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# taz.de -- Schwurbelnde Musikclubs auf St. Pauli: Veranstalter ziehen Reißlei…
> Die Clubs „Docks“ und „Große Freiheit 36“ verbreiten Corona-Leugnung…
> Nun haben etliche Konzertveranstalter die Zusammenarbeit gekündigt.
Bild: Das Docks auf der Reeperbahn bezweifelt die Wirksamkeit der Maskenpflicht
Hamburg taz | Die Botschaften sind unmissverständlich. „Ist die
Corona-Pandemie eine gigantische Lüge?“ steht da. Es wird zum
„Sicherheitsabstand“ von mindestens 100 Metern zur „gleichgeschalteten
Presse“ geraten, zu den „angeblichen Corona-‚Experten‘“, zu
„selbsternannten Meldeblockwarten“ und „zu allen Politikern“. „Bewaff…
euch mit Wissen“ steht da weiter an der Wand, gefolgt von Verweisen auf
verschwörungstheoretische Plattformen wie „KenFM“ und „Rubikon“.
Es geht um die Hamburger Veranstaltungsstätten „Große Freiheit 36“ und
„Docks“. Relativierungen und Leugnungen der Coronapandemie werden dort in
Wandzeitungen platziert. Man wolle anderen Stimmen Gehör verleihen, sagt
die Große Freiheit 36 dazu an ihrer Fassade zur „Anregung der Diskussion“.
Ob alle Inhalte von den Betreibern der Locations selbst stammen, ist
unklar. Aber sie hängen dort seit Monaten.
Seit ein paar Tagen kocht die Kritik daran hoch, auch in den sozialen
Medien. „Wollt ihr nicht lieber Xavier Naidoo und den Wendler auftreten
lassen?“, fragt etwa der User Dennis Trepka, Profilbild „Gib Nazis keine
Chance“, auf der Facebook-Seite der Großen Freiheit 36. „Die passen besser
in euer Schwurblerweltbild.“
Dem Veranstaltungsunternehmen FKP Scorpio reicht es jetzt – es hat den
beiden Klubs die Zusammenarbeit aufgekündigt. Am Mittwoch veröffentlichte
FKP Scorpio einen offenen Brief und erklärte den Schritt: „Mit großer und
wachsender Enttäuschung haben wir in den vergangenen Monaten beobachten
müssen, dass ihr zunehmend gefährlichem und demokratiefeindlichem
Gedankengut ein Forum bietet“, schreibt das Unternehmen. „Spätestens mit
indirekten Aufrufen zur Gewalt und dem Verweis auf rechtspopulistische und
verschwörerische ‚Medien‘, die diesen Namen nicht verdienen, hat unsere
Geduld ihr Ende gefunden.“
Die Unterzeichner sind namhaft und zahlreich, von Inferno Events/Reeperbahn
Festival bis zur Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft, von
River Concerts bis Kingstar Music, STP Hamburg Konzerte, Neuland Concerts,
Buback Tonträger bis OHA! Music.
Sie alle fordern die beiden Klubs auf, „diese Wände umgehend abzubauen und
künftig persönliche Meinungsäußerungen klar erkennbar als solche
darzustellen, anstatt wie bisher aus der Deckung des Gesamtkonstrukts eurer
Spielstätten zu agieren“.
Ihr Druckmittel: Viele Künstler*innen, „die maßgeblich zu eurem vormals
guten Namen beigetragen haben“, seien nicht länger bereit, auf den Bühnen
der beiden Musik zu machen. Dasselbe gelte für die eigenen
Mitarbeiter*innen und Tourneepartner*innen. Den „Schulterschluss mit
Schwurblern, Verschwörern und jenen, die keinen Widerspruch darin sehen,
neben Nazis für Demokratie zu demonstrieren“, werde man nicht länger
akzeptieren. „Veranstaltungen unter eurem Dach kommen unter diesen
Bedingungen für uns nicht infrage.“
Die Hamburger Plattenfirma Audiolith Records sieht das ähnlich: Beide Klubs
seien schon seit Beginn der Pandemie komplett auf Schwurbler-Kurs, schreibt
das Label auf seiner Facebook-Seite. Ihre Wände wirkten wie ein
Sammelsurium von wahnhaften Verschwörungstheorien rund um Corona. Audiolith
fürchtet: „Die Schwurbler ebnen den Nazis und Faschisten den Weg noch
weiter in die Mitte der Gesellschaft.“
Für Audiolith sei klar, dass das Label unter diesen Umständen keine
Konzerte mehr in den Klubs veranstalten werde – „so sehr es weh tut und uns
und unseren Bands schadet“. Es sei, „wie wenn ein enger Freund von früher
auf einmal in eine Wahnwelt abdriftet“. Ignorieren, so Audiolith, „bringt
aber nichts.“
Dass die Pandemie-Lockdowns, unter denen gerade die Klubsszene und mit ihr
die gesamte Musikveranstaltungsbranche bis zur Existenznot leidet, zu
Verzweiflungsakten führen, zu selbstbefreiendem Sich-Gehör-Verschaffen, sei
verständlich. Aber was das Docks und die Große Freiheit 36 anböten, sei
krudes Querdenken.
Warum die beiden Klubs das machen? Was sie zum offenen Brief von FKP
Scorpio sagen? Docks und Große Freiheit 36, von der taz um Kommentierung
gebeten, schweigen. Aber auch das ist ja ziemlich beredt.
18 Mar 2021
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Hamburg
Reeperbahn
Clubs
Verschwörungsmythen und Corona
Konzert
"Querdenken"-Bewegung
Musikkultur
Schwerpunkt Coronavirus
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