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# taz.de -- LGBT-Aktivistin in Russland in Haft: Von Staat und Rechten verfolgt
> Julia Tzwetkowa postete eine Zeichnung eines homosexuellen Paares im
> Internet – und wurde wegen Pornografie verurteilt.
Bild: Hassobjekt von Rechtsradikalen in Russland: Julia Tzwetkowa nach ihrer Ge…
Und wieder wird in Russland gehungert: gegen eine Justiz, die im Auftrag
des Kreml unterwegs ist und sich kaltschnäuzig über elementare Grundrechte
hinwegsetzt. Diesmal hat Julia Tzwetkowa zu diesem Mittel gegriffen –
genauer gesagt am 1. Mai. Der Staat solle wie ein echter Mann handeln,
heißt es dazu in einem Facebook-Post der LGBT-Aktivistin. Sie fordere einen
öffentlichen Prozess, die Möglichkeit, sich mit allen gesetzlichen
Möglichkeiten zu verteidigen, sowie ihren Prozess nicht weiter zu
verschleppen.
Die 27-Jährige steht seit dem 12. April 2021 in der fernöstlichen Stadt
Komsomolsk am Amur vor Gericht, die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Der
Vorwurf, der bereits seit November 2019 anhängig ist, lautet auf
„Herstellung und Verbreitung von pornografischem Material“.
In den sozialen Netzwerken hatte sie unter dem Titel „Vagina-Monologe“
Zeichnungen weiblicher Genitalien veröffentlicht. Im Falle einer
Verurteilung drohen Tzwetkowa sechs Jahre Haft. Der Prozess sei nichts
anderes als politische Repression und komme einer kafkaesken Absurdität
gleich, heißt es in einer Stellungsnahme von Amnesty International vom
April.
Tzwetkowa, die sich seit frühester Kindheit mit Kunst beschäftigt und im
Alter von 13 Jahren ihre erste eigene Ausstellung organisierte, begann ihre
Aktivist*innenkarriere 2018. Sie schrieb und hielt Vorträge über
Feminismus, LGBT-Rechte, Antimilitarismus und Ökologie. Auch an
Theaterprojekten in Schulen wirkte sie mit.
## Morddrohungen für Botschaften der Liebe
Im Herbst 2019 wurden der bekannte [1][homophobe Aktivist Timur Bulatow]
und seine Gruppierung „Moralischer Dschihad“ – selbst ernannte
Sittenwächter, die gerne Jagd auf LGBT-Aktivist*innen machen und diese dann
denunzieren – bei der Polizei vorstellig. Angeblich habe Tzwetkowa
pornografisches Material verbreitet. Am 20. November 2019 wurde die
Künstlerin festgenommen und für vier Monate unter Hausarrest gestellt. Als
sie in dieser Zeit einen Arzt aufsuchen wollte, wurde ihr das verweigert.
In der Folgezeit wurden wegen „Propaganda für nicht traditionelle sexuelle
Orientierungen“, die sich angeblich an Minderjährige gerichtet haben soll,
mehrmals Geldstrafen gegen Tzwetkowa verhängt. Unter anderen handelte es
sich dabei um eine [2][Zeichnung, die zwei gleichgeschlechtliche Paare mit
Kindern zeigt] und auf VKontakte (dem russischen Pendant zu Facebook)
veröffentlicht wurde. Der Begleittext lautete: „Die Familie ist da, wo
Liebe ist. Unterstützt LGBT und Familien“.
Am 16. April 2020 wurde Tzwetkowa, die regelmäßig Morddrohungen erhält und
sich um ihre Familie Sorgen macht, mit dem [3][internationalen Preis
„Index on Censorship“] in der Kategorie „Arts“ ausgezeichnet.
„Wer einen Hungerstreik ankündigt, sollte bereit sein, bis zum Äußersten zu
gehen“, schreibt Tzwetkowa am Ende ihres Posts. „Bin ich bereit zu sterben?
Das weiß ich nicht, aber eins weiß ich ganz genau: Ich bin nicht bereit, so
zu leben wie jetzt. In Furchtsamkeit und Niedertracht.“ Barbara Oertel
2 May 2021
## LINKS
[1] https://www.bbc.com/news/world-europe-38403923
[2] https://www.hrw.org/news/2020/01/22/russian-lgbt-activist-under-house-arres…
[3] https://www.indexoncensorship.org/
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Russische Opposition
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Schwerpunkt LGBTQIA
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Homophobie
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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