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# taz.de -- Missstände in der Hamburger Jugendhilfe: Hilferuf der Helfer
> Mitarbeiter aus Hamburger Jugendhilfeeinrichtungen beklagen „desaströse
> Zustände“. Unter anderem würden wieder mehr private Wachleute eingesetzt.
Bild: Wenn Kinder einen sicheren Ort jenseits des Elternhauses brauchen – wo …
Hamburg taz | Hamburg setzt wieder verstärkt [1][Wachleute beim
Landesbetrieb Erziehung und Beratung] (LEB) ein. Das geht aus einer Anfrage
der Linken hervor. So ist seit dem 25. Februar der Wachdienst auch wieder
in einer Kinderschutzgruppe für Sechs- bis Zwölfjährige in Harburg präsent.
Außerdem arbeitet der Sicherheitsdienst in sieben Jugendeinrichtungen, zwei
Mutter-Kind-Häusern und beim zentralen Kinder- und Jugendnotdienst (KJND).
[2][Anlass für die Anfrage] war ein anonym gehaltener „Hilferuf“ über die
„desaströsen Zustände im LEB“, der am 10. März bei der Linken einging.
Darin berichtet ein Hinweisgeber vom verstärkten Wachleute-Einsatz.
Darüber hinaus würden Mitarbeiter des mit rund 700 Beschäftigten größten
Jugendhilfeträgers der Stadt von ihren Vorgesetzten und Abteilungsleitern
angewiesen, „über Leitungsversagen (Erniedrigung von Kindern und Anwendung
schwarzer Pädagogik) zu schweigen“. Zudem würden Elternrechte nicht
beachtet. Die Zustände seien dramatisch, heißt es weiter in dem Schreiben,
das auch der taz vorliegt. Es herrsche ein „Klima der Angst“ und die
Geschäftsführung bekomme davon leider nichts mit.
Der LEB-Geschäftsführer Klaus-Dieter Müller wollte sich zum anonymen
Schreiben gegenüber der taz nicht äußern und verwies auf die Antworten des
Senats auf die Linken-Anfrage.
Auch die Sozialbehörde ließ vor Ostern Fragen der taz zu diesem Thema
unbeantwortet. Die Linke-Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus hatte den
Senat am 10. März nach Missständen beim LEB gefragt, da sie Informationen
über „schlechtes Betriebsklima und Missachtung sowohl von Kinderrechten als
auch von Rechten der Eltern“ erreicht hätten. Sie wollte unter anderem
wissen, wie und wo sich Mitarbeiter des LEB über Missstände beschweren
könnten.
In der Antwort schreibt der Senat, in Betreuungseinrichtungen mit
Schichtbetrieb seien belastende Situationen „unvermeidbar“. Die
LEB-Beschäftigten seien sogar „aufgefordert, Kritik vorzubringen, damit
diese aufgegriffen und bearbeitet werden kann“. Es sei auch Aufgabe der
Vorgesetzten, dies aufzugreifen. „Sanktionen zur Unterdrückung
berechtigter, kritischer Äußerungen sind nicht erlaubt.“ Konkret hätten
seit Anfang 2020 zwei Teams Überlastungsanzeigen gestellt. Darüber, wie oft
sich Mitarbeiter beschwerten, werde „keine Statistik“ geführt.
Auch über Elternbeschwerden gebe es keine Statistik. Bei der LEB-Leitung
seien zwei Beschwerden zur Coronabesuchsregel eingegangen, von denen eine
per Gericht korrigiert und die andere per Einigung behoben sei. Und auch
über die Beschwerden von Kindern gebe es keine Statistik, deren Kritik
würde im Alltag bearbeitet und bei Bedeutung im pädagogischen Tagebuch
vermerkt.
Was allerdings dokumentiert ist, sind die „Besonderen Vorkommnisse“ beim
LEB. Hier sticht vor allem der KJND hervor, jene Anlaufstelle mit 36
Plätzen in der Feuerbergstraße, an die Minderjährige sich wenden können,
die von zu Hause weggelaufen sind, dem aber auch Kinder und Jugendliche
zugeführt werden, die außerhalb der Öffnungszeiten der Jugendämter durch
die Polizei aufgegriffen werden und nicht zur Familie gebracht werden
konnten.
Dort sind sogar drei Security-Leute rund um die Uhr anwesend. Es gab dort
laut der Senatsantwort 2020 über 400 Vorkommnisse, unter anderem 13-mal
Körperverletzung, 19 Polizeieinsätze, acht Übergriffe auf Betreuer, 13-mal
Drogenmissbrauch, fünf Überfälle, viermal Misshandlung, sechsmal Bedrohung,
einmal Vernachlässigung und 179-mal „Entlaufen“ von Kindern und
Jugendlichen. Das Weglaufen wurde in einem Dutzend Fällen auch aus anderen
LEB-Einrichtungen, darunter sogar einem Kinderschutzhaus, vermeldet. Für
Sabine Boeddingshaus ist jedoch die Häufigkeit des Entlaufens beim KJND ein
Hinweis dafür, dass dort etwas nicht stimmen könnte.
Zwei Sozialarbeiterinnen, die mit ehemaligen Nutzern arbeiten, aber
namentlich nicht genannt werden möchten, berichten, dass insbesondere junge
Mädchen sich beim KJND oft nicht wohl fühlten und beeinträchtigt seien von
der Anwesenheit der Security. Auch gilt es als ungünstig, dass dort Kinder
und Jugendliche ganz verschiedenen Alters und mit ganz unterschiedlichen
Problemen zusammenkommen. „Schon als ich vor 20 Jahren studierte, wurde
dort diskutiert, ob es nicht sinnvoller ist, diese Stelle auf die Bezirke
zu dezentralisieren“, sagt die eine Sozialarbeiterin. Der KJND sei für
Viele zu groß und nicht der Ort, wo sie sich geschützt fühlen. Auch ein
Mitarbeiter des Jugendamts berichtet, er habe erlebt, dass Jugendliche
diese Einrichtung meiden.
„Für uns gehört der KJND aus fachlicher Sicht auf den Prüfstand“, sagt
Sabine Boeddinghaus. Man muss darüber nachdenken, ihn zu regionalisieren
oder [3][zumindest eine Studie darüber zu machen].“ Aus Sicht der Linken
gehöre die Security nicht in Kinder- und Jugendeinrichtungen. „Ein Problem
ist, dass es zur Vermischung mit der pädagogischen Arbeit kommt.“
Eine solche Dezentralisierung des KJND war schon Thema in der
Enquete-Kommission „Kinderschutz und Kinderrechte stärken“ von 2017
gewesen, fand aber keinen Niederschlag in deren Empfehlungen.
Allerdings gab es in Folge der Enquete im November 2019 unter dem Titel
„Jugendamt in Bewegung“ von Wissenschaftlern geführte „Qualitätsdialoge…
mit Jugendlichen und Eltern, die Erfahrungen mit Hamburgs Jugendhilfesystem
haben. Dieser Bericht liegt seit Mitte 2020 als Entwurf den am Projekt
Beteiligten vor und soll auch Hinweise auf Missstände beim KJND enthalten.
Auf eine [4][Anfrage der Linken von Anfang Februar, wann er das Licht der
Welt erblickt], erklärte der Senat, zunächst seien aus Datenschutzgründen
noch „redaktionelle Abstimmungen“ nötig.
6 Apr 2021
## LINKS
[1] /Sicherheitsdienst-in-Hamburger-Heimen/!5608183
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/74913/missstaende_in_einri…
[3] /Debatte-um-Jugendhilfe-in-Hamburg/!5720734
[4] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/74438/abschlussbericht_zum…
## AUTOREN
Kaija Kutter
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