# taz.de -- Impfstart in den Hausarztpraxen: 3,6 Milliliter Hoffnung | |
> Zwischen drei und acht der Impf-Fläschchen werden am Dienstag in den | |
> Hausarztpraxen ankommen. Risikopatient:innen können so besser | |
> berücksichtigt werden. | |
Bild: Impfen beim Hausarzt: Geht jetzt alles schneller? | |
Berlin taz | Zwischen drei und acht der kleinen Fläschchen werden am | |
Dienstag in den Hausarztpraxen ankommen. Maximal 3,6 Milliliter Impfstoff | |
von Biontech/Pfizer. Das reicht verdünnt für 48 Impfdosen. Klingt nach | |
wenig. | |
Und doch schwingt viel mit beim bundesweiten Impfstart in den | |
Hausarztpraxen: Befürchtungen von Missbrauch, Hoffnung auf menschliche | |
Entscheidungen und tatsächlich auch so etwas wie Stolz bei Ärzt*innen, | |
Apotheken und dem pharmazeutischen Großhandel. Auch [1][Jens Spahn (CDU) | |
freut sich, wenn mal etwas klappt]: „Es wird noch kein großer Schritt sein, | |
aber ein wichtiger“, so der Bundesgesundheitsminister Ende vergangener | |
Woche. | |
Zu den rund 430 Impfzentren in Deutschland kommen nach Ostern „35.000 | |
weitere dazu, und das ist kein Aprilscherz“, sagte der Vorstandschef der | |
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, am 1. April bei | |
der Vorstellung der Hausärztekampagne. Einige Bedingungen wurden laut | |
Apothekerverband erst in der Nacht zuvor geklärt. | |
Da hatten die Hausärzt*innen schon bestellt: 1,4 Millionen Dosen, 60 | |
Prozent mehr, als in der ersten Woche verfügbar sein wird. Die 940.000 | |
Impfdosen, die für die Praxen vorgesehen sind, werden nun aufgeteilt. Jede | |
der 35.000 Praxen, die bestellt hat, wird mindestens 18, maximal 48 | |
Impfdosen geliefert bekommen, heißt es vom Apothekerverband. | |
## Alle können sich gratis impfen lassen | |
Organisatorisch läuft es anders [2][als bislang bei den Impfzentren], die | |
von den Ländern beliefert werden. Der pharmazeutische Großhandel bezieht | |
den Impfstoff für Arztpraxen direkt vom Hersteller beziehungsweise aus dem | |
Zentrallager des Bundes. Und weil es in den ersten zwei Aprilwochen [3][nur | |
Biontech-Impfstoff] in den Hausarztpraxen geben wird (siehe Infokasten), | |
ist auch der Umgang speziell. Der Großhandel holt die Flaschen aus der | |
Ultratiefkühlung, minus 75 Grad Celsius. Von da an läuft die Uhr: 120 | |
Stunden, also fünf Tage – so viel Zeit bleibt laut Zulassung, bis die | |
letzte Spritze gesetzt sein muss. Was dann nicht verimpft ist, kann nicht | |
mehr verwendet werden. | |
Vom Hersteller kommen die Durchstechflaschen mit dem Impfstoff in | |
195-Stück-Packungen. Der Großhandel vereinzelt und verpackt die Flaschen | |
neu. Bei durchgehender Kühlung, 2 bis 8 Grad, werden sie dann zu den | |
Apotheken transportiert und von dort an die Hausärzt*innen verteilt. Die | |
benötigten Spritzen, Kanülen und die Kochsalzlösung zur Verdünnung packt | |
der Großhandel direkt dazu. Die anschließende Auslieferung durch die knapp | |
19.000 Apotheken werde verlässlich laufen, versicherte die Präsidentin der | |
Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Overwiening, in der | |
vergangenen Woche. „Wir werden dafür sorgen, dass die Impfstoffe pünktlich | |
in den Praxen sind.“ | |
Beteiligt werden vorerst nur die rund 55.000 Vertragsärzt*innen – also | |
die Hausärzt*innen mit einem sogenannten Kassensitz. Sie alle rechnen | |
über die Kassenärztlichen Vereinigungen ab – so wird die Dokumentation | |
gesichert, wer wann und wie viele Impfdosen verabreicht hat. Später sollen | |
auch noch die Privatpraxen und die impfenden Fachärzt*innen dazukommen. | |
Ein Potenzial von 97.000 Ärzt*innen, wie die KBV betont. Die Impfung ist | |
keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Das bedeutet, dass | |
sich alle Menschen, unabhängig davon ob sie privat, gesetzlich oder gar | |
nicht versichert sind, impfen lassen können. | |
Die meisten Praxen ordern und impfen nun zum ersten Mal die Vakzine gegen | |
Covid-19. Bisher gab es nur einzelne Modellversuche in Hausarztpraxen, bei | |
denen vor allem auch immobile, ältere Personen im Hausbesuch geimpft | |
wurden. Nur in Bayern hatte man schon eine Woche früher begonnen, Impfstoff | |
aus dem Landesbestand in den Praxen zu verabreichen. | |
„Wird Zeit, dass das jetzt überall losgeht“, sagt ein Arzt aus | |
Niedersachsen im Gespräch mit der taz. 48 Impfdosen können er und sein | |
Kollege in dieser Woche spritzen. 8 Fläschchen. Im Innenhof der Praxis | |
wurde am Wochenende ein Zelt aufgebaut, „wo die Geimpften die 15 Minuten | |
Nachbeobachtungszeit verbringen können“. Sonst wird es zu eng in der | |
Praxis. | |
## Missbrauch bei der Terminvergabe? | |
Grundsätzlich sollen sich die Hausärzt*innen an die durch die | |
Impfverordnung vorgegebene Priorisierung halten. Aber ihnen ist | |
ausdrücklich auch eine Flexibilität zugesprochen – sie wüssten am besten, | |
wer jetzt dringend eine Impfung braucht, heißt es unisono aus der Politik | |
und von der KBV. | |
Schon jetzt hört man Gerüchte über Hausärzt*innen, die diese Freiheit in | |
der Impfterminvergabe „kreativ“ nutzen. „Aber das ist doch eher bei den | |
Politikern zu befürchten“, meint der niedersächsische Arzt. Wenn er | |
plötzlich anfangen würde, im großen Stil Bekannte zu impfen, würde sich das | |
ganz schnell herumsprechen, glaubt er. In der Woche vor Ostern stand das | |
Telefon bei ihm nicht still und nicht nur Patient*innen fragten nach | |
der Impfung. „Auch Freunde und Bekannte rufen mich an, klar“, sagt der | |
Arzt. Er werde sie alle gern impfen, sage er dann, aber erst wenn sie dran | |
sind. Das verstünden eigentlich auch alle. „Ich kann doch nicht anfangen, | |
Leute unter 60 zu impfen, wenn es 80-Jährige gibt, die noch auf die Impfung | |
warten.“ | |
Wesentlicher werden die Spielräume der Hausärzt*innen für die Menschen | |
sein, die zwar besonders gefährdet sind, sich aber nicht in den groben | |
Rastern der Verordnungen wiederfinden. Die von Impfeinladungen nicht | |
erreicht werden oder niemanden haben, der sich für sie in Warteschleifen | |
hängt und durch Terminportale klickt. | |
Es braucht Beispiele, um sich das vorzustellen. Hier eines aus einer | |
Berliner Hausarztpraxis: Es geht um die Eltern eines Kindes mit | |
Mukoviszidose, eine angeborene Erkrankung, die vor allem die Lunge | |
betrifft. Das Kind kann nicht geimpft werden, aber ein Kontakt mit dem | |
Coronavirus könnte tödliche Folgen haben. Umso wichtiger ist das sogenannte | |
Cocooning“(englisch für „Kokon bilden“): Alle Kontaktpersonen müssen | |
geschützt sein, um das Kind zu schützen. Aber die Eltern warteten | |
vergeblich auf eine Impfeinladung, ihnen blieb bisher nur der Kampf um eine | |
Einzelfallentscheidung. Nun haben sie beim Hausarzt einen Impftermin für | |
diese Woche. Ein anderer Arzt erzählt, dass er in dieser Woche alle seine | |
über 80-jährigen Patient*innen durchtelefoniert. „Damit auch wirklich | |
keiner vergessen wird“. | |
## Mehrere Millionen Impfdosen pro Woche | |
Der Lohn für die Ärzt*innen: 20 Euro pro Impfung für Vorbereitung, | |
Beratung, Durchführung, Dokumentation. „Und diese große Dankbarkeit“, sagt | |
der Berliner Arzt. Wohl bemerkenswert in einem Job, der aus viel Routine | |
besteht. | |
Mit maximal 48 Impfdosen beginnen die Arztpraxen in dieser Woche. In der | |
kommenden Woche wird die Menge ähnlich gering sein und die Impfung trotz | |
der etwas komplexen Handhabung neben der Praxisroutine laufen. Aber ab | |
Mitte April, so verspricht es Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), | |
werden es deutlich mehr Dosen – auch AstraZeneca und das neu zugelassene | |
Vakzin von Johnson & Johnson sollen dazukommen. Von mehreren Millionen | |
Impfdosen pro Woche ist die Rede. | |
„Im Herbst/Frühwinter haben wir 1.000 Menschen gegen Grippe geimpft, das | |
ist kein Problem für uns“, sagt der Arzt aus Niedersachsen. „Und im | |
Zweifel, darauf haben sich mein Praxiskollege und ich schon verständigt, | |
impfen wir auch Samstag und Sonntag“. Nichts sei wichtiger, als dass es mit | |
den Impfungen endlich vorangehe. | |
5 Apr 2021 | |
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## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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