiturprüfung in Rostock im Jahr 2018 | |
HAMBURG taz | Es sieht so aus, als wollte SPD-Schulsenator Ties Rabe auf | |
dem Bundesparkett den Musterschüler geben. Das [1][Doktern am Abitur] ist | |
sein Liebstes. Zentrale Aufgaben für alle Schüler gibt es schon, nun geht | |
es um die Feinheiten. Wie in Bayern sollen Hamburgs Oberstufenschüler | |
schwitzen und zehn Kurse die Woche belegen, von denen abhängt, ob sie das | |
Abi schaffen oder nicht. Der Regelung, Kurse mit schlechter Punktzahl unter | |
den Tisch fallen zu lassen, geht es an den Kragen. | |
Das war ein Anliegen der CDU im Wahlkampf. Dahinter steckt die | |
Unterstellung, dass die Falschen das Abitur machten. Dass sich Schüler die | |
Hochschulreife erschummelten. Die Frage ist: Wo liegt der Schaden, wenn wie | |
in Hamburg die Mehrheit das Abitur schafft und darunter auch schwache | |
Abschlüsse sind? Schädlich ist daran nämlich gar nichts – im Gegenteil, es | |
gilt als volkswirtschaftlich sinnvoll, mehr Schüler ein weniger | |
anspruchsvolles Abitur machen zu lassen als wenige ein sehr | |
anspruchsvolles. | |
Wichtig ist allein die Frage, wie die jungen Menschen nach der Schule | |
zurecht kommen. Mit Abitur ist das Risiko, arbeitslos zu werden, geringer. | |
Einzig das zählt. Die Bevorzugung der Hamburger bei der Konkurrenz um | |
Studienplätze ist kein Argument. Denn Natur- und Ingenieurwissenschaften | |
haben eher das Problem zu geringer Nachfrage. Medizinstudienplätze haben | |
Extra-Eingangstests. Und im Zweifel sind halt mehr Studienplätze zu | |
schaffen. Letztlich befriedigt ein „scharfes Abitur“ niedere Gefühle, das | |
Bedürfnis einer bildungsbürgerlichen Schicht nach Abgrenzung. | |
Dieser Passus des Schulfriedens wurde 2019 im Hinterzimmer ausgehandelt und | |
ist nicht das Ergebnis einer breiten Debatte. Es gab hier eine Schnittmenge | |
zwischen CDU und Schulsenator Rabe. Doch zum Anspruch auf Chancengleichheit | |
passt das nicht. Rabe muss aufpassen, dass er nicht leichtfertig das | |
Tafelsilber sozialdemokratischer Bildungspolitik verspielt. Vielleicht hat | |
er’s gemerkt und erwägt deshalb die Verschiebung. | |
16 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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