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# taz.de -- Ex-Abgeordneter mit dubiosen Kontakten: CDU-Mann mit Vietnam-Faible
> Als er noch im Bundestag saß, vermittelte Mark Hauptmann Masken aus
> Vietnam. Sein Kreisverband erhielt eine dubiose Spende.
Bild: Hansdampf in allen Gassen: Mark Hauptmann (rechts) als Kicker beim FC Bun…
Berlin/Frankfurt am Main taz | Mark Hauptmann galt als Zukunftshoffnung der
CDU. Mit gerade mal 29 Jahren zog er 2013 in den Bundestag ein. Nachdem er
2017 sein Direktmandat verteidigen konnte, stieg er zum Vorsitzenden der
Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf und wurde Mitglied im
Fraktionsvorstand. Hauptmann war ein Hansdampf in allen Gassen – mit einem
Blick weit über seinen Südthüringer Sprengel hinaus. Gestern noch in einer
Teddybärenwerkstatt in Sonneberg, morgen schon im Schlepptau von
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu Besuch beim vietnamesischen
Premierminister Nguyen Xuan Phuc in Hanoi.
„Südthüringen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus zu einer Marke mit
Wiedererkennungswert zu machen, ist und bleibt eines meiner wichtigsten
Ziele“, verkündete Hauptmann auf seiner Homepage.
Doch das alles ist inzwischen Geschichte. Am 11. März [1][hat Hauptmann
sein Bundestagsmandat niedergelegt] und ist von allen seinen Ämtern in der
CDU zurückgetreten. Und die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft prüft, ob
ein Anfangsverdacht wegen Bestechlichkeit gegen den Politiker vorliegt. Zum
Problem werden könnte dem 36-jährigen Christdemokraten, dass er bei seinen
guten Kontakten zu Ländern wie Vietnam, Aserbaidschan und Taiwan seine
politischen Aktivitäten möglicherweise allzu sehr mit eigenen
wirtschaftlichen Ambitionen verquickt hat.
Unbestritten ist, dass großflächige Anzeigen aus diesen drei asiatischen
Ländern maßgeblich [2][zur Finanzierung des Südthüringen Kurier
beigetragen] haben. Das von Hauptmann herausgegebene Blatt erschien seit
2015 vierteljährlich in einer Auflage von rund 55.000 Exemplaren und wurde
wie eine bezahlte Firmenbeilage vor allem über die regionale Tageszeitung
Freies Wort verbreitet. Dabei war die Anschrift der Redaktion des
Südthüringen Kurier identisch mit der des Wahlkreisbüros von Hauptmann.
Auch die Suhler CDU, deren Kreisvorsitzender er war, hat dort ihren Sitz.
Der CDU-Kreisverband ist nun um Schadensbegrenzung bemüht. Denn bei der
Prüfung der Unterlagen nach Hauptmanns Rücktritt stieß er nach eigenen
Angaben auf eine Spende in Höhe von 7.000 Euro. Anfang 2021 sei das Geld
„von einem inländischen Unternehmen“ in die Parteikasse gespült worden.
Die Suhler CDU hat die Spende inzwischen „vorsorglich gemäß dem
Parteiengesetz an die Bundestagsverwaltung zur Prüfung gemeldet“, wie sie
in einer Erklärung mitgeteilt hat. Unabhängig vom Ergebnis will sie es
nicht behalten.
## Masken aus Vietnam vermittelt
Was die Parteispende höchst anrüchig erscheinen lässt: Der Absender ist die
TY-Capital & Trade GmbH in Frankfurt am Main. Das ist eben jenes
Unternehmen, für deren FFP2- und OP-Masken Hauptmann zu Beginn der
Coronakrise beim Land Thüringen, bei verschiedenen Thüringer Landkreisen
und Krankenhäusern warb.
Die Firma habe „erfolgreich neue funktionierende Lieferketten aus Vietnam
nach Deutschland aufgebaut“, schwärmte Hauptmann damals. Die Ware aus
Vietnam sei von höherer Qualität als so manche Maske aus China.
Die Landkreise Sonneberg und Hildburghausen orderten die – nicht gerade
billigen – Masken. Die Kreisverwaltung von Schmalkalden-Meiningen lehnte
das Angebot hingegen ab, es erschien ihr unseriös. Auch das von der
Linkspartei geführte Sozial- und Gesundheitsministerium Thüringens winkte
ab.
Aber wer ist eigentlich die TY-Capital & Trade GmbH, für die Hauptmann sich
so ins Zeug gelegt hat? Sieht man von den Presseveröffentlichungen der
letzten Tage ab, findet man im Internet lediglich die Einträge im
Handelsregister. Keine Firmenwebsite, keine Facebookseite, keine
Möglichkeit der Kontaktaufnahme.
Laut Handelsregister wurde die Firma 2018 zunächst als
Unternehmergesellschaft, kurz UG, gegründet und 2020 in eine GmbH
umgewandelt. Als Geschäftsführerin fungiert die Vietnamesin Thi Viet Huong
N. Für ein paar Monate, von Mitte Juni bis Oktober 2020, tauchte
zwischendurch ein Jan M. als Geschäftsführer auf. Dabei handelt es sich
wohl um einen vielfältig wirtschaftlich aktiven jungen Mann, der zumindest
eine Zeit lang auch in der Jungen Union in Rheinland-Pfalz aktiv war.
Zweck der Gesellschaft soll die „Finanzierung, der An- und Verkauf, das
Halten, Verwalten und Betreuen von Unternehmensbeteiligungen, die Gründung
von Gesellschaften im In- und Ausland, die Verwaltung des eigenen
Vermögens, IT-Beratung, der Im- und Export sowie der Handel mit Pflege- und
medizinischen Produkten“ sein – also alles Mögliche.
## Nur eine Briefkastenfirma?
Die taz hat sich unter vietnamesischen Geschäftsleuten deutschlandweit
umgehört und ist dort auf niemanden gestoßen, der die Frau oder die Firma
kennt. Das verwundert, weil die Akteure innerhalb der vietnamesischen
Community durch umfangreiche Geschäftskontakte gut vernetzt sind. Man kennt
sich.
Doch im Internet findet sich eine zweite Firma derselben Geschäftsführerin:
die TY Medicare. Von diesem Unternehmen existiert eine semiprofessionelle
Website, auf der es sich als „führender Händler von medizinischen Produkten
in Europa“ anpreist und medizinische Ausrüstungen aller Art anbietet, auch
OP- und FFP2-Masken sind im Angebot.
Die taz hat sich am angeblichen Geschäftssitz der TY Medicare im
Frankfurter Stadtteil Rödelheim umgeschaut. Die Adresse führt zu einem
ehemaligen Industriekomplex. Die sechsstöckigen Gebäude werden von
unzähligen Unternehmen als Büroräume genutzt. Dutzende Firmenschilder
finden sich, daneben jeweils große Briefkastenanlagen. Ein weiteres großes
Schild an der Straße nennt die Firmen, die hier zu Hause sind: eine Bank,
ein Logistikunternehmen, ein Filminstitut, eine Kanzlei, der Medizinische
Dienst der Krankenkassen und so einiges mehr.
Am Hinterhofeingang von Haus B gibt es einen unauffälligen, etwas
ramponierten Postkasten. Die schiefhängende Alu-Abdeckung des
Briefschlitzes verdeckt teilweise den mit Tesafilm aufgeklebten Zettel. Der
kleingeschriebene Text darauf ist der einzige Hinweis auf den Firmensitz
von TY Medicare.
Die TY-Capital & Trade GmbH hat ihren Sitz angeblich auf der anderen
Straßenseite. Bei ihrer Adresse befindet sich ein fünfstöckiges Wohnhaus.
Im Erdgeschoss bietet ein Matratzenlager Schlafunterlagen an. Am
Klingelschild stehen 28 Namen, darunter kein einziger Firmenname. Aber
immerhin findet die taz an der Klingel von Wohnung 34 denselben Namen, den
auch die Geschäftsführerin der TY-Capital & Trade GmbH und der TY Medicare
trägt.
## Werbetext des vietnamesischen Botschafters
Allerdings handelt es sich um einen in Vietnam weit verbreiteten Namen. Ob
der Geschäftsführerin die Wohnung tatsächlich gehört, ist möglich, aber
nicht sicher. Die taz schreibt die Frau an und erhält keine Antwort. So
bleibt unklar, wer und was tatsächlich hinter den beiden Frankfurter Firmen
steckt. Handelt es sich um Briefkastenfirmen, die eigentlich ihren Ursprung
in Vietnam haben?
Das würde zumindest die Verbindung zu Hauptmann erklären. Denn der
unterhielt beste Kontakte zu dem Land und seinen Honoratioren. Ein
Beispiel: Im März 2018 druckte Hauptmanns Südthüringen Kurier über eine
halbe Zeitungsseite einen Beitrag von Vietnams damaligem Botschafter in
Deutschland, Doan Xuan Hung. Titel des Traktats: „Neue Impulse für
vietnamesisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen“.
Der Beitrag kommt wie ein redaktioneller Text daher, man muss schon genau
hinschauen, um hinter dem Autorennamen das in Klammern gesetzte Wort
„Anzeige“ zu entdecken.
Das ist nicht das einzig Problematische daran: Der Werbetext des
Botschafters, mit dem sich Hauptmann auch schon mal beim Skifahren in
Oberhof ablichten ließ, erschien zu einer Zeit der diplomatischen Eiszeit
zwischen Deutschland und Vietnam, nämlich ein paar Monate nach der
[3][Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh aus dem Berliner
Tiergarten] durch den vietnamesischen Geheimdienst.
## Diplomatische Eiszeit? Nicht für Hauptmann
Die Bundesregierung hatte seinerzeit die zwischenstaatlichen Kontakte auf
das absolut unerlässliche Minimum heruntergefahren. Vietnams Botschafter
wurde zu keinen Empfängen mehr eingeladen, nicht einmal von anderen
ausländischen Botschaften in Deutschland, weil das Auswärtige Amt die
Kontaktdaten von den Listen gelöscht hatte. Dass gerade ein Abgeordneter
der Unionsfraktion das Kontaktvermeidungsgebot einfach in seiner Zeitung
ignorierte, ist bemerkenswert.
Im Juni 2018, [4][immer noch während der diplomatischen Eiszeit], durfte
der vietnamesische Botschafter Hauptmann in seinem Wahlkreis besuchen. Es
dürfte eine von ganz wenigen Einladungen gewesen sein, die der zum
Nichtstun verdammte Botschafter damals erhielt. 2020, inzwischen war die
diplomatische Blockade beendet, besuchte Hauptmann im Gegenzug Vietnams
Botschaft in Berlin und ließ sich dort als Brückenbauer feiern.
Vietnam sei für Deutschland zwar ein wichtiger Wirtschaftspartner, aber
„autoritäre Strukturen, eine schwache Justiz, Korruption und die schwierige
Menschenrechtslage sind Hemmschuh einer positiven Entwicklung“, sagt Martin
Patzelt, der für die CDU im Menschenrechtsausschuss des Bundestags sitzt.
Er warnt davor, die vietnamesische Regierung könnte den Eindruck gewinnen,
dass das deutsche Parlament die Verletzung der Menschenrechte in Vietnam
nicht ernst nehmen würde. „Das ist aber nicht der Fall“, betont Patzelt.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht
Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten, noch hinter Aserbaidschan, das es
immerhin auf Platz 168 schaffte. Hauptmann scheint das während seiner Zeit
im Bundestag wenig gestört zu haben. Dass sich dieses Desinteresse für ihn
monetär ausgezahlt hat, bestreitet er. Letztlich hat es ihn seine Karriere
als Politiker gekostet.
22 Mar 2021
## LINKS
[1] /Korruption-bei-der-CDU/!5757551
[2] /Lokalblatt-von-CDU-Politiker-Hauptmann/!5757822
[3] /Ein-Thriller-zwischen-Berlin-und-Hanoi/!5432520
[4] /Entfuehrter-Vietnamese-Trinh-Xuan-Thanh/!5518571
## AUTOREN
Marina Mai
Christoph Schmidt-Lunau
Pascal Beucker
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