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# taz.de -- LGBTQ in Russland: Heimlich ausgewiesen
> Nazar Gulewitsch, trans, wird direkt nach seiner Entlassung aus
> russischer Haft nach Belarus abgeschoben. Nicht einmal seine Frau darf er
> kurz sehen.
Bild: Ein Polizeibeamter bei der „X St Petersburg Pride“ im August 2019
Berlin taz | Die russischen Behörden können Vollzug melden: [1][Nazar
Gulewitsch] ist am Donnerstag unmittelbar nach seiner Entlassung aus der
Haft nach Belarus abgeschoben worden. Das berichtete der Pressesprecher des
Russischen LGBTQ-Netzes, Tim Beszwet, gegenüber dem russischen Onlineportal
insider.ru. Laut Beszwet soll Gulewitsch, der trans ist, einen Anwalt des
russischen LGBTQ-Netzes selbst darüber informiert haben.
Demnach sei der 38-Jährige bereits gegen 13 Uhr zur belarussisch-russischen
Grenze gebracht worden. Auf dem Weg dorthin sei er von einem Konvoi
begleitet und gezwungen worden, mehrere Dokumente zu unterschreiben. Zudem
hätten ihn Polizisten bedroht. Die ganze Zeit über habe er nicht
telefonieren und mit seinem Anwalt sprechen dürfen, auch ein Gang auf die
Toilette sei ihm verweigert worden.
Beszwet zufolge habe der Chef der Migrationsbehörde (UWM) bei einem Treffen
mit dem Anwalt Fragen zum derzeitigen Aufenthaltsort von Gulewitsch nicht
beantwortet. Der Prozess der Abschiebung habe begonnen, habe es lediglich
geheißen.
Zuvor hatte ein Mitarbeiter der Föderalen Strafvollzugsbehörde (FSIN)
Gulewitschs Ehefrau mitgeteilt, dass dieser um 12 Uhr freigelassen werde.
Nach Angaben des Leiters der Haftanstalt sei die Freilassung jedoch bereits
um 9 Uhr erfolgt. „Das Innenministerium hält das Thema Rechte von
[2][LGBTQ-Personen] für toxisch. Deshalb wurde alles versucht, um Nazar vor
den Augen der Öffentlichkeit zu verstecken und die Deportation heimlich
durchzuführen“, sagte der Jurist Aleksandr Belik gegenüber insider.ru.
## Neuer Pass
Gulewitsch ist belarussischer Staatsbürger. 2004 unterzieht er sich in
Minsk einer ersten geschlechtsangleichenden Operation, bei der beide Brüste
entfernt werden. Er bekommt einen neuen belarussischen Pass, der auf seine
neue Identität ausgestellt wurde, leistet seinen Wehrdienst ab und geht
nach Moskau. Dort wird er 2018 festgenommen. Angeblich soll er sich als
Direktor einer Firma widerrechtlich eine Immobilie angeeignet haben.
Mit der Festnahme beginnen für Gulewitsch ein Leidensweg und eine Odyssee
der besonderen Art. Denn kein Gefängnis fühlt sich für ihn als
Trans*person zuständig. Am 27. Juli 2020 wird er wegen Betruges zu
viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt hat Gulewitsch
bereits verschiedene Haftanstalten hinter sich. In einer davon heiratet er
seine Freundin.
Schließlich landet er vor wenigen Wochen im Gefängnis Nr. 1 der russischen
Stadt Twer. Die meiste Zeit sitzt er in Einzelhaft, auch in Twer verbüßt er
den Rest seiner Strafe im Karzer – aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell
heißt. Einmal versucht Gulewitsch auch, sich das Leben zu nehmen.
Bereits am 6. Mai informiert Tatjana Sucharewa, Menschenrechtlerin und
juristischer Beistand von Gulewitsch, über dessen geplante Abschiebung nach
Belarus sowie ein achtjähriges Einreiseverbot nach Russland als
„unerwünschte“ Person. Das seien schwerste Menschenrechtsverletzungen, so
Sucharewa. Sie kündigt an, gegen diese Entscheidung juristisch vorgehen zu
wollen.
Ob ihr das gelingen und ob es etwas bewegen wird, ist genau so wenig klar
wie das weitere Schicksal von Nazar Gulewitsch. „Nazar ist jetzt in Belarus
aufgetaucht, am Rande der Straße, ohne Gewissheit darüber, wie und wo er
hingehen soll“, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme des Russischen
LGBTQ-Netzes.
28 May 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Russland
Belarus
Trans
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Transgender
Russische Opposition
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