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# taz.de -- Museumsdirektor über Wagner-Denkmal: „Das Relief ist dingliche Q…
> Das Stadtgeschichtliche Museums in Leipzig erwarb ein Relief, das Teil
> eines geplanten Wagner-National-Denkmals war. Der Direktor im Gespräch.
Bild: Ausschnitt aus Emil Hipps Wettbewerbezeichnung zum Richard-Wagner-Denkmal…
taz: Herr Hartinger, zwei Reliefs des Denkmals tauchten im Sommer 2020 in
Privatbesitz auf. Gemeinsam mit dem Richard-Wagner-Verband Leipzig hat sich
Ihr Museum um den Erwerb bemüht. Was sprach aus Ihrer Sicht für den Ankauf?
Anselm Hartinger: Wir planen im Jahr 2022 eine [1][Ausstellung zur
Musikstadt Leipzig] in der NS-Zeit. Das Objekt bietet uns die Möglichkeit,
diese schwierige Epoche zu dokumentieren. Beinah zeitgleich zur
Grundsteinlegung des Wagner-National-Denkmals wurde 1936 das
Mendelssohn-Denkmal abgerissen. Das war ein bewusster Bruch mit einem
Jahrhundert Leipziger Musik- und Kulturgeschichte.
Diese Fallhöhe müssen wir in der Ausstellung zeigen. Für uns ist das Relief
eine dingliche Quelle. [2][Als Stadtgeschichtliches Museum ist es] unsere
Aufgabe, Zeugnisse der politischen und kulturellen Stadtgeschichte und eben
auch der NS-Zeit zu dokumentieren und Geschichten und Diskurse anhand von
Objekten zu erzählen. In unserer Dauerausstellung zeigen wir auch eine in
Leipzig unter Einsatz von Zwangsarbeitern produzierte Panzerfaust. Wir
können uns unsere Geschichte nicht aussuchen. Das tut auch mal weh oder ist
im wahrsten Sinne des Wortes ein schwerer Stein.
Über die Kaufsumme der Reliefs wurde Stillschweigen vereinbart. Warum?
Das war eher im Interesse des Verbandes. Um Kosten zu sparen, wurden die
Reliefs gemeinsam transportiert, aber die Ankäufe sind sauber getrennt. Uns
hat das Relief inklusive Transportanteil etwa 6.000 Euro gekostet, die wir
aus dem Ausstellungsbudget genommen haben. Das Stück wiegt 500 Kilo und ist
1 mal 1 Meter groß.
Zu sehen ist Hans Sachs auf einem Stuhl, mit dem Schumacher-Werkzeug
hantierend, im Hintergrund noch ein paar Bücher und eine Feder. Daran
können wir auch gut erzählen, wo möglicherweise Anknüpfungspunkte für eine
spätere Indienstnahme sind, denn die „Meistersinger“ sind die Wagner-Oper,
die weniger in den germanischen Nationalmythos weist, aber politisch am
stärksten instrumentalisiert worden ist.
Richard Wagner ist unbestritten Antisemit gewesen, Hitler hat das
Denkmal-Projekt für seine Propaganda vereinnahmt und Emil Hipp weitere
Aufträge für ihn realsiert. Wie werden Sie diese Komplexitäten in der
Ausstellung vermitteln?
Wir werden das Relief mit kritischer Distanz behandeln und es auf keinen
Fall als Gegenstand der Verehrung präsentieren. Es ist eine Raumdominate,
die man nicht leichtfertig irgendwo aufstellt. Da wird uns in
Zusammenarbeit mit dem Gestalter eine Lösung einfallen. Es soll als Teil
eines monströsen Nationalprojektes, mit dem Wagners Werk in sehr
tendenziöser Weise ausgeschlachtet werden sollte, erkennbar sein.
In der Ausstellung werden wir auch Mechanismen der Gleichschaltung ab 1933
und dem Antisemitismus vor 1933 nachgehen, schauen, wie sich die
Musikhochschulen und Konservatorien verhalten haben, was ist beim
Thomanerchor gelaufen ist. Da wird es sehr viele Dokumente und
Klangbeispiele geben. Aber es braucht auch ein starkes Bild, um die Wucht
des Kulturbruchs zu erzählen. Dabei wird uns die Platte helfen. Wir haben
sie nicht angeschafft, um einen Beitrag zur Wagner-Verehrung zu leisten
oder Emil Hipp zu rehabilitierten.
„[3][Emil Hipp gilt] in dem Sinne nicht als Nazikünstler“, sagte Kerstin
Sieblist, Kuratorin für Musikgeschichte an Ihrem Haus, kürzlich gegenüber
dem Deutschlandfunk. Laut der Kunsthistorikerin Ursel Berger war Hipp „wohl
der erste Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers“ und der Kunsthistoriker Frank
Zöllner formulierte schon 2008, Hipp sei „auch stilkritisch betrachtet ein
Nazi-Bildhauer ersten Ranges“. Inwieweit kann Ihr Haus einen Beitrag zur
wissenschaftlichen Einordnung Hipps leisten?
Wir werden für die Ausstellung sicherlich einen kleinen Fachbeirat zusammen
holen, um eine pluralere Sicht zu haben. Wir sind kein Kunstmuseum. Bei uns
steht nicht das Werk von Hipp im Vordergrund. Für uns ist das Relief ein
Zeugnis der massiven Indienstnahme Wagners für diesen Nationalmythos. Hipp
war ohne Zweifel ein Künstler, der im Nationalsozialismus und für die
Nationalsozialisten tätig war.
Er hat intensiv vom Regime profitiert und ist eindeutig in die
nationalsozialistische Kunstpolitik verstrickt. Er hat diesen Auftrag
angenommen und ihn unter veränderten Bedingungen nach 1933 fortgeführt,
denn durch Hitlers Grundsteinlegung hat er eine vollkommen andere Dimension
angenommen.
Das größere Relief zeigt Siegfried und Brünhilde. Der Verband will es der
Stadt Leipzig für eine künftige Neugestaltung des Richard-Wagner-Hains zur
Verfügung stellen. Unterstützen Sie die Wiederaufstellung am ursprünglich
angedachten Standort?
[4][Der Richard-Wagner-Hain ist eine ganz eigenartig verwundete
Parkanlage], wo man sich nicht wohl fühlt. Ich bin dafür, dass die
Geschichte des Ortes dort vermittelt wird. Ob dabei Fragmente des
ursprünglichen geplanten Denkmals eine Rolle spielen, das muss die
Bürgerschaft entscheiden. Wir wollen befördern, über diese Fragen
nachzudenken und ins Gedächtnis rufen, was in den 30er Jahren im Bereich
der Kunst und Kultur geschehen ist, um der Bürgerschaft zu helfen, sich
eine Meinung zu bilden.
Keinesfalls beabsichtigt ist eine vollständige Rekonstruktion des Denkmals.
Wir wollen nicht das Werk von Adolf Hitler vollenden, sondern einen Beitrag
zur Debatte leisten, wie an diesem Ort daran erinnert werden kann. Ein
Wiederaufbau kann nicht das Ziel sein.
Das heißt, eine Aufstellung Ihres Reliefs an diesem Ort ist nicht
ausgeschlossen?
Das bleibt abzuwarten. Bei uns im Magazin liegt das Stück derzeit gut und
wir werden es für die Forschung bereitstellen, so wie wir 600.000 Objekte
im Magazin haben, die immer wieder neu befragt werden.
Der Ankauf trifft auf Zustimmung und Ablehnung, medial wurde in den
vergangenen Wochen vermehrt berichtet. Inwieweit sehen Sie es als Ihre
museale Verantwortung, die Debatte aufzugreifen, etwa Expert:innen zu
einer Podiumsdiskussion zu laden?
Selbstverständlich werden wir uns ein kluges Veranstaltung-Programm
überlegen. Wir nehmen seit Jahren ein neues Interesse an Kunst im
öffentlichen Raum und an Erinnerungskultur wahr. Da sind wir als Haus
intensiv eingebunden, etwa bei Straßenumbenennungen.
Wir versuchen, diese Debatten konstruktiv zu gestalten und ein Stück weit
zu versachlichen. Als Historiker freuen wir uns, wenn die Gesellschaft
intensiv diskutiert: Woran möchte sie erinnern? Welche Namen sind für sie
wichtig? Wie will sie mit bestimmten Erbe-Bestandteilen umgehen? Das wollen
wir befördern und dafür wird die Ausstellung einen Rahmen geben.
26 Feb 2021
## LINKS
[1] /200-Geburtstag-von-Clara-Schumann/!5648860
[2] https://www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Hipp
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Richard-Wagner-Hain
## AUTOREN
Sarah Alberti
## TAGS
Denkmal
Richard Wagner
Leipzig
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Oper
Kunst
Ausstellung
zeitgenössische Kunst
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