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# taz.de -- Kanzlerkandidat der Union: Gegen alle Widerstände
> CDU-Chef Armin Laschet hat sich gegen CSU-Chef Markus Söder durchgesetzt:
> Er wird Kanzlerkandidat, doch ist schwer angeschlagen.
Bild: Großes Stehvermögen: Armin Laschet auf der Pressekonferenz
Es sind nur wenige Minuten, die sich der sonst so redselige CSU-Chef an
diesem Dienstagmittag für sein Pressestatement nimmt, um zu guter Letzt
doch noch den Streit über die K-Frage zu beenden. Die offensichtlich gute
Laune, mit der Markus Söder noch am Vortag vor die Presse trat, ist
nüchterner Sachlichkeit gewichen. „Die Würfel sind gefallen“, sagt Söder.
„Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union.“
Damit ist der Machtkampf, in den Söder die weitaus größere CDU vor einer
guten Woche gezwungen hatte, beendet. Der CSU-Chef gratuliert seinem
Kontrahenten und versichert: „Wir werden ihn ohne Groll mit voller Kraft
unterstützen.“
Doch was Söder in diesen Minuten vor allem durchblicken lässt, ist eine
andere Botschaft: Die Entscheidung ist falsch. Mehrfach unterstreicht er
den großen Zuspruch, den er in den letzten Tagen erfahren habe, der habe
ihn gefreut, bewegt und gerührt. Söder bedankt sich bei den „Jungen, den
Modernen, die auf Zukunft aus waren“, den „mutigen Abgeordneten“ der
Schwesterpartei, die ihn unterstützt hätten, auch „bei nahezu allen
Ministerpräsidenten“. Sprich: Eigentlich hätten doch alle gewusst, dass er
der bessere Kandidat gewesen wäre. Wer in der CDU nun auf Ruhe aus Bayern
gehofft hat, kann schnell Zweifel bekommen.
Seinen Rückzug begründet Söder denn auch lediglich mit Parteiräson. Man
wolle keine Spaltung, nur eine geschlossene Union könne am Ende auch
erfolgreich sein. Wieder einmal spricht er von „Anstand und Stil“, den die
„neue CSU“ in diesen schwierigen Zeiten zum Grundprinzip erhoben habe –
[1][und klingt dabei freilich wie der Metzger, der Veganismus predigt].
## Laschets letzte Chance
In der Nacht zuvor, am frühen Dienstagmorgen, hatte der CDU-Bundesvorstand
Laschet als Kanzlerkandidaten nominiert. 31 Mitglieder stimmten für den
CDU-Chef, 9 für Söder, 6 enthielten sich. Es ist ein klares Ergebnis, wenn
auch ein glanzloses. Doch darum geht es für Laschet zu diesem Zeitpunkt
längst nicht mehr. Das eigene politische Überleben steht auf dem Spiel –
und die Frage, ob seine Partei sich der CSU und deren Chef unterwirft.
Nach einem weiteren gescheiterten Einigungsversuch zwischen ihm und Söder
am späten Sonntagabend war klar: Nur eine schnelle Entscheidung des
CDU-Vorstands zu seinen Gunsten kann Laschet noch zum Sieg verhelfen. In
der CDU bröckelt zu diesem Zeitpunkt die Unterstützung, alles scheint auf
eine Kampfabstimmung in der Bundestagsfraktion hinauszulaufen. Die
Wahrscheinlichkeit ist groß, dass hier Söder gewinnt. Laschet lädt den
Vorstand ein und setzt dort, gegen den Widerstand der Söder-Anhänger:innen,
eine Abstimmung durch. Er hat wohl nur noch diese Chance. [2][Und gewinnt.]
Am Dienstagmittag, als der CDU-Chef dann in der Parteizentrale vor die
Presse tritt, wirkt er aufgeräumt. [3][Er bedankt sich bei Söder und der
CSU], die am Vortag eine Entscheidung ermöglicht hätten und für den „fairen
Umgang miteinander“, kein böses Wort Richtung München kommt über Laschets
Lippen, stattdessen lobt er die offene Diskussion in der eigenen Partei und
betont noch einmal, dass der Bundesvorstand die Breite der Partei
repräsentiere. Jetzt gehe es darum, ein Team zu bilden, geschlossen in den
Wahlkampf zu ziehen und ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl
im September zu verhindern. „Denn das ist eine andere Republik.“ Doch wie
geschlossen kann die Union, kann seine eigene Partei nach dieser
aufgewühlten Woche sein?
[4][Wie gespalten die CDU ist], wird in der Sitzung am Montagabend klar.
Mehr als sechs Stunden tagt die CDU-Spitze, die Diskussion ist engagiert,
viele tragen Bedenken gegen eine Kanzlerkandidatur von Laschet vor. Julia
Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin, Landeschefin in Rheinland-Pfalz
und eigentlich eine Laschet-Unterstützerin, berichtet laut
Teilnehmer:innen von einer Sitzung der Kreisvorsitzenden am Nachmittag,
das Meinungsbild sei eindeutig für Söder gewesen. Reiner Haselhoff meint,
im Osten sei man sich einig, dass dort die Stimmung zugunsten Laschets
nicht mehr zu drehen sei, wogegen Brandenburg vorsichtigen Widerspruch
anmeldet. Aber selbst Schleswigs-Holsteins Ministerpräsident Daniel
Günther, der fest an Laschets Seite steht, räumt ein, dass die Stimmung an
der Basis zu Söder tendiere. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein
enger Vertrauter der Kanzlerin, setzt sich ganz offen für Söder ein.
## Nicht das Bild eines Wahlsiegers
Viele Vorstandsmitglieder sind in einer schwierigen Position: Selbst wenn
sie Laschet favorisieren, macht ihnen die Stimmung an der Basis Druck. Aber
soll man wirklich den eigenen Parteichef, gerade drei Monate im Amt, ein
halbes Jahr vor der Bundestagswahl wieder abservieren?
Am Ende ergreift Volker Bouffier, Ministerpräsident in Hessen und
einflussreicher Vizechef der Partei, das Wort. Dass er für Laschet sei, das
wisse man, sagt Bouffier laut Teilnehmer:innen. Aber er sagt auch:
„Das, was wir machen, entspricht nicht der Erwartungshaltung vieler. Die
müssen wir alle einsammeln.“
Es ist also eine riesige Aufgabe, vor der Laschet steht. Aus der Jungen
Union ist am Dienstag zu hören, dass Laschet nun beweisen müsse, dass er
zusammenführen kann und es keine Verlierer:innen in der Union gebe.
„Denn das Bild des gestrigen Abends war kein Bild eines Wahlsiegers und so
können wir nicht in den Wahlkampf ziehen.“ Immerhin: In der
Bundestagsfraktion, in der zuvor von Söder-Fans schon fleißig
Unterschriften zur Durchsetzung einer Kampfabstimmung gesammelt wurden,
bleibt es am Dienstagnachmittag ruhig. Laschet spricht, bedankt sich und
ruft zur Einigkeit auf. Die Kanzlerin, die sich die ganze Zeit bedeckt
gehalten hatte, gratuliert.
Laschet, den die taz schon vor mehr als einem Jahr als „den Beharrlichen“
beschrieb, hat sich also wieder einmal gegen alle Widerstände durchgesetzt.
Dass er ein Kämpfer ist, hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident in mehr
als 30 Jahren in der Politik immer wieder bewiesen: Landesparteichef und
Fraktionsvorsitzender in Düsseldorf wurde er erst im zweiten Anlauf. Als
Bundesparteichef trat er erst an, nachdem die Wunschkandidatin Angela
Merkels, die glücklose Annegret Kramp-Karrenbauer, krachend gescheitert war
– und gewann das Duell gegen den Wirtschaftsflügel-Mann Friedrich Merz nur
äußerst knapp in einer Kampfabstimmung.
## Der Beharrliche
Doch Laschet, den nur oberflächliche Beobachter als netten Onkel belächeln,
ist auch ein begnadeter Strippenzieher – und ein knallharter
Machtpolitiker. Wie groß sein Stehvermögen ist, hat der 60-Jährige in den
vergangenen acht Tagen noch einmal eindrucksvoll bewiesen. All die Kritik,
all die Misstrauensvoten, auch aus den eigenen Reihen, die in den
vergangenen Tagen auf den oft jovial wirkenden Rheinländer einprasselten,
steckte er weg, lächelte auch das Votum der Jungen Union pro Söder einfach
weg – dabei hatte der Chef der Nachwuchsorganisation, Tilman Kuban, nach
massivem Druck seiner Mitglieder gewarnt: „Wir sind die, die Plakate kleben
und den Wahlkampf schmeißen.“ Andere hätten da längst resigniert und
aufgegeben.
Doch Laschet, der in seiner langen Politkarriere immer wieder Niederlagen
in späte Siege verwandelt hat, setzte sich durch. Denn kaum ein
Christdemokrat kennt die Partei so gut wie ihr Bundeschef, der vor seiner
Zeit als Ministerpräsident Bundestags- und Europaabgeordneter war und in
Düsseldorf als Landesminister amtiert hat. Unterstützt wurde er von
CDU-Größen wie etwa Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, die
Ministerpräsidenten Bouffier und Günther, sowie den Niedersachsen-CDU-Chef
Bernd Althusmann. Selbst Friedrich Merz stellte sich hinter Laschet.
Möglich gemacht hat das nicht nur die Wut führender Christdemokraten auf
Söder, der CDU-Gremien wie Präsidium und Vorstand als „Hinterzimmer“
diskreditiert und der Parteiführung damit ihre Legitimität abgesprochen
hat. Auch Laschet selbst, der nach seiner Amtszeit als erster
Integrationsminister Deutschlands als linksliberal und grünennah galt,
arbeitet schon seit Jahren an einem neuen Image. In NRW regiert er trotz
knappster Einstimmenmehrheit relativ geräuschlos mit der FDP, beschwört die
„Entfesselung der Wirtschaft“ ebenso wie sein Mantra von „Maß und Mitte�…
Folgerichtig haben in seiner Landesregierung alle Parteiströmungen Platz,
von der Mittelstandsunion bis zur Arbeitnehmerschaft.
Und Laschets Strategie des Werbens um alle Parteiflügel hatte Erfolg: Der
Rheinländer sei kein „Spalter“, sondern jemand, der integriere, erklärte
etwa der aus Baden-Württemberg stammende CDU-Bundesvize Thomas Strobl in
der entscheidenden Sitzung am Montag – um den Wirtschaftsflügel im
Südwesten hatte Laschet zuvor intensiv geworben. Jetzt muss der Aachener
beweisen, dass er versöhnen und gewinnen kann. Einfach wird das nicht:
Aktuell dümpelt seine Partei bei Umfragewerten von unter 30 Prozent.
## Ein Sieg der Vernunft?
Am Ende dieses neuntägigen Machtkampfes bleibt noch eine Frage: Warum hat
Markus Söder am Ende doch eingelenkt, obwohl er bei einer Fortsetzung des
Machtkampfs Laschet vielleicht doch noch in die Knie hätte zwingen können?
Er hätte die Union damit weiter demontiert, am Ende wäre dies auch an ihm
hängen geblieben. Und auf einem Pferd in die Hauptstadt einzuziehen, das er
zuvor waidgerecht zerlegt hat – das wäre dann doch ein wenig
aussichtsreiches Unterfangen gewesen.
Am Ende war es CSU-Generalsekretär Markus Blume, der noch einmal die
Pathoskanone auspackte und klarmachte, wer hier gerade das Feld geräumt
hat: „der Kandidat der Herzen“. Also ein Sieg der Vernunft? Fragen ließ die
CSU bei der Pressekonferenz diesmal nicht zu.
20 Apr 2021
## LINKS
[1] /Markus-Soeder-zur-K-Frage-in-der-Union/!5767060
[2] /CDU-Votum-fuer-Laschet/!5767147
[3] /Kampf-um-Kanzlerkandidatur-der-Union/!5767165
[4] /Union-in-der-Krise/!5760254
## AUTOREN
Sabine am Orde
Andreas Wyputta
Dominik Baur
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