# taz.de -- Die Grünen und die K-Frage: Baerbeck oder Habock | |
> Bei der grünen Kanzler:innenkandidatur geht es nicht darum, wer | |
> die oder der Bessere ist. Am Ende braucht die Partei beide an der Spitze. | |
Bild: Robert Habeck oder Annalena Baerbock? Am 19. April wollen die Grünen die… | |
Mädchen sollen heute alles werden können“, so sagt es Annalena Baerbock, | |
die grüne Co-Parteichefin. Kanzlerin zum Beispiel. Ist damit also die | |
K-Frage bei den Grünen im Grunde gar keine Frage? Ganz so einfach ist es | |
aber doch nicht. [1][Bis zum 19. April will die Partei bekannt geben, mit | |
wem an der Spitze sie antreten wird]: Mit [2][Baerbock? Oder doch mit | |
Robert Habeck], ihrem Co-Vorsitzenden? Nach allgemeiner Lesart in der | |
Partei scheint kein Weg an Baerbock als grüner Kanzlerinnenkandidatin | |
vorbeizugehen – so sie denn will. | |
Die Grünen wären dann die einzige größere Partei mit einer Frau an der | |
Spitze. Altgrüne wie [3][Daniel Cohn-Bendit und Claus Leggewie], die Habeck | |
diese Woche in einem hilflos staubigen Last-Minute-Appell auf den Schild zu | |
heben versuchten, verstärken nur den Wunsch, aus dieser jahrtausendealten | |
Männerlogik auszubrechen, die Macht unter sich zu verteilen. Wenn Baerbock | |
zugreifen will, dann werden sie daran auch Männer wie Cohn-Bendit und | |
Leggewie nicht hindern können. | |
Aber ist es im grünen Kosmos auch und überhaupt denkbar, jetzt noch zu | |
verzichten? So wie es nicht automatisch bedeutet, dass Habeck der bessere | |
Kandidat wäre, nur weil er mundgerecht in Talkshows [4][Hannah Arendt] zu | |
zitieren weiß, ist es nicht zwingend, dass Baerbock als grünes | |
Gendergewissen antreten muss. Baerbock, 40, ist zehn Jahre jünger als | |
Habeck, für sie gilt zuallererst eine ebenso simple wie entscheidende | |
Frage, die sie selbst aufgeworfen hat: | |
Lohnt es sich, das eigene Leben für die nächsten vier Jahre | |
zurückzustellen? Nichts anderes bedeutet dieses Amt, zumal wenn die Kinder | |
klein sind (die Baerbocks sind 2011 und 2015 geboren, die Habecks sind | |
schon groß). Baerbock hat wieder und wieder über die unerträgliche | |
Situation gesprochen, ihre Töchter als Spitzenpolitikerin nur abends und am | |
Wochenende sehen zu können. Dies ist ein Dilemma, in dem Eltern jedweden | |
Geschlechts stecken. | |
## Wider die Männer-Logik, Macht unter sich aufzuteilen | |
Sollte Baerbock antreten, dann müssten die Grünen eine überfällige Debatte | |
über ein anderes, fortschrittliches Verständnis der Rolle von | |
Spitzenpolitiker.innen eröffnen, die dem skandinavischen oder auch | |
[5][neuseeländischen Vorbild] folgt, auch für die allerhöchsten Ämter. Die | |
Diskussion darüber, wer die bessere Kanzlerin oder der bessere Kanzler | |
wäre, sie oder er, fußt ohnehin auf einem Missverständnis. Es gibt in einem | |
modernen Begreifen von Macht kein Besser zwischen Baerbock und Habeck. Es | |
gibt nur ein Anders. | |
Mann wird für diesen Job nicht geboren, Frau ebenso wenig. Nicht einmal | |
[6][Angela Merkel]. Baerbock wie Habeck haben sich in Machtspielchen | |
vergleichsweise souverän behauptet, sie mehr als er. Beide verstehen zu | |
kommunizieren, er mehr als sie. Und beide sind willens und fähig, über die | |
Schmerzgrenze hinaus zu lernen, sie mehr als er. | |
Was es heißt, eine Bundesregierung zusammenzuhalten, im Zweifel auch | |
Europa, und welches der beste Weg dafür ist, kann ohnehin niemand beim | |
Trockenschwimmen lernen. Beide können sehr wahrscheinlich Kanzler.in. Nur | |
nicht auf dieselbe Weise. Wenn es ein.e grüne Kanzler.in, werden sollte, | |
hätte man sie am liebsten beide. Denn die Aufgaben scheinen übermenschlich. | |
## Die Nummer 2 ist genauso wichtig | |
Nicht weniger ist gefordert als ein mutiger Umbau (nicht nur) der deutschen | |
Industrie- und Agrarlandschaft in eine nachhaltige Wirtschaft, um das | |
ungebremste Kippen des Klimas zu verhindern. Gar nicht zu reden vom Umgang | |
mit den [7][Folgen der Pandemie] und von der Versöhnung der Gesellschaft | |
bei gleichzeitiger Ächtung von Rassismus und Ausgrenzung. | |
Wichtiger als die Frage, wer von den beiden auf den Plakaten im Vordergrund | |
steht, ist deshalb, wie das grüne Team aussieht, das antritt, und mit | |
welcher Agenda. Sollte sie es werden, braucht sie ihn, in einer klar | |
definierten Rolle. Sollte er es werden, braucht er sie, in einer klar | |
definierten Rolle. Mindestens so wichtig wie die Nummer 1 ist also auch die | |
Zukunft der Nummer 2. Es geht also um Baerbeck oder Habock. | |
Wenn all dies geklärt ist, wenn Annalena Baerbock mit sich und der Familie | |
und mit Robert Habeck im Reinen ist: dann sollte sie es machen. Denn in der | |
Weltgeschichte ist kaum je eine Frau dafür belohnt worden, zugunsten eines | |
anderen zurückzuziehen, auch wenn es um Spitzenämter ging. | |
11 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Robert-Habeck-oder-Annalena-Baerbock/!5764318 | |
[2] /Kanzlerkandidatur-der-Gruenen/!5764189 | |
[3] https://www.zeit.de/2021/15/robert-habeck-kanzlerkandidat-gruene-daniel-coh… | |
[4] https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biograf… | |
[5] /Neuseelands-Premierministerin-Ardern/!5720045 | |
[6] https://www.angela-merkel.de/ | |
[7] /Soziale-Folgen-der-Pandemie/!5754861 | |
## AUTOREN | |
Barbara Junge | |
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