| # taz.de -- Zehn Jahre nach Fukushima: Japan gedenkt der Opfer | |
| > Der Tsunami von Fukushima am 11. März 2011 tötete Tausende Menschen. Bis | |
| > heute leiden Überlebende unter den Folgen der Katastrophe. | |
| Bild: Wie hier in Tokio wurde heute überall in Japan der Opfer von Fukushima g… | |
| Fukushima dpa | Mit stillem Gedenken, Gebeten, Blumen und auch vielen | |
| Tränen haben Menschen in Japan der Opfer [1][der verheerenden Erdbeben- und | |
| Tsunami-Katastrophe vor zehn Jahren gedacht]. Um 14.46 Uhr Ortszeit (6.46 | |
| Uhr MEZ) legten sie am Donnerstag bei einer staatlichen Gedenkzeremonie in | |
| Tokio sowie an vielen anderen Orten eine Schweigeminute ein. Zu dem | |
| Zeitpunkt hatte am 11. März 2011 das Erdbeben die Region Tohoku im | |
| Nordosten Japans erschüttert. | |
| Eine gigantische Flutwelle bäumte sich damals an der Pazifikküste auf und | |
| walzte alles nieder: Ganze Städte, Dörfer und riesige Anbauflächen | |
| versanken in den Wasser- und Schlammmassen. Rund 20.000 Menschen riss die | |
| Flut in den Tod. In Fukushima kam es in der Folge im Atomkraftwerk | |
| Fukushima Daiichi zu einem GAU. Er wurde in aller Welt zum Sinnbild der | |
| „3/11“ genannten Dreifach-Katastrophe als Folge von Erdbeben, Tsunami und | |
| Atomunfall – auch wenn keiner der Todesfälle auf die radioaktive Strahlung | |
| zurückgeführt wird. | |
| Seinen drei toten Kindern im Himmel sage er noch immer, wie leid es ihm | |
| tue, „dass ich euch nicht beschützen konnte“, sagte ein 52-jähriger | |
| Zimmermann im japanischen Fernsehen. Auf seinem Grundstück in der mit rund | |
| 3.000 Todesopfern am schwersten betroffenen Hafenstadt Ishinomaki baute er | |
| drei Jahre nach dem Tsunami ein hölzernes Klettergerüst für die Kinder im | |
| Ort. Er wünsche sich, dass ihr Lächeln den Himmel erreichen möge, erzählte | |
| er dem Sender NHK. Man wolle die Erinnerung aufrechterhalten, „damit ein | |
| solches Opfer nie wieder erbracht werden muss“, sagte Bürgermeister Hiroshi | |
| Kameyama am Donnerstag bei der feierlichen Enthüllung eines neuen Mahnmals. | |
| Rund 2.500 der Opfer gelten offiziell weiter als vermisst. Polizisten, die | |
| Küstenwache und Freiwillige setzten die regelmäßige Suche nach ihren | |
| Überresten am zehnten Jahrestag der Katastrophe fort, denn für Japaner | |
| können die Seelen nicht eher ruhen. | |
| ## Manche Gegenden sind noch immer Sperrzone | |
| Auch ausländische Politiker und Prominente gedachten der Katastrophe in | |
| Japan. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte „den Geist des | |
| Widerstands und der Standhaftigkeit“ des japanischen Volkes. Die Sängerin | |
| Lady Gaga sagte, die „Widerstandsfähigkeit“ der Japaner biete „Hoffnung … | |
| globalen Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie“. | |
| [2][Der Wiederaufbau trete jetzt in die letzte Phase], erklärte der | |
| japanische Ministerpräsident Yoshihide Suga während der Gedenkfeier im | |
| Nationaltheater von Tokio, die wegen der Coronapandemie kleiner ausfiel. Es | |
| war die letzte zentrale staatliche Gedenkfeier in dieser Form. Der Staat | |
| werde die Unterstützung für die Katastrophenregion fortsetzen und bemühe | |
| sich um schnelle Rückkehr der Bewohner in den vom GAU betroffenen Gebieten, | |
| sagte Suga. 32 Billionen Yen (248 Milliarden Euro) hat die Regierung in den | |
| Wiederaufbau gesteckt. So wurden entlang der Nordostküste des Landes auf | |
| über 430 Kilometer Länge monströse Betonmauern von bis zu 15 Metern Höhe | |
| hochgezogen. | |
| Kritiker sprechen von einer gigantischen Festung, die die Sicht auf das | |
| Meer versperre und die Landschaft verschandelt habe. Die Mauern würden | |
| zudem das Risiko bergen, dass Wasser nicht zurückfließen könne, sollte ein | |
| erneuter Tsunami über sie hinwegschwappen. | |
| Heute leben von den 470.000 Menschen, die zwischenzeitlich wegen der | |
| Dreifachkatastrophe fliehen mussten, noch immer rund 41.000 Menschen | |
| entwurzelt, die meisten davon aus Fukushima. Denn noch immer sind dort | |
| [3][manche Gegenden um die Atomruine wegen der Strahlung eine Sperrzone.] | |
| ## Frühere Bewohner zögern, zurückzukehren | |
| Zwar sind die meisten Anordnungen für eine Evakuierung inzwischen | |
| aufgehoben, doch viele frühere Bewohner zögern, angesichts mangelnder | |
| Arbeitsplätze und bestehender Sorgen über Strahlen zurückzukehren. Die | |
| Katastrophe hat die Abwanderung aus der Region, die schon vor der | |
| Katastrophe im Zuge von Überalterung einsetzte, noch beschleunigt. | |
| Ungeachtet dessen soll in zwei Wochen in Fukushima der Fackellauf für die | |
| im Sommer geplanten Olympischen Spiele beginnen. Die Regierung will die | |
| Spiele nutzen, um der Welt den Wiederaufbau zu zeigen. Doch für viele | |
| Überlebende ist der noch lange nicht beendet. Rund 2.000 Betroffene sind | |
| weiterhin in Behelfsunterkünften untergebracht. | |
| Kaiser Naruhito sagte bei der Gedenkveranstaltung in Tokio, dass sein Herz | |
| angesichts der Opfer schmerze. Er rief jeden Bürger dazu auf, den | |
| Überlebenden beizustehen, damit sie möglichst schnell wieder ein | |
| friedliches Alltagsleben führen können. Niemand dürfe „in dieser | |
| schwierigen Situation“ allein gelassen werden, mahnte der Monarch. Experten | |
| berichten von Depressionen und Selbstmorden in Fukushima und warnen vor | |
| gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung. | |
| Inzwischen berichtete der japanische Fernsehsender NHK von weiteren | |
| Problemen in der Atomruine Fukushima. Der Wasserpegel im Untergeschoss des | |
| zerstörten Reaktors 3 sei aus noch ungeklärter Ursache gestiegen. | |
| ## Bergungsarbeiten werden noch 40 Jahre dauern | |
| Dies deutet auf mögliche neue Schäden durch ein schweres Erdbeben hin, das | |
| erst kürzlich die Unglücksregion erschütterte. Rund 4000 Arbeiter sind | |
| weiterhin tagtäglich in der Atomruine mit Bergungsarbeiten beschäftigt. Bis | |
| zu 40 Jahre wird es nach amtlichen Angaben dauern, bis die Anlage | |
| stillgelegt ist, doch halten Kritiker diesen Zeitrahmen für viel zu | |
| optimistisch. | |
| Noch immer weiß niemand, wo genau sich der geschmolzene Brennstoff | |
| befindet, geschweige denn, wie man ihn dort herausholen kann. Hinzu kommt | |
| die Frage, was mit den inzwischen über eine Million Tonnen gefiltertes | |
| Wassers aus den zerstörten Reaktoren geschehen soll, das in 1000 riesigen | |
| Tanks auf dem Gelände gelagert ist. Laut dem Betreiberkonzern Tepco werden | |
| die Tanks im Herbst 2022 voll sein. | |
| Rund 14 Millionen Tonnen an [4][radioaktivem Abraum wie Erdboden, Bäumen | |
| und Sträuchern], der bei der vom Staat großflächig in der Präfektur | |
| Fukushima angeordneten Dekontaminierung angefallen war, lagert in Bergen | |
| von Plastiksäcken in Sammelstellen. Sie werden nun in ein Zwischenlager | |
| transportiert, das in Ortschaften in unmittelbarer Nähe der Atomruine | |
| errichtet wurde. Die Regierung hat zugesagt, die Säcke in 30 Jahren aus der | |
| Präfektur herauszuschaffen. Doch wo der verstrahlte Abraum am Ende landen | |
| soll, steht noch nicht fest. | |
| 11 Mar 2021 | |
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