# taz.de -- Tarifvertrag für Pflegende scheitert: Ausgerechnet die Caritas | |
> Ein allgemeiner Tarifvertrag für die Altenpflege schien greifbar – doch | |
> jetzt hat sich die Caritas quergestellt. Pflegekräfte sind entsetzt. | |
Bild: Private Anbieter zahlen ihren Beschäftigen oft nur den Pflegemindestlohn | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Caritas – das heißt übersetzt Nächstenliebe. Doch | |
seinem Namen hat der gleichnamige katholische Wohlfahrtsverband am | |
Donnerstag keine Ehre gemacht. Bei der Abstimmung, ob man sich für die | |
Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags in der Altenpflege ausspricht, | |
blockierte die komplette Arbeitgeberseite in der arbeitsrechtlichen | |
Kommission der Caritas das Vorhaben. Der Vertrag hätte [1][für mehr als | |
eine Million Beschäftigte verbindliche Löhne vorgesehen]. | |
Mit 160.000 Beschäftigten ist die Caritas einer der größten Arbeitgeber der | |
Branche. Mit der Entscheidung ist wohl das gesamte Projekt eines | |
allgemeingültigen Tarifvertrags in der Altenpflege erst einmal vom Tisch. | |
Das notwendige Quorum an Beschäftigten, die vom Tarifvertrag abgedeckt | |
werden ist ohne diesen wichtigen Verband nicht mehr zu erreichen. Das | |
Quorum ist nötig, damit der Vertrag überhaupt vom Bundesarbeitsminister | |
Hubertus Heil (SPD) allgemeinverbindlich erklärt werden kann. | |
Auch eine zeitnahe Wiederaufnahme dieses aufwendigen Großprojekts ist nach | |
der Entscheidung der Caritas unrealistisch. | |
„Wir sind komplett überrascht und erschüttert“, sagte Rolf Cleophas von d… | |
Caritas-Beschäftigtenseite gegenüber der „taz“. „Wir wussten, dass es | |
kritische Stimmen gibt, aber dass sich die komplette Dienstgeberseite in | |
dem Gremium dagegen ausgesprochen hat, ist ein Schock.“ | |
## Angst um Sonderrechte | |
Der Tarifvertrag hätte laut Gewerkschaft Verdi für einige Beschäftigte der | |
Altenpflege Lohnsteigerungen bis zu 25 Prozent vorgesehen. Gerade die | |
privaten Anbieter, die oft nur den Pflegemindestlohn zahlen, hätten ihre | |
Beschäftigten deutlich besser honorieren müssen. „Das wäre schon ein | |
wichtiger Schritt für die Aufwertung der Pflege gewesen“, sagte Cleophas. | |
Die Ablehnung der Caritas kommt nicht nur für deren Beschäftigte | |
überraschend. Denn ausgerechnet das katholische Büro, die Dienststelle der | |
Deutschen Bischofskonferenz und die des Verbandes der Diözesen | |
Deutschlands, hatten das Projekt Tarifvertrag in den vergangenen Jahren | |
forciert. Kritik an dem Vorhaben war vor allem von dem anderen großen | |
kirchlichen Wohlfahrtsverband, der Diakonie, geäußert worden. Die | |
arbeitsrechtlichen Kommissionen sind jeweils weisungsunabhängig von der | |
Verbandsspitze. | |
Hintergrund für die Ablehnung der Caritas war offenbar die Furcht um ihre | |
kirchlichen Sonderrechte. Tarifvereinbarungen in kirchlichen Institutionen | |
müssen immer mit zwei Drittel Mehrheit angenommen werden. Das verschafft | |
der Arbeitgeberseite die komfortable Lage, dass Beschäftigten mit ihnen | |
öfter Kompromisse schließen müssen, als in anderen Branchen. Dadurch dass | |
es kein Streikrecht gibt, fehlt kirchlichen Beschäftigten zudem ein | |
Druckmittel. | |
## Scharfe Kritik an der Caritas | |
Diese Sorge um das kirchliche Sonderrecht ist Beschäftigtenvertreter | |
Cleophas unverständlich – denn der Tarifvertrag Altenpflege hätte noch | |
immer teils deutlich unterhalb der Caritas-Gehälter gelegen. „Auch bei | |
künftigen Steigerungen hätten wir darüber gelegen. Die Arbeitgeberseite bei | |
uns hätte also gar nicht auf ihre Sonderrechte fürchten müssen.“ | |
Gewerkschaften und Tarifverträge seien jedoch Kampfbegriffe in den Ohren | |
einiger Dienstgeber. | |
Die Ablehnung sorgte auch bei den anderen Trägern von | |
Altenpflegeeinrichtungen für heftige Reaktionen: Die Arbeitsrechtliche | |
Kommission der Caritas habe sich „zum Nachteil einer ganzen Berufsgruppe“ | |
quergestellt, sagte der AWO-Vorstandsvorsitzender Jens Schubert. Der | |
allgemeinverbindliche Tarifvertrag hätte seiner Meinung nach ein | |
„Meilenstein“ auf dem Weg zu einem Ende des [2][Fachkräftemangels in der | |
Altenpflege] sein können. | |
Auch Verdi schlug in eine ähnliche Kerbe: „Die Caritas handelt mit dieser | |
Entscheidung in krassem Widerspruch zu ihren eigenen sonstigen Aussagen und | |
Werten, wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Bedeutung | |
sozialer Dienste geht“, sagte Sylvia Bühler, Verdi-Bundesvorstandsmitglied. | |
Verlierer*innen seien die rund 1,2 Millionen Beschäftigte in der | |
Altenpflege. | |
25 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Alina Leimbach | |
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