# taz.de -- Zehnter Jahrestag der Atomkatastrophe: Lehren aus Fukushima | |
> In Folge der Reaktorkatastrophe vor zehn Jahren hat Deutschland seinen | |
> Notfallschutz völlig neu aufgestellt. Denn Atomkraft birgt auch hier | |
> Gefahren. | |
Bild: Tsunami und Erdbeben lösten am 11. März 2011 die Katastrophe aus: Daiic… | |
BERLIN taz | Zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima ist noch | |
immer eine Fläche der Größe Münchens rund um den Unglücksort Sperrgebiet, | |
das nicht bewohnt und auch nur eingeschränkt betreten werden darf. Die | |
Auswirkungen der damaligen Kernschmelze haben auch die Behörden in | |
Deutschland zum Umdenken bewegt, wie das [1][Bundesamt für Strahlenschutz | |
(BfS)] nun anlässlich einer Schadensbilanz berichtet. „Auch in einem hoch | |
industrialisierten Land birgt Atomkraft ein unkalkulierbares Risiko“, sagte | |
BfS-Präsidentin Inge Paulini am Dienstag. [2][Deshalb habe man den | |
Notfallschutz völlig neu aufgestellt.] | |
Der Radius für Schutzmaßnahmen um einzelne Reaktoren wurde deutlich | |
erweitert. Statt die Anwohner in einem Umkreis von 10 Kilometern zu | |
evakuieren, gilt nun ein Radius von 20 Kilometern. Außerdem wurden die | |
Bestände an Jodtabletten für Kinder, Schwangere und Ältere aufgestockt. Die | |
Medikamente sollen die Anreicherung krebsauslösender radioaktiver Stoffe in | |
der Schilddrüse vermeiden. | |
Zudem wird ein zentrales radiologisches Lagezentrum eingerichtet. Das sieht | |
das Strahlenschutzgesetz vor. Bei überregionalen Vorfällen übernimmt das | |
Zentrum die Koordination im Umgang mit der Krise. Dort werden | |
beispielsweise mithilfe von Wetterdaten weitere Regionen identifiziert, die | |
von einer Atomkatastrophe betroffen sein könnten. Auch sollen für die | |
jeweils zuständigen Stellen in den Bundesländern Informationen und | |
Vorhersagen übermittelt werden. „Wir schauen uns die Messwerte an, und wir | |
schauen uns die meteorologischen Daten an“, erklärt Paulini. | |
Die jetzige Neuausrichtung sei allerdings nicht auf Versäumnisse in der | |
Vergangenheit zurückzuführen, betont der Leiter der radiologischen | |
Lageberichte, Florian Gering. Vielmehr hätte die Behörde sowohl nach dem | |
Unfall von Tschernobyl als auch nach Fukushima gelernt. Immerhin hat das | |
BfS auch gute Nachrichten. Durch Fukushima habe es keine Strahlenbelastung | |
in Deutschland gegeben. Auch könnten Lebensmittel aus Japan bedenkenlos | |
verzehrt werden. | |
## Gewaltiger Berg radioaktiven Abfalls | |
[3][Überraschungen birgt eher die Schadensbilanz rund um das Unglück dort.] | |
So sind laut BfS bisher keine Menschen an der Strahlung erkrankt oder | |
gestorben. Für eine endgültige Bilanz ist es allerdings noch zu früh. | |
Trotzdem sind in der Folge der Katastrophe viele Menschen gestorben: 56 | |
kamen in der Umgebung des Reaktors nach dem Unfall ums Leben, weil sie | |
nicht behandelt werden konnten. Über 2.000 Tote führen die Experten auf die | |
psychische Belastung der Evakuierung aus der gewohnten Umgebung zurück. | |
Allein gut 100 Suizide mehr als üblich wurden verzeichnet. | |
Aus dieser Erfahrung heraus gewinnt die Kommunikation im Krisenfall beim | |
hiesigen Katastrophenschutz an Bedeutung. Die psychosozialen Folgen der | |
Angst verringern sich laut Paulini bei einer guten Information über die | |
aktuelle Sicherheitslage. Radioaktivität sei sehr angstbehaftet, da sie | |
nicht zu schmecken oder zu spüren ist. | |
In Fukushima und Umgebung hat sich die Strahlenbelastung deutlich | |
verringert. Gemessen wird praktisch nur noch das langlebige Cäsium 137. In | |
vielen Regionen außerhalb des aktuellen Sperrgebiets entspricht die heutige | |
Strahlenbelastung schon den natürlichen Werten. Auch in den Freiwasserzonen | |
der Küstengewässer liegen die Werte wieder auf dem Niveau der Zeit vor dem | |
Unfall. | |
Zum Abbau der Strahlung tragen auch die weitgehenden Aktivitäten zur | |
Dekontamination bei. Häuser, Gärten, Straßen, Schulen, Kindergärten und | |
öffentliche Parks wurden abgetragen. Regen sorgte dafür, dass Stoffe in | |
tiefere Bodenschichten gespült wurden und an der Oberfläche keine Rolle | |
mehr spielen. 20 Millionen Tonnen Boden wurden dafür entfernt. Nun sitzt | |
Japan auf einem gewaltigen Berg radioaktiven Abfalls. Wo er auf Dauer | |
gelagert werden soll, ist offen. | |
23 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bfs.de/DE/home/home_node.html | |
[2] https://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/notfall/fukushima/notfallsch… | |
[3] https://www.bfs.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/BfS/DE/2021/002.html | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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