# taz.de -- EU-Sozialgipfel ohne Merkel: Auf Linie der Wirtschaft | |
> Kanzlerin Merkel fliegt nicht zum Sozialgipfel der Europäischen Union, | |
> während sich Millionen EU-Bürger um ihren Job sorgen – ein falsches | |
> Signal. | |
Bild: Obdachloser im Regierungsviertel in Berlin. Der Kampf gegen Armut in Euro… | |
Außenminister Heiko Maas war gerade in London, Verteidigungsministerin | |
Annegret Kramp-Karrenbauer ist nach Brüssel gereist. Aber Kanzlerin Angela | |
Merkel kann nicht zum EU-Sozialgipfel nach Porto fliegen, weil es die | |
deutschen Coronamaßnahmen nicht erlauben? Selten hat man eine schlechtere | |
Ausrede aus dem Kanzleramt gehört. | |
Merkels Absage ist nicht glaubwürdig, schließlich hat die Kanzlerin schon | |
den [1][ersten Sozialgipfel 2017 in Göteborg] geschwänzt. Zudem setzt sie | |
das falsche Signal. Ausgerechnet jetzt, da sich Millionen EU-Bürger wegen | |
der Coronamaßnahmen berechtigte Sorgen um ihren Job machen, signalisiert | |
Merkel, wie wenig ihr an diesem Thema liegt. | |
Sie folgt damit – wieder einmal – der Linie der deutschen Wirtschaft. Die | |
Arbeitgeber weigern sich beharrlich, über ein zentrales Thema des | |
Gipfeltreffens, die Einführung von angemessenen Mindestlöhnen in allen | |
EU-Ländern, auch nur zu reden. Dabei liegt auch der deutsche Mindestlohn zu | |
niedrig, um ein Leben in Würde zu ermöglichen. | |
Ein falsches Signal sendet Merkel auch nach Brüssel und Lissabon. In | |
Brüssel bemüht sich die EU-Kommission bisher ohne großen Erfolg, [2][die | |
Sozialpolitik nach vorn auf die Agenda] zu bringen. Sozialkommissar Nicolas | |
Schmit hat sich den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut auf die Fahnen | |
geschrieben. Merkel lässt ihn beim Gipfel hängen. | |
## Nur ein schwacher Trost | |
Auch Portugal wird von Deutschland allein gelassen. Die portugiesische | |
Linksregierung hat das Spitzentreffen in Porto zum Höhepunkt ihrer | |
Ratspräsidentschaft erklärt. Dass Merkel nun virtuell – per Videoschalte – | |
teilnehmen will, ist nur ein schwacher Trost. Wenn das größte EU-Land | |
fehlt, kann von Porto kein starkes Signal ausgehen. | |
Immerhin bietet der Fauxpas der Kanzlerin ihrem Koalitionspartner SPD die | |
Gelegenheit, sich zu profilieren. Arbeitsminister Hubertus Heil will das | |
„soziale Europa“ voranbringen. Gegen die Kanzlerin kann er zwar nicht viel | |
ausrichten. Doch nun liefert ihm Merkel Argumente frei Haus – pünktlich zum | |
Beginn des Wahlkampfs in Deutschland. | |
7 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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