# taz.de -- Hamburger Musikklub steuert um: Schluss mit Geschwurbel | |
> Weil die „Große Freiheit 36“ Querdenken-Positionen eine Bühne gegeben | |
> hat, war sie in die Kritik geraten. Nun hat der Klub eine neue | |
> Geschäftsführung. | |
Bild: Botschaften aus der Querdenken-Szene hängen im März 2021 am Eingang der… | |
HAMBURG taz | „In der Freiheit spielen jetzt leider nur noch Nena oder | |
Wendler“, rappen Neonschwarz [1][in ihrem Song „War was“]. Eine Message d… | |
Band, die thematisiert, dass die erwähnten Musiker:innen immer wieder | |
Positionen aus dem selbsternannten Querdenken-Milieu verkündeten und auch | |
der Betreiber des legendären Live-Musikclubs Große Freiheit 36 auf | |
Hamburg-St. Pauli, Karl-Hermann Günther, ebenfalls Querdenken-Positionen | |
vertrat. | |
Ein halbes Jahr nach der Kritik in dem Song hat es einen Wechsel der | |
Geschäftsführung gegeben, bestätigt ein Mitarbeiter der Großen Freiheit 36 | |
der taz. Der neue Geschäftsführer Benny Dianat versichert per Mitteilung | |
eine Kurswechsel. | |
Die Veränderung der Geschäftsstruktur ist schon von außen sichtbar. An dem | |
Gebäude in einer Seitenstraße an der Reeperbahn hängen keine Plakate mit | |
politischen [2][Botschaften gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen] mehr. | |
Auf einer von diesen stand: „Bewaffnet Euch mit Wissen“. Um welches Wissen | |
es sich handelte, konnte man den dort hängenden Wandzeitungen entnehmen. | |
Unter den Zitierten war unter anderem die Linken-Bundestagsabgeordnete | |
Sarah Wagenknecht, die in der betreffenden Passage beklagte, dass mit der | |
„Ausweitung des Begriffs ‚Verschwörungstheorie‘“ jeder Erklärungsansa… | |
der hinterfrage, ob „hinter politischen Entscheidungen (…) wirtschaftliche | |
Interessengruppen“ stünden, diskreditiert werde. Das Plakat mit einem | |
Porträtbild der in der Linkspartei umstrittenen Politikerin ergänzte: | |
„Ausgehängt am: 04.06.2020. Ablaufdatum: offen“. | |
Während außen Positionen der Querdenken-Bewegung hingen, konnten deren | |
Protagonist*innen auch in den Räumen des Musikclubs zusammenkommen. Ein | |
Plakat des „Demokratischen Widerstands“ (DW) lud für den 19. Mai 2022 zu | |
einer „Gala“ ein. Unter diesem Namen erscheint seit April 2020 auch eine | |
Wochenzeitung. Einer der Macher, Anselm Lenz, der Dramaturg kommt aus dem | |
linken Hamburger Kulturmilieu, die Organisation ist aber heute [3][eine der | |
zentralen Organisationen] der Querdenken-Szene. | |
In der DW durften auch neu-rechte Autor:innen veröffentlichen. Lenz | |
selbst gab dem Magazin Compact ein Interview, dass das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ einstuft. Auf der „Gala“… | |
der Großen Freiheit sollen laut einem Plakat auch bekannte Größen der | |
Bewegung eingeladen worden sein oder bereits zugesagt haben, unter ihnen | |
Ken Jebsen, der bekannteste deutsche Verschwörungstheorieverbreiter. | |
Die Positionierung von Musikclub-Betreiber Günther blieb nicht ohne | |
Reaktion. Schon weit vor der angekündigten „Gala“ im Mai veröffentlichte | |
das [4][Clubkombinat Hamburg], ein Zusammenschluss von etwa 200 Clubs, | |
einen offenen Brief an die Leitung der Großen Freiheit 36 und des Docks an | |
der Reeperbahn, an dessen Eingang ebenfalls Querdenken-Plakat-Botschaften | |
hingen. | |
In dem Brief vom 27. März 2021 schreibt das Kombinat: „Auch wir sehen die | |
Probleme, die durch politische Entscheidungen und den Umgang mit der | |
Pandemie entstanden sind. Auch wir sind in vielen Momenten wütend und | |
verärgert, sehen und fühlen Ungerechtigkeiten.“ Doch es sei mehr „als nai… | |
eine ‚offene‘ Plattform für Corona-Kritik zu betreiben, obwohl allseits | |
bekannt ist, wie sehr Pandemie-Leugner:innen, | |
Verschwörungstheoretiker:innen, antisemitische, sowie rechtsnationale | |
Strömungen miteinander verwoben sind und wie sehr Radikale diesen Diskurs | |
aktiv für ihre Zwecke instrumentalisieren“. | |
Im März unterzeichneten zudem Konzertagenturen wie Karsten Jahnke und das | |
Reeperbahn-Festival eine Boykott-Erklärung gegen die beiden Locations. | |
In einer Mitteilung versichert der neue Geschäftsführer Dianat, dass die | |
Wände der Großen Freiheit „kein Forum für politische Botschaften“ aus der | |
Querdenken-Szene mehr seien. „Wie die meisten Konzertlocations hat unser | |
Haus zwei turbulente Jahre hinter sich“, schreibt er. Neben den spürbaren | |
wirtschaftlichen Folgen der Pandemie habe auch die Reputation gelitten. | |
Dianat versichert, die Freiheit und der Club Kaiserkeller in deren Keller | |
„stehen für einen klaren Wertekanon. Wir sind gegen Rechts, gegen | |
Homophobie, für Diversität, für Inklusion, für Gleichbehandlung und für | |
Frieden.“ Nena und Wendler werden nun vielleicht doch nicht in der | |
„Freiheit“ spielen. | |
20 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=udRv9ci3yzE | |
[2] /Schwurbelnde-Musikclubs-auf-St-Pauli/!5759496 | |
[3] /Coronaleugner-demonstrieren-in-Berlin/!5867700 | |
[4] https://clubkombinat.de/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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