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# taz.de -- Arbeiten in der Post-Corona-Zeit: Büro Ferienhaus
> Die Pandemie macht Veränderungen in der Unternehmenskultur nötig. Wie
> entwickelt sich die Arbeitswelt der Zukunft?
Bild: Ein Angestelltentraum? Manches lässt sich im Sommer auch in der Hängema…
Nach mehr als 12 Monaten Pandemie zeichnet sich breite Erschöpfung ab –
auch angesichts der wohl noch bevorstehenden „Verlängerung“ wegen
mangelnder Impfgeschwindigkeit und neuer Virusmutationen. Zunehmend stellt
sich aber auch die Frage, welche Implikationen der erlebte
„Experimentierraum Deutschland“ in Bezug auf die Arbeitswelt eigentlich für
die Zeit „danach“ hat? Wenn auch keiner sagen kann, wann dieses „Danach“
tatsächlich anfangen wird, so ist dennoch die Einigkeit groß, dass es kein
„Zurück“ mehr in die Zeit vor März 2020 geben wird.
Zu eindeutig ist der Beweis, dass großflächige Arbeit auf Distanz machbar
ist. Dass sich [1][Geschäftsreisen] ersetzen lassen, Pendlerströme sich
verändern – was bereits jetzt auf dem Markt für Gewerbeimmobilien
beobachtbar ist. Dort, so unsere Erwartung, wo Digitalisierung und
Tätigkeitsstrukturen es möglich machen, wird die Arbeitswelt eine hybride
sein. Arbeit und Zusammenarbeit in Präsenz wird deutlich
selbstverständlicher und umfänglicher mit virtuellen Formaten kombinierbar.
[2][Virtuelles Arbeiten] wird selbstverständlich: von daheim aus, aus dem
Zug, in der übergreifenden Projektarbeit über verschiedenste Standorte oder
gar Organisationen hinweg. Das schafft veränderte Anforderungen an die
Ausstattung individueller Arbeitsumgebungen und die Erkenntnis, dass
Besprechungsräume ohne Videokonferenzmöglichkeiten ihren Zweck nicht
erfüllen werden. Es führt zu einer erwartbaren Debatte darüber, in welcher
betrieblichen Regelung und mit welcher Ausstattung Arbeit von anderen Orten
aus realisiert werden kann.
Das Konzept der Hybridität verändert generell den Blick auf die Frage, wo
welche Arbeit erledigt wird und wie viel Büroraum es eigentlich noch
braucht. In Zukunft werden reale und virtuelle Räume im wahrsten Sinne
„übereinandergelegt“ werden müssen, was Bedarf etwa an neuen
Moderationstechniken schafft. Es verändern sich möglicherweise auch
wesentliche Eckpfeiler unserer Vorstellung davon, wie Arbeit und
Privatleben miteinander verwoben sind – und wer was dominiert.
Wird es im jeden Fall erforderlich sein, für einen neuen Job auch in die
neue Stadt zu ziehen? Wird es in Zukunft möglich, auch in strukturell eher
unterausgestatteten Regionen qualifizierte Arbeit zu erledigen? Oder findet
das Gegenteil statt – eine dauerhafte Verlagerung qualifizierter Arbeit ins
Ausland, vorausgesetzt, die Mitarbeitenden sprechen die richtige Sprache
und bringen die richtigen Kenntnisse mit? Und was sagen wir dem Kollegen,
der in Zukunft gerne drei Monate im Jahr von seinem Ferienort aus
zuarbeiten will? Der Möglichkeitsraum ist größer geworden, und bisher als
gesetzt geglaubte Denkmuster können erstaunlich schnell obsolet werden.
Wir wissen derzeit nicht genau, in welchen quantitativen Veränderungen sich
diese neue Arbeitswelt ausgestalten wird. Und es wird wohl auch Teil dieser
Zukunft sein, dass es Arbeitnehmende gibt, deren [3][Jobs weggefallen] oder
bedroht sind durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge der Krise,
und solche, deren Tätigkeitsprofile ein Arbeiten über Distanz auch
weiterhin unmöglich machen. Hier sehen nicht wenige einen neuen „Digital
Divide“ zwischen privilegierteren und weniger privilegierten
Beschäftigungsgruppen.
Sicher ist allerdings, dass die hybride Arbeitswelt Veränderungen in der
Unternehmenskultur nötig macht. Denn wir haben gerade in der Krisenzeit ein
hohes Maß an unkonventionellen Lösungsansätzen, Entscheidungsdelegation,
Mut zum Ausprobieren (und Scheitern) gesehen. Vieles musste mangels
Alternativen und Zeitdruck schnell und vor Ort entschieden werden. Die
erweiterte Verantwortlichkeit und das dazu erforderliche Vertrauen in die
Handelnden vor Ort wurden von Mitarbeitenden wie Führungskräften durchaus
auch als motivierend erlebt. Der allergrößte Teil der Arbeitnehmenden hat
im Homeoffice vollen Einsatz gezeigt und bewiesen, dass auch jenseits der
engeren Präsenz- und Kontrollmechanismen Arbeit und Verantwortungsübernahme
funktionieren.
Jetzt ist es an der Zeit, konkret über neue Formen der Teamorganisation mit
mehr Autonomie nachzudenken. Es gilt, Führungsarbeit weniger als
Arbeitsdelegation und Kontrolle denn als Unterstützung, Anleitung und
Entwicklungsberatung zu definieren. Dabei gleichzeitig aber auch zur
Kenntnis zu nehmen, wie wichtig Führung gerade in Krisenzeiten als
Informations- und Kommunikationsdrehscheibe, als Anker und Orientierung,
als Mutmacher und Signalgeber ist – gerade in den kommenden Monaten!
Eine Folge der Hybridisierung ist aber auch die zunehmende Entgrenzung von
Arbeits- und Privatleben. Was, solange es individuell steuerbar ist und im
vernünftigen Rahmen passiert, durchaus als positiv erlebt werden kann, aber
eben auch die Kehrseite einer dauerhaften Überlastung mit sich bringen
kann. Leistung, so wissen wir, braucht Erholung und Erholung braucht
Abstand von der Arbeit. Hier kommen auf Arbeitgeber als Gesamtinstitution,
Führungskräfte wie Mitarbeitende neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu,
um einen gesunden Mix von Arbeitszeit und in der Privatsphäre verbrachten
Zeit zu erhalten und gleichzeitig Arbeitgeberfürsorge und
Selbstverantwortung miteinander gut auszutarieren.
Hybridisierung der Arbeit, das heißt auch: Alle müssen sich bewegen, haben
aber auch viel zu gewinnen – Reaktionsfähigkeit, Flexibilität,
Vereinbarkeit und Nachhaltigkeit. Wenn die Krise eines gezeigt hat, dann,
dass diese Facette der neuen Arbeitswelt nicht nur ein Wohlfühlthema für
Einzelne ist, sondern einen echten Beitrag zur Krisenresilienz leistet und
in Zukunft einfach dazugehört. Es wäre eindeutig verschenktes Potenzial,
wenn wir die hierin liegenden Chancen nicht nutzen würden.
16 Apr 2021
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## AUTOREN
Josephine Hofmann
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