Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinotipp der Woche: Ikonen im Club
> In seinem VoD-Club präsentiert der Verleih Salzgeber jede Woche
> Neuheiten: Darunter die queere Doku „Kleines Mädchen“ und eine Musikdoku
> zu PJ Harvey.
Bild: Szene aus „Kleines Mädchen“ (FR 2020, Regie: Sébastien Lifshitz)
Filme aus dem eigenen Programm macht der Berliner Filmverleih Salzgeber
schon seit einer Weile auch via Streaming zugänglich. Seit über drei Jahren
über das Portal [1][Vimeo]. Aber das Angebot etwas übersichtlicher zu
gestalten, zu kuratieren, wie man heute sagt, das ist wie so viele
Neuerungen derzeit im Streamingbereich, eine wegen Covid-19 initiierte
Idee, so Christian Weber vom Verleih. Salzgeber Club nennt sich das ganze
und ist entstanden während des ersten Lockdowns im letzten Frühjahr.
“Seitdem veröffentlichen wir fest einmal pro Woche, immer donnerstags,
einen Film als VoD im [2][Salzgeber Club]. Dieser Film ist dann für vier
Wochen dort prominent platziert.“ Danach verschwindet der Film zwar wieder
von dieser Stelle, ist aber weiterhin über Vimeo abrufbar. Aktuell ist der
Club also vor allem dafür da, Aufmerksamkeit auf bestimmte, meist neuere
Titel im Verleih zu lenken. “Davon abgesehen können aber auch immer mal
wieder ältere Titel, die es bisher noch nicht als VoD gibt, im Salzgeber
Club präsentiert werden“, so Weber.
Salzgeber hat sich vor allem einen Namen als Verleih für queeres Kino
gemacht. Und auch im Club werden aktuell schwul-lesbische Filme wie der
finnische Liebesfilm “Die Hütte am See“ von Mikko Makela oder der in Berlin
spielende Coming-of-Age-Streifen “Kokon“ von Leonie Krippendorff gezeigt.
## Popikone PJ Harvey & Produzenten-Pampa mit Conny Plank
Aber dass Salzgeber ein Spezialist für queeres Kino ist, heißt noch lange
nicht, dass der Verleih darauf festgelegt ist. So lief vor kurzem erst im
Club die Dokumentation [3][“A Dog Called Money“] über die große englische
Popikone PJ Harvey und deren Arbeit an ihrem fünf Jahre alten, aber immer
noch aktuellsten Album “The Hope Six Demolition Project“.
Und aktuell ist mit [4][“Conny Plank – The Potential of Noise“] eine
weitere Musikdoku im Rahmen des Clubs zu sehen. In dieser nähert sich Conny
Planks Sohn Stephan dem großen deutschen Klangvisionär und Produzenten, der
nicht nur für den hiesigen Krautrock der Siebziger eine maßgebliche Figur
war.
In seinem Studio in Neunkirchen-Seelscheid in der Nähe von Köln, einem
umgebauten Schweinestall, empfing er damals auch internationale Popgrößen
wie Ultravox oder Gianna Nannini. Sie alle wollten Planks ganz eigenen
Sound und nahmen dafür die Mühe auf sich, mitten in die Pampa zu fahren.
Am lustigsten ist vielleicht die Stelle im Film, als die New Yorker
Hip-Hop-Pioniere Whodini beschreiben, wie es sie damals, Anfang der
Achtziger, als es sie von Brooklyn nach Neunkirchen-Seelscheid verschlug.
Denn auch sie dachten sich, ihre Rapmusik aus dem Dschungel der Großstadt
könnte keiner besser veredeln als der komische Deutsche vom Lande mit dem
eigentümlichen Prinz-Eisenherz-Haarhelm.
## Mädchen mit Widerstandskraft
Ein aktuelles Highlight im Club ist auch Sébastien Lifshitz' preisgekrönte
Doku [5][“Kleines Mädchen“] über die siebenjährige Sasha, die als Junge
erzogen wurde, aber schon früh wusste, dass sie ein Mädchen ist. Der Film
hatte seine Weltpremiere letztes Jahr bei der Berlinale. Ein Jahr lang
durfte der [6][französische Dokumentarfilmer] Sasha begleiten. Lifshitz ist
mit der Kamera dabei, als ihr von einer Therapeutin eine
Geschlechtsidentitätsstörung attestiert wird. Und zeigt ein tapferes Kind,
das trotz aller Widerstände in der Schule und beim Ballettunterricht weiter
daran fest hält: Ich bin kein Junge, sondern ein Mädchen.
Zu Sashas Glück wird sie mit aller Kraft von ihrer Familie unterstützt. Und
so darf sie bald in ihren Mädchenschuhen zur Schule gehen und im Bikini an
den Strand. Auch ihre Freundinnen an der Schule haben kein Problem damit,
dass Sasha mädchenhaft auftritt. Nur viele der Erwachsenen kommen damit nur
schwer klar.
Es gibt einige Momente in dem Film, da wünscht man sich auch für Sasha,
dass die Dekonstruktion binärer Geschlechteridentitäten gesellschaftlich
doch schon etwas weiter fortgeschritten wäre. Dass Sashas Kleidung von
“Jungenkleidung“ zu “Mädchenkleidung“ umgestylt wird, von Hellblau auf
Pink, was sich auch in ihrem Kinderzimmer samt Spielsachen bemerkbar macht,
das fühlt sich in dieser Konsequenz auch wieder etwas komisch an. Sie
scheint es so zu wollen. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn auch Sasha
als Mädchen mehr als nur die Farbe Pink zur Verfügung stünde.
4 Apr 2021
## LINKS
[1] https://vimeo.com/salzgeber
[2] https://www.salzgeber.de/club
[3] https://www.salzgeber.de/pjharvey
[4] https://salzgeber.de/connyplank
[5] https://www.salzgeber.de/kleinesmaedchen
[6] /Regisseur-zu-Film-ueber-Transidentitaet/!5747376
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Kino Berlin
taz Plan
PJ Harvey
Dokumentation
Transgender
Queer
Trans-Community
Filmpreis
Schwerpunkt LGBTQIA
Filmrezension
Filmrezension
taz Plan
Filmrezension
Radio
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinotipps der Woche: Gestrandete Perlen
Die Reihe „Fast verpasst“ zeigt Filme, die viel zu kurz im Kino liefen oder
es gar nicht erst auf die große Leinwand schafften​.
Neues aus den Filmarchiven: Fluchten ins Ferne
Neue und alte Bauten in der Filmgalerie 451, Architekur und Trauma in
Linklaters „Bernadette“ und klassisch anarchistische Filme bei Christie
Books.
Streamingtipps für Berlin: Im Zeichen der Ziegel
Backstein ist nicht gleich Backstein: Dokus von Volker Koepp und Harun
Farocki zeigen Ziegelsteine als alte Kulturtechnik und Grund zum
Arbeitskampf.
kinotipp der woche: CIA-Zwerge und Wassergeister
Der neu gegründete Indiekino-Club startet mit einem Double-Feature zu Ehren
der kürzlich verstorbenen Sängerin Françoise Cactus.
Cashmere Radio in Berlin: Mehr als ein Radiosender
Aus einer früheren Werkstatt in Berlin-Lichtenberg sendet Cashmere Radio
seit sechs Jahren ein Programm, das Radio als sozialen Raum denkt.
Regisseur zu Film über Transidentität: „Vorbilder sind wichtig“
Sébastien Lifshitz' Dokumentarfilm „Kleines Mädchen“ handelt vom Leben
eines trans Kindes. Die Gesellschaft müsse ihre Denkmuster hinterfragen,
sagt er.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.