# taz.de -- Baufirma wegen Schwarzarbeit verurteilt: Die Fassade glänzt | |
> Mit ihrer Bremer Baufirma haben die K.s die Sozialversicherung geprellt. | |
> Ihr Unternehmen haben sie an eine dubiose Firma vertickt. | |
Bild: Die Schattenwirtschaft brummt. Im Baugewerbe wird besonders viel an den S… | |
BREMEN taz | Wenn es hart auf hart kommt, ist Familie K. jetzt pleite, das | |
ist klar. Die Eheleute haben mit ihrer kleinen, auf Putzarbeiten | |
spezialisierten Baufirma aus Oslebshausen die Sozialversicherungen | |
geprellt, eigentlich seit Gründung 2012 bis 2016. Erst war er alleiniger | |
Geschäftsführer, danach sie. | |
Mit Strafbefehlen ist der Prozess gegen das Paar am Montag nach knapp drei | |
Stunden nach Eröffnung statt wie angesetzt im Juni nach acht | |
Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Jeweils ein Jahr zur Bewährung, so ist | |
es ausgemacht. | |
Und jetzt kommen die Geldforderungen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) | |
hatte schon während der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einen | |
Nachzahlungsbescheid über eine Million Euro an die K-GmbH adressiert. Laut | |
Frank Ammerich, Verteidiger der Frau K., wollte die DRV erst einmal den | |
Ausgang des Verfahrens abwarten. Und bei Sozialversicherung und | |
Berufsgenossenschaft wurden fast bei jeder Abrechnung Beiträge einbehalten. | |
Anfangs ging es nur um ein paar tausend Euro, aber nach und nach traute man | |
sich offenbar mehr. Rekordmonat war schließlich der Oktober 2015 mit 49.000 | |
Euro Schummelkohle. | |
## Die Beträge läppern sich | |
Im November drauf ertricksten die K.s sich nach Berechnung der | |
Staatsanwaltschaft noch einmal fast 40.000 Euro. Über die Jahre kommt da | |
was zusammen: die Gesamtsumme wird auf 663.886,10 Euro beziffert. Die Frage | |
ist nur: Wer soll das bezahlen? | |
Am Ende wahrscheinlich: keiner. Denn die Beweislage war alles andere als | |
klar. So hatte Anwalt Arif Kaya als Vertreter des Ehemanns vor Gericht | |
beteuert, nicht die Herr, Frau und Firma K., sondern die zahlreichen von | |
ihnen beauftragten Sub-Unternehmen hätten wohl die Abgabenpflicht | |
vernachlässigt. | |
Dass sie das überwiesene Geld für die entsprechenden Rechnungen in bar | |
abgehoben hätten, habe nicht, wie von der Anklage unterstellt, dazu | |
gedient, es zurückfließen zu lassen. „Das deutet doch eher darauf hin, dass | |
es dort Schwarzarbeit gegeben hat“, so Kaya. Klar sei nur, „dass es | |
Schwarzarbeit gegeben hat“, stellte auch der Vorsitzende Richter Hans | |
Ahlers fest. Wer dafür verantwortlich sei, hätte eine aufwändige | |
Beweisaufnahme erfordert. | |
Sprich: sich auf einen solchen Deal einzulassen, wäre schon irrwitzig | |
gewesen, wenn Familie K. nicht irgendwo eine Chance sehen würde, die | |
Forderungen ins Leere laufen zu lassen. „Das ist so unklar“, sagen die | |
Anwälte nach dem Prozess auf die Frage ob jetzt ihre Mandanten den ganzen | |
Schotter aufbringen müssen. | |
Und klar, persönliche Haftung gibt’s, aber dass sich auf den Familienkontos | |
zwei Millionen stapeln, ist eher unwahrscheinlich. Und die veröffentlichten | |
Bilanzen ihres Bauunternehmens weisen einen Jahresüberschuss von maximal | |
70.000 Euro aus. Außerdem haben sie ihr Unternehmen diesen März | |
vorsichtshalber veräußert. | |
„Die Eheleute K. hatten die Schnauze voll“, sagt Anwalt Kaya. Erworben hat | |
die K.-GmbH ein Unternehmen. Das hat einen wohlklingenden Namen mit Hanse | |
und einen Briefkasten in Berlin-Lichterfelde: Nennen wir es die H.-GmbH. | |
## Briefkastenfirma kauft Bauunternehmen | |
Sie residiert dort als Untermieterin im etwas ranzigen Schnellbau-Pavillon | |
einer Ferienfahrschule, die mit Fassadenarbeiten ganz offenkundig noch nie | |
zu tun hatte. Die Kompetenz der neuen alleinigen Gesellschafterin der | |
Bremer K.-Bau umfasst laut Handelsregister Charlottenburg „Dienstleistungen | |
in sämtlichen nicht erlaubnispflichtigen Tätigkeitsfeldern“, und zwar | |
„speziell in den Bereichen der IT-Dienstleistungen, | |
Softwaredienstleistungen, Softwareberatung, Softwarepflege und | |
Unterstützung und allgemeine Reparaturdienste für Smartphones“. Rufnummer | |
hat sie auch, die H.-Gmbh, Ehrensache, wenigstens mobil. Sie ist aber | |
gerade temporarily not available. | |
Ihr Gründer ist ein Lübecker Briefkastenunternehmer. Der tritt, lustig, | |
auch in Hamburg und Umland als Personaldienstleister in Erscheinung. Als | |
Ehrenamt gibt er an, aus den Sozialkassen finanzierte Weiterbildungen von | |
Arbeitslosen zu Sicherheitspersonal durchzuführen. Auch einem in ganz | |
Deutschland aktiven Abmahn-Verein, der andere Rechtspersonen bedrängt hat, | |
sich durch ihn gegen Geld im kostenfreien Transparenzregister des Bundes | |
eintragen zu lassen, hatte er vorgesessen. | |
Die Masche war aber schnell aufgeflogen und der Verein wurde nie beim | |
zuständigen Amtsgericht ins Register eingetragen. Seine Berliner H.-GmbH | |
hat er just im Frühjahr seiner Frau überlassen. Familienunternehmen stehen | |
halt für Solidität. Und die Fassade können sie sich jetzt auch schön | |
machen. | |
13 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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