| # taz.de -- Kompetenzstreit in der Coronapolitik: Merkels Möglichkeiten | |
| > Im Kampf gegen die Pandemie hat die Kanzlerin sanften Druck auf die | |
| > Länder angekündigt. Doch sie könnte auch einen härteren Weg einschlagen. | |
| Bild: Merkel ballt die Fäuste | |
| Irgendwann in den nächsten Wochen werden härtere Coronamaßnahmen kommen, | |
| auf dem einen Weg oder dem anderen. Die Infektionszahlen steigen | |
| schließlich an, und erfahrungsgemäß wird sich daran nichts ändern, solange | |
| der Staat auf neue Restriktionen verzichtet. Geimpft wird zu langsam, als | |
| dass sich die Entwicklung kurzfristig umkehrte. Und Modellprojekte wie in | |
| Tübingen machen zwar Hoffnungen darauf, dass bei niedrigen Infektionszahlen | |
| eine kontrollierte Normalität möglich wird. In weiten Teilen des Landes | |
| sind die Zahlen aber nicht niedrig. | |
| Also lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehen, was als | |
| Nächstes passiert: Die Zahl der Neuinfektionen verdoppelt sich, die | |
| Intensivstationen erreichen die Grenzen der Belastbarkeit, die Krematorien | |
| mit etwas Verzögerung vielleicht auch. In der zweiten Coronawelle, im | |
| Dezember, war das der Zeitpunkt, zu dem der Druck der Öffentlichkeit groß | |
| genug wurde und zu dem auch der letzte Ministerpräsident zur Einsicht kam, | |
| dass halbherzige Maßnahmen die Welle nicht brechen können. In der dritten | |
| Welle wird die Kraft des Faktischen zur Not wieder wirken. Besser wäre es | |
| aber, wenn diesmal früher etwas geschieht. | |
| Drei Wege könnte es dafür geben. [1][Bei Anne Will konnte man Angela Merkel | |
| dabei zusehen], wie sie darüber nachdenkt, welchen sie gehen soll. Die | |
| erste Möglichkeit wäre, den Druck so stark zu erhöhen, dass die | |
| Ministerpräsident*innen in der nächsten Bund-Länder-Runde neuen | |
| Maßnahmen zustimmen. Merkels ARD-Auftritt und ihre Drohung, andernfalls den | |
| Weg über die Parlamente zu gehen, waren ein Versuch in diese Richtung. Die | |
| Reaktion aus den Ländern am Tag danach zeigt aber: Gebracht hat es noch | |
| nichts. | |
| ## Letzte Option Vertrauensfrage | |
| Dass mag auch daran liegen, dass die Kanzlerin das sanftere von zwei | |
| möglichen Druckmitteln gewählt hat. Sollte sie den Weg über die Parlamente | |
| gehen und einen Lockdown per Bundesgesetz anstreben, dann will sie dabei | |
| die verfassungsrechtlich unumstrittene Abzweigung nehmen: Merkel sagte | |
| ausdrücklich, sie würde neben dem Bundestag auch den Bundesrat beteiligen. | |
| Anders als im bisherigen Verfahren bräuchte sie dort statt einem Konsens | |
| zwar nur eine Mehrheit der Stimmen. Diese Mehrheit müsste sie sich aber | |
| auch erst mal organisieren. Auch das braucht Zeit. | |
| Die andere Abzweigung führt zum dritten Weg, der zwar riskanter ist, dafür | |
| aber möglicherweise am kürzesten: eine Entscheidung im Bundestag, ohne den | |
| Bundesrat. Verfassungsrechtlich wäre das umstritten, unmöglich aber nicht. | |
| Und politisch wäre es gewagt, aussichtslos aber auch nicht. | |
| Ist sie sich einer Mehrheit hier nicht sicher, könnte sie es zur Not | |
| [2][über die Vertrauensfrage] versuchen: Entweder stimmt der Bundestag zu | |
| oder er wird aufgelöst. Neuwahlen im Früh- statt im Spätsommer? Das wird im | |
| Parlament nur eine Minderheit wollen. | |
| 29 Mar 2021 | |
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| [1] /Angela-Merkel-bei-Anne-Will/!5761783 | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrauensfrage | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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