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# taz.de -- ZDF-neo-Serie „Dead Pixels“: Nur ein Spiel
> Die britische Comedyserie „Dead Pixels“ erzählt vom Alltag einer Gruppe
> obsessiver Gamer*innen. Dabei spielt sie erfolgreich mit Klischees.
Bild: Die Protagonistin Meg (Alexa Davies) während eines Livestreams
Obwohl laut Marktforschungsunternehmen GfK im letzten Jahr allein in
Deutschland 34 Millionen Menschen gelegentlich ein Videospiel spielten,
sind Gamer*innen Vielen weiterhin ein großes Mysterium. Während
Bundesinnenminister Horst Seehofer nach dem [1][rechtsterroristischen
Anschlag von Halle] reflexartig „die Gamer-Szene stärker in den Blick
nehmen“ wollte und damit eine große, heterogene Gruppe als potenziell
gefährlich stigmatisierte, zeichnet die Film- und Serienwelt Gamer*innen
konträr dazu als absolut harmlose, dafür aber nicht weniger sozial
unbeholfene Verlierertypen. Das prominenteste Beispiel aus den letzten
Jahren: „The Big Bang Theory“.
Dass eine Comedyserie, in der Videospieler*innen im Fokus stehen,
gelingt, scheint bisweilen unwahrscheinlich. Doch die britische Sitcom
„Dead Pixels“, die am Freitag auf ZDF neo ausgestrahlt und danach in der
Mediathek verfügbar sein wird, lässt schnell einen entscheidenden Vorteil
erkennen: Sowohl ihr Schöpfer Jon Brown als auch Regisseur Al Campbell
beschreiben sich selbst als begeisterte Gamer*innen.
Ihr Wissen kommt insbesondere in der ebenso glaubwürdig-überzeichneten wie
sympathischen Charakterisierung der Protagonist*innen Meg (Alexa
Davies) and Nicky (Will Merrick) und im Design ihres favorisierten Spiels
zum Vorschein. Die beiden Mittzwanziger*innen spielen „Kingdom
Scrolls“, das stark von „World of Warcraft“ inspiriert ist. Szenen aus dem
Fantasy-Spiel, durch das sie ihre schrägen Figuren – ein schmächtiger,
elfenhafter Lord und eine gedrungene nymphomanische Kriegerin – steuern,
sind fester Bestandteil der Folgen. Ihr großes Ziel: Die „Schwarmmutter“
besiegen.
Fließbandarbeit nennt Nicky es an einer Stelle – und meint damit die
schnöden Tätigkeiten wie Holz hacken oder Laub fegen, die notwendig sind,
um die dafür nötigen Erfahrungspunkte zu sammeln. Gerade Fans des
Rollenspiel-Genres sind mit der Absurdität von Aufgaben, welchen man im
realen Leben nur ungern, innerhalb des Spiels aber mit teils erstaunlichem
Ehrgeiz nachgeht, bestens vertraut.
## Auf Augenhöhe
Bereits seit zwei Jahren verbringen Meg und Nicky nahezu jede wache Minute,
sogar am Arbeitsplatz ihres Bürojobs, im Spiel. Usman (Sargon Yelda), Pilot
und Familienvater in den USA, unterstützt sie dabei und vernachlässigt
dafür sein restliches Leben. Sobald er sein Headset aufsetzt, existieren
Frau und Kinder nur noch als Hintergrundrauschen.
Auch „Dead Pixels“ spielt mit Videospiel-Klischees – ist dabei aber
bisherigen Produktionen um Kenntnis der Szene und der so gelingenden
Begegnung auf Augenhöhe voraus. Sie zeigt einen besonders obsessiven Winkel
der Gaming-Welt in seinen schönen wie hässlichen Facetten: Mal geht es um
den Stolz der Geek-Kultur, den zeitweiligen Zusammenhalt in der
Videospiel-Community; mal um ihren Sexismus und andere toxischen Auswüchse,
wenn Shitstorms heraufbeschworen werden, sobald der Videospielheld in der
Filmadaption mit Vince Vaughn fehlbesetzt werden soll.
Den nötigen Kontrast dazu bietet Russell (David Mumemi): Er ist neu in Megs
Büro, wird durch sie auf „Kingdom Scrolls“ aufmerksam und entpuppt sich als
das, was sie abschätzig einen „casual gamer“ nennt – jemand, der doch
tatsächlich spielt, um Spaß zu haben. Noch stärker unterscheidet sich
Mitbewohnerin Alison (Charlotte Ritchie) von Meg und Nicky, die teils
ernsthaft besorgt, teils abschätzig auf die beiden Gamer*innen reagiert,
weshalb ihr regelmäßig ein Schwall an spitzfindigen Rechtfertigungen
entgegenschlägt.
## Punkte im Lebenslauf
Gerade in der Figurenzeichnung geht „Dead Pixels“ eben doch über Stereotype
hinaus, gesteht ihnen eine Persönlichkeit zu. Meg etwa ist sich ihrer
Besessenheit bewusst und hadert damit, dass insbesondere ihr Sexleben
darunter zu leiden hat, woraus sich ein Großteil des schroffen Humors der
Sitcom speist.
Gleichsam ist sie überaus selbstbewusst und konfrontiert ihre Umgebung
regelmäßig mit ihrer Doppelzüngigkeit: Denn inwiefern ist es nochmal
besser, das reale Leben selbst wie ein Spiel zu behandeln, Dinge nur der
„Erfahrungspunkte“ auf dem Lebenslauf wegen zu tun, um „Level um Level“
aufzusteigen – in der Karriere oder der sozialen Hierarchie?
9 Apr 2021
## LINKS
[1] /Felix-Klein-ein-Jahr-nach-dem-Anschlag-in-Halle/!5719001
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Videospiele
Games
Netflix
Trauer
Nazis
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