Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Auf den blinden Hund gekommen
> Warum die einstige Volkspartei CDU eine neue Erzählung braucht. Und
> welche gewichtige Rolle Claus Dieter Unfug dabei spielt.
„Sobald dieser Hund die Stimme seines Herrn oder das Schütteln seiner Faust
wahrnimmt, bringet er die umherirrenden Schafe an ebenjenen Ort, den sein
Meister wünscht, sodass der Schäfer mit nur wenig Arbeit und Mühe, ohne
Beanspruchung seiner Füße, seine Herde beherrschen und leiten kann … ob sie
nun vorwärtsgehen, stillstehen oder sich zurückziehen soll oder hierhin
abbiegen oder jenen Weg nehmen.“
(John Caius, Leibarzt der englischen Königin Elisabeth I., über das Wesen
des Borderline-Collies.)
Ein bellendes Raunen geht durch die dritte Etage des Tierheims
Viersen-West. Er hat es geschafft! Die anderen Tölen sind grün vor Neid. Er
ist vermittelt worden! Nach draußen. Und dass, obwohl das hier im Tierheim
Viersen-West die Station für nicht mehr vermittelbare Vierbeiner ist. Doch
Claus Dieter Unfug ist raus, er darf den Sittich machen!
Der blinde Borderline-Collie wird neben Kanzlerkandidat Armin Laschet ab
sofort das neue Maskottchen der Christlich Demokratischen Union
Deutschlands, kurz immer noch CDU genannt. Eine Entscheidung mit Folgen,
weitreichend und tierlieb wie Armin Laschet. Ganz so, wie es sich für die
ehemalige Volkspartei CDU ziemt. Das Ergebnis nächtelanger
Strategiesitzungen mit den wenigen verbliebenen Teilzeitstrategen der
Partei kann sich sehen lassen. Auch Wolfgang Schäuble, letzter aufrechter
Draht- und Strippenzieher der CDU, hat es temporär abgenickt. Unter dem
Vorbehalt der tiefschwarzen Null hat er Claus Dieter Unfug und Armin
Laschet „volle Unterstützung im Wahlkampf“ zugesagt. Danach ist alles
offen: „Dann geht alles schief, wenn ihr verliert“, orakelt der einst ewige
Kronprinz von Angela Merkel schon mal hinterher. Angela wer?
Claus Dieter Unfug trottet noch leicht benommen aus dem dritten Stock des
Tierheims Viersen-West. Zuvor hat er das erste Mal mit Laschet telefoniert.
„Es geht im September um eine wegweisende Entscheidung für die Zukunft
unseres Landes“, hat ihm sein Landsmann klipp und klar erklärt. Dann war
Funkloch. Irgendwann war der Aachener wieder dran. Ab jetzt, so der
angezählte CDU-Chef, zähle: „Welche Partei hat die besten Rezepte für die
Zukunft unseres Landes und das beste Team, um die Herausforderungen zu
bewältigen?“ Das beste Team „für die kommenden schwierigen
Herausforderungen“ seien eben er selbst, Armin, und am anderen Ende der
Leitung er, Claus Dieter.
## Futternapf für das Maskottchen
Dessen Futternapf wird vom Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, nach dem
Telefonat mit Laschet eilfertig hinterhergetragen. Auch ein wenig
Übergangsgarderobe für verschiedene Marketinganlässe sowie Temperaturen vor
der Bundestagswahl hat Ziemiak für Claus Dieter Unfug in petto und über der
rechten Armbeuge hängen. Parterre und draußen empfängt die beiden ein
maskiertes, multimediales Blitzlichtgewitter. Jetzt kommt es auf ihn, Claus
Dieter Unfug, an. Der blinde Borderline-Collie spürt instinktiv: Mit ihm,
dem schwarz-weiß gescheckten Arbeits- und Hütehund, rechnen sie jetzt; auf
ihn, Claus Dieter Unfug, zählen sie.
Es ist ja sonst, außer Armin Laschet und Paul Ziemiak, fast niemand da, der
ihm zur Seite stehen könnte. Volker Bouffier, der alte Hesse? Ein ganz
ausgebuffter, keine Chance, ähnlich knallhart wie Schäuble. Hopp oder top –
ja, so war sie wohl die Politik, das hatten ihm die anderen harten, alten
und nicht mehr vermittelbaren Hunde im Tierheim Viersen-West noch mit auf
den Weg gegeben.
So viel Aufsehen ist er, der gebürtige Rassehund aus Gelsenkirchen-Schalke,
erst mal nicht gewohnt. Doch dann fängt er sich wieder draußen vor der
Pfote … nein, Pforte des Tierheims Viersen-West. Claus Dieter Unfug hebt
gewichtig an. „Klar ist: Es darf kein ‚Weiter so‘ geben. Deutschland muss
besser, schneller und moderner werden. Wuff.“ Sofort sind die News draußen
und „in der Welt“, und das nach 16 Jahren Angela Merkel. Angela wer?
Paul Ziemiak drängt derweil zum Aufbruch, die multimediale Meute muss auch
weiter. Shrek Söder bläst drunten im Süden zum erneuten Halali. Er braucht
dafür kein zweites Maskottchen, er braucht keinen Claus Dieter Unfug. Söder
ist sein eigenes Maskottchen, er ist halt der bayerische Löwe, Franke hin
oder her.
## Hundekot auf dem Rücksitz
Claus Dieter Unfug nimmt im Fond der gepanzerten Limousine Platz. Hundekot
auf dem Rücksitz ist das Ergebnis. Der langjährige Chauffeur von Paul
Ziemiak quittiert noch an Ort und Stelle seinen Dienst. Ziemiak setzt sich
hinter das Steuer, „bin ich doch gewohnt“, grinst er selig nach hinten.
Doch der blinde Borderline-Collie hat schon wieder Armin Laschet an der
Strippe. Was erzählt ihm der ältliche Aachener eigentlich die ganze Zeit?
Der einst siegreiche Rassehund kommt ins Grübeln. War es richtig, das
Tierheim Viersen-West zu verlassen?
„Wir brauchen eine neue Erzählung für die CDU, wir brauchen dich, Claus
Dieter Unfug!“, kräht Laschet wie immer so jovial wie hinterfotzig durch
die Muschel. „Es geht jetzt darum, eine gute Zukunft für Deutschland zu
gestalten!“ Claus Dieter Unfug nickt, dann hebt er erneut gewichtig an.
„Aber Armin, das wollen die Grünen doch auch! Die sind jetzt genau da, wo
du immer schon warst.“ Doch momentan ist Laschet wieder mal nur im
Funkloch.
Als er wieder „auf Sendung“ ist, ist Paul Ziemiak mit Claus Dieter Unfug an
Bord fast in Armin Laschets Heimat, dem quirligen Aachen-Burtscheid,
angelangt. Der blinde Borderline-Collie ist sich jetzt so sicher wie der
kippelnde Kanzlerkandidat: Ja, es ist so, eine neue Erzählung muss her für
die CDU! Und zwar schnell, ganz schnell vor den desaströs dräuenden
Volkskammerwahlen in Sachsen-Anhalt.
Das brandneue und neben Laschet zweite Maskottchen der Partei weiß: Jetzt
muss er liefern, denn gleich sind sie bei Laschets Lieblingseisdiele im
Kurviertel der Kaiserstadt angekommen. Laschet schnauft schon hörbar, er
ist gespannt, ja elektrisiert, als der Wagen mit Claus Dieter Unfug
vorfährt.
Ist der blinde Borderline-Collie die Rettung für die CDU? Ja, er ist die
Rettung für die vom Weg abgekommene Volkspartei. Denn der seinem hündischen
Wesen nach treue Schäfer umherirrender Schäfchen hat in seinem Maul die
Lösung nach Aachen und zu Armin Laschet mitgebracht. Hierhin muss die CDU
abbiegen, jenen Weg muss sie nehmen: Die CDU muss die Partei der Haustiere
und für die Haustiere werden! Mit Haustieren wie Claus Dieter Unfug. 83,2
Millionen Deutsche besitzen insgesamt 34,4 Millionen Katzen, Hunde, Fische,
Vögel, Kleintiere und Reptilien – so viele wie noch nie vor der Pandemie.
Und wen wählen diese Deutschen am 26. September? Na? Genau: das Team Armin
Laschet und Claus Dieter Unfug. Von der Christlich Demokratischen Union für
Haustiere und deren Halter.
24 Apr 2021
## AUTOREN
Harriet Wolff
## TAGS
Armin Laschet
CDU
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Hundekot
Kolumne Die Wahrheit
Kolumne Die Wahrheit
Kanzleramt
Kolumne Der rote Faden
Die Wahrheit
Annalena Baerbock
Traum
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hundekot in der Öffentlichkeit: Dem Spürhund auf der Spur
Der nordrhein-westfälische Ort Weilerswist plant eine DNA-Datenbank für
Hundekot. Unsere Autorin denkt die Idee weiter.
Die Wahrheit: Hallo, hier ist Mike
Der König der ehrbaren Zunft der Flaschensammler fährt in Berlin einen
lindgrünen VW Jetta. Sein Kofferraum birgt ein ausgeklügeltes
Ordnungssystem.
Die Wahrheit: Beste Leben
Junge Menschen haben es auch nicht leicht. Stellt sich ihnen
Blockwartgehabe in den Weg, wird es ganz trist. Ein Bekenntnis.
Die Wahrheit: Atemlos durch die Diss
Nach Plagiatsvorwürfen gegen deutsche Politiker geraten auch immer mehr
Unterhaltungskünstler in diffizile Gewässer.
Sex Toys, die Union und Baerbock: Storno für den Womanizer
Wenn der Scanner spinnt, muss schamvoll an der Kasse reklamiert werden.
Macht nix – selbst ein gestandener CSUler musste kürzlich ausgescannt
werden.
Die Wahrheit: Der Tag der unverrichteten Dinge
Wie sieht’s aus, heute schon was geschafft? Ein Beitrag zur dringenden
Feier der Prokrastination am „Tag der unverrichteten Dinge“.
Die Wahrheit: Das doppelte Kanzlerchen
Auf ihrem unterhaltsam unaufhaltbaren Weg zur Macht beschreiten die Grünen
neue arbeitsteilige Wege. Mann, Frau, prima, wie das flutscht.
Die Wahrheit: Beam me up, Scotty!
Das mit dem Gefühl der sehr kleinen Welt aus der sehr großen
Vogelperspektive klappt nicht mehr. Wie viele Jahre ist es bloß her, dieses
Gefühl?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.