# taz.de -- Trennung von Melinda und Bill Gates: So Gates heute vielen | |
> Melinda und Bill Gates haben sich getrennt – und schauen nun nach vorn. | |
> Damit stehen sie für das Arbeiten und Altern im 21. Jahrhundert. | |
Bild: 1994, als das Foto von den Gates entstand, war noch alles gut. Jetzt aber… | |
„Alle trennen sich. Ich bin die letzte Nichtgetrennte in meinem | |
Bekanntenkreis.“ [1][Das sagte, so viel taz-Lob darf sein, die 50-jährige | |
Autorin Andrea Paluch kürzlich in einem schönen Interview.] Es ist aber nun | |
aktuell nicht nur so, dass die Trennung von Paaren in der erweiterten | |
mittleren Lebensphase nichts Besonderes mehr ist; sondern dass der | |
65-jährige Bill Gates und seine 56-jährige Frau Melinda Gates, [2][die am | |
Montag ihre Scheidung bekannt gaben], dies tun, weil sie nicht mehr daran | |
glaubten, „dass wir in dieser nächsten Phase unseres Lebens gemeinsam als | |
Paar wachsen können“. | |
Dass ein 65-jähriger Mann meint, noch in eine neue Lebensphase eintreten zu | |
müssen, ist ein durchaus nicht so selbstverständliches Phänomen, wie es | |
vielleicht scheinen mag. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein galt ein | |
menschliches Leben mit 70 als erfüllt und [3][als im Wesentlichen | |
abgeschlossen]. In meinem Geburtsjahr 1968 etwa betrug die Lebenserwartung | |
von Frauen in Westdeutschland 73 Jahre, die von Männern lag bei 67 Jahren. | |
Der Wille und die Überzeugung, in einem so kurzen Zeitraum nun unbedingt | |
noch ein neues, gemeinsames oder getrenntes Wachstumsprojekt auflegen zu | |
müssen, war dementsprechend gering ausgeprägt. Was auch damit zusammenhing, | |
dass Arbeit, ob nun am unbelebten Objekt, an der Beziehung oder an sich | |
selbst, in der vorneoliberalen Gesellschaft einen anderen Stellenwert | |
hatte: als etwas nämlich, das in möglichst kurzer – und sich durch die | |
Arbeit der Gewerkschaften hoffnungsvoll immer weiter verkürzenden – und | |
lang nicht so intensiv wie heute gefüllten Zeit erledigt wurde, um sich | |
dann dem eigentlichen Leben zuzuwenden: der Freizeit. | |
Ich glaube nicht, dass mein Vater den Arbeits – und Sozialrhythmus, dem zum | |
Beispiel ich, auch durchaus freiwillig, unterworfen bin, ertragen hätte – | |
es wäre ihm mindestens als verdammt schlechter Deal vorgekommen. | |
## Abschied von den Milliarden | |
Und als Kind habe ich noch einen erfolgreichen, niedergelassenen Arzt | |
erlebt, dessen Vorstellung vom Ruhestand darin bestand, in einem Klappstuhl | |
in der Sonne zu sitzen, vor sich einen Eimer voller gekühlter | |
Doornkaatfläschchen, die er dann einen Sommertag über, Roth-Händle | |
rauchend, sich genussvoll verabreichte – was natürlich nicht ohne Einfluss | |
auf sein baldiges Ableben blieb. | |
Ob das nun fortgesetzt-frenetische Wirken der Gates’, nicht zuletzt in | |
ihrer Bill & Melinda Gates Foundation, der größten Privatstiftung der Welt, | |
sich am Ende als heilsamer für die Menschheit auswirken wird als das mehr | |
oder weniger stille Ausklingenlassen der eigenen Existenz früherer | |
Generationen, bleibt abzuwarten. Ihre Milliarden hätten sie auch schlicht | |
dem jedenfalls derzeit fortschrittlichen Wirken der US-Regierung unter | |
Präsident Joe Biden zur Verfügung stellen können. Auch ein Eintreten für | |
höhere Besteuerung von Superreichen, [4][womit zuletzt die österreichische | |
Millionenerbin Marlene Engelhorn Schlagzeilen machte], läge so fern dem | |
Zeitgeist nicht. | |
„These things are hard to give up“, [5][sagte die Milllionenerbin Abigail | |
Disney 2019 dem New Yorker ] und bezog sich dabei auf ihren sich ein, zwei | |
Jahre hinziehenden Abschied von Reisen mit der familieneigenen Boeing 737. | |
Mit einem tatsächlichen Abschied von den Milliarden zugunsten von ein paar | |
ihnen gerne gegönnten Millionen hätten die Gates’ dann aber auf einen | |
Schlag gewonnen, was sie und ihre Kinder nun erst von der zu Recht | |
interessierten Öffentlichkeit einfordern müssen: Respekt für ihre | |
Privatsphäre nämlich. Den können sie nun nicht erwarten. Aber zumindest | |
hier sei ihnen die Privatsphäre zugestanden. Denn: Alle trennen sich. Und | |
so eben auch Melinda und Bill. | |
4 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Buchautorin-Andrea-Paluch-im-Gespraech/!5758583 | |
[2] /Ehe-von-Microsoft-Gruender/!5769543 | |
[3] /Kommentar-Eltern-und-Aelterwerden/!5550450 | |
[4] /Macht-und-Verantwortung/!5765270 | |
[5] https://www.newyorker.com/magazine/2020/01/06/the-ultra-wealthy-who-argue-t… | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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