| # taz.de -- Reform der Bioabfallverordnung: Weniger Fremdstoffe im Ökomüll | |
| > Das Umweltministerium will die Verbreitung von Mikroplastik in der Natur | |
| > eindämmen. Doch an den Plänen gibt es jede Menge Kritik. | |
| Bild: Auch Papier hat in der Biotonne nichts zu suchen | |
| Berlin taz | Zu Kompost und Dünger verarbeitet, verteilt Biomüll große | |
| Mengen Mikroplastik in die Landschaft. Um den Eintrag in Böden und Gewässer | |
| zu verringern, reformiert das Bundesumweltministerium nun die | |
| [1][Bioabfallverordnung] – und stößt dabei auf heftige Kritik. | |
| [2][Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD)] schlägt eine Obergrenze | |
| für Fremdstoffe in Biomüll vor: Abfälle, die mehr als 0,5 Prozent | |
| Fremdstoffe wie Plastik, Metall oder Papier enthalten, dürfen Vergärungs- | |
| oder Kompostieranlagen künftig nicht mehr verarbeiten, so ihr Plan. | |
| Überschreitet der angelieferte Biomüll den Wert, müssen Anlagenbetreiber | |
| den Abfall erst von den Fehlwürfen befreien, bevor sie ihn kompostieren | |
| oder vergären. Diese Regelung soll sowohl für verpackte Lebensmittelabfälle | |
| aus dem Handel als auch für Garten- und Küchenabfälle aus privaten | |
| Haushalten gelten. | |
| Umweltverbände kritisieren den Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums | |
| scharf. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zum Beispiel findet das Vorhaben | |
| „ungeeignet, um das größer werdende Problem von Plastikmüll und anderen | |
| Störstoffen im Bioabfall zu lösen“. Es reiche nicht aus, Grenzwerte für | |
| Fremdstoffe vor der Kompostierung zu verschärfen, wenn nicht gleichzeitig | |
| [3][auch die Müllsammlung] und deren Kontrolle verbessert würden, sagte | |
| Thomas Fischer vom DUH der taz. Es müsse verhindert werden, dass überhaupt | |
| erst Plastik in der Biotonne lande. | |
| Derselben Meinung ist der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung | |
| (BVSE). Nicht allein die Anlagenbetreiber, auch die Bürger*innen müssten | |
| zur Verantwortung gezogen werden, teilte ein Sprecher mit. „Je weniger | |
| Fremdstoffe bereits bei der Sammlung im Abfall enthalten sind, desto | |
| leichter und günstiger ist die Aufbereitung. Denn die abgetrennten | |
| Fremdstoffe müssen teuer in der Müllverbrennungsanlage entsorgt werden.“ | |
| Die DUH und der BVSE fordern daher Maßnahmen entlang der gesamten | |
| Prozesskette: eine bessere Aufklärung der Bevölkerung, strengere Kontrollen | |
| der Biotonnen und Sanktionen bei zu vielen Fremdstoffen. Fischer vom DUH | |
| schlägt ein Kartensystem wie beim Fußball vor: Mit einem gelben Anhänger an | |
| der Tonne könnten Bürger*innen über Fehlwürfe informiert werden. Bei | |
| sehr vielen Fremdstoffen würde die Tonne nicht geleert und mit einer roten | |
| Karte versehen, auch Bußgelder seien denkbar. | |
| Darüber hinaus müsse das Umweltministerium den Aufdruck „biologisch | |
| abbaubar“ auf Produkten verbieten, fordert Fischer. Denn viele Menschen | |
| schmissen Kaffeekapseln, Einwegteller oder Blumentöpfe aus | |
| „kompostierbarem“ Kunststoff fälschlicherweise in die Biotonne. Auch die | |
| grün eingefärbten „biologisch abbaubaren“ Biomülltüten sollten untersagt | |
| werden. „Biologisch abbaubare Kunststoffe bauen sich in | |
| Kompostierungsanlagen nur ungenügend ab und verbleiben als Mikroplastik im | |
| Kompost“, sagte Fischer. „Außerdem ist Verbrauchern schwer zu | |
| vermitteln, dass bestimmte Sammelbeutel in die Biotonne dürfen, aber alle | |
| anderen Produkte aus solchen Materialien nicht.“ | |
| ## Ministerium weist Kritik zurück | |
| Das Umweltministerium will die Forderungen der DUH nicht aufgreifen. „Die | |
| Bezeichnung ‚biologisch abbaubar‘ ist für bestimmte Kunststoffe zutreffend | |
| und schon deshalb nicht zu verbieten. Solche Kunststoffe sind gleichwohl | |
| kein Bioabfall“, schrieb ein Sprecher. Statt die grünlichen Biomülltüten | |
| aus Plastik zu verbieten, sollen die Anforderungen an deren Abbaubarkeit | |
| „konkretisiert und verschärft“ werden. „Künftig muss nachgewiesen werde… | |
| dass sich die Kunststoffbeutel bei einer Kompostierdauer von höchstens | |
| sechs Wochen vollständig zersetzen“, so der Sprecher. Bislang müssten sie | |
| sich binnen 12 Wochen zu 90 Prozent abbauen. | |
| Die Kritik, nicht ausreichend bei den Verbraucher*innen anzusetzen, | |
| weist das Ministerium zurück. Die Aufklärungsarbeit vor Ort, die Kontrolle | |
| der Biotonnen und Sanktionen seien Aufgabe der „öffentlich-rechtlichen | |
| Entsorgungsträger“, also der jeweiligen Landkreise oder Städte. Außerdem | |
| hätte die Obergrenze für Fremdstoffe „mittelbare Auswirkungen“ auf die | |
| Bürger*innen. „Je mehr Fremdstoffe im Bioabfall enthalten sind und | |
| entfrachtet werden müssen, desto teurer wird die Behandlung“, sagte der | |
| Sprecher. Diese Zusatzkosten würden letztlich auf die Bürger*innen | |
| umgelegt, was sie zu einer gewissenhafteren Mülltrennung motiviere. | |
| 7 Apr 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.gesetze-im-internet.de/bioabfv/ | |
| [2] /Mehr-Naturschutz-fuer-Agrarsubventionen/!5739137 | |
| [3] /Studie-zu-Restmuell/!5699352 | |
| ## AUTOREN | |
| Rieke Wiemann | |
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