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# taz.de -- Kunst der Woche: Eingeschränkter Bewegungsradius
> Die Kunsttour führt in dieser Woche zu Vögeln, die im Käfig singen,
> Land-Art-Künstlerinnen ohne Reisefreiheit und auf einen Ausflug nach
> Biesdorf.
Bild: Sandskulpturen der Künstlerin Barbara Kozlowska (1940-2008): die „Lini…
Fast wie ein Vogel im Käfig könnte man sich aktuell mitunter fühlen – wenn
es regnet zum Beispiel. Ryder Morey-Weale hat Vögeln ein künstlerisches
Denkmal gesetzt und dieses hat tatsächlich mit der Pandemie zu tun. Der
Künstler war gerade in Shanghai, als Covid-19 ausbrach. Kurz bevor er China
verließ, machte er Aufnahmen von in Käfigen gehaltenen Singvögeln auf den
Straßen der Stadt.
Was er dabei beobachtete: Die vereinzelten Tiere reagierten mit ihrem
Gesang in Ermangelung anderer Gesellschaft auf Straßenlärm, Hupen,
Telefonklingeln und andere menschengemachte Geräusche. Morey-Weales
Installation bei [1][Bungalow] bildet diese Situation nach. Vogelkäfige,
überdeckt mit ausgehärtetem Textil, stehen dort herum, aus denen es
tschilpt und tiriliert – untermalt und unterbrochen von den Geräuschen der
Ritterstraße, die durch die geöffnete Tür in den Ausstellungsraum
eindringen.
## Grenzlinien von Ost nach West
Auch die polnische Künstlerin Barbara Kozłowska (1940-2008) war lange Zeit
eingeschränkt in ihrem Bewegungsradius. Zwischen 1967 und 1990 arbeitete
sie an einem Projekt, dem sie den Namen „Linii granicznej“ (Grenzlinien)
gab. Ziel war es, über den Globus eine Linie von Ost nach West zu ziehen
und dabei die Stellen, wo sich Land und Wasser berühren, mit kleinen
konischen Skulpturen aus gefärbtem Sand zu markieren. Als Polin war Reisen
für Kozłowska bis 1989 kaum möglich, sie verwirklichte Grenzlinien deshalb
immer dort, wo sie überhaupt hinkommen konnte. Ihre Interpretation von
Land-Art war eigenwillig und auch ein Weg, der staatlichen Kontrolle von
Kunst aus dem Weg zu gehen.
Gelegenheit, mehr über das Projekt und die in Deutschland kaum bekannte
Künstlerin zu erfahren, gibt es aktuell – nach Voranmeldung – in den
hübschen Räumen von [2][June] am Strausberger Platz. Camila McHugh hat die
Ausstellung in Zusammenarbeit mit Kozłowskas Nachlass kuratiert.
Fotografien sind dort zu sehen, Kozłowska am Baikalsee, in Edinburgh und
auf Malta, schrill überlichtete Abbildungen ihrer Sandkegel. Eine kleine
Vitrine zeigt dokumentarisches Material – Fotos, Broschüren, Karten,
Notizen – so nebeneinander liegend, wie auch Kozlowska es ähnlich
präsentiert hat.
## Neue Denkräume aus dem Kunstarchiv Beeskow
Während es in Galerien und Projekträumen zum Teil möglich ist, noch für
denselben Tag Zeitfenster zu ergattern, ist dies in Museen besonders am
Wochenende Museen kompliziert bis unmöglich. Schon Tage bis Wochen ist dort
oft alles ausgebucht. Etwas weiter weg, im [3][Schloss Biesdorf] etwa, kann
man aber auch kurzfristig Glück haben. „Zeitumstellung“ heißt die aktuelle
Schau, in der es freilich nicht um die von Samstag auf Sonntag
verschwundene Sommerzeitstunde ging, sondern um die deutsch-deutsche Wende.
Werke aus dem Kunstarchiv Beeskow aus 40 Jahren DDR hat Kuratorin Elke
Neumann dort mit zeitgenössischen Arbeiten zusammengebracht. Sie ergänzen
sich, widersprechen sich, machen im Dialog neue Denkräume auf. Gemälde zum
Thema Völkerfreundschaft von Walter Womacka oder Ingeborg Michaelis hängen
dort in direkter Nachbarschaft zu Malte Wandels fotografisch-filmischer
Recherche zu ehemaligen Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik, die
ihren Lohn von der mosambikanischen Regierung nie bekamen. Eine Skulptur
von Inken Reinert aus ausgesonderten MDW-Möbeln steht zwischen Porträts von
Paaren, die vermutlich mit diesen lebten. Es geht um Wohnungsbau und
symbolträchtige Architekturen, um Naherholung und Berufstätigkeit, Privates
und Politisches.
30 Mar 2021
## LINKS
[1] http://chertluedde.com/bungalow/
[2] https://www.j-u-n-e.eu/
[3] http://schlossbiesdorf.de/de/ausstellungen/
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
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