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# taz.de -- Ausstellung in Berlin-Lichtenberg: Fantasierte Party im dritten Sto…
> Mangel an Teilhabe, das verbindet die Situation von Pandemie und Exil.
> Künstler:innen erzählen an der Fassade des Museums in
> Berlin-Lichtenberg.
Bild: „Kindred Chronicles“ an der Fassade des Museums Lichtenberg
Auf den ersten Blick scheint diese Ausstellung der Logik der Pandemie zu
folgen. An der Fassade des „Museums Lichtenberg am Stadthaus“ sind noch bis
Freitag unter dem Titel „Kindred Chronicles“ Arbeiten von Künstler*innen
zu sehen, die unfreiwillig isoliert von sozialen Kontakten sind, ebenso von
ihrem gewohnten Arbeitsumfeld. Viele können im anbrechenden zweiten
Coronajahr von ganz ähnlichen Situationen erzählen. Der Künstlerinitiative
„Hier und Jetzt: Connections“ geht es allerdings um ein ganz anderes Thema,
es handelt sich um eine Initiative von und für Kunstschaffende im Exil.
Als sie sich 2017 zusammenfand, dachte noch niemand an Corona. Damals
hielten manche noch die Anwesenheit von Menschen, die ihr Umfeld auf
unbestimmte Zeit radikal verlassen mussten, für ein Problem. Der Ausspruch
„Wir schaffen das“ war zwei Jahre her. Auch vor- und nachher sahen und
sehen sich Künstler*innen gezwungen, sich von ihrer sozialen und ihrer
Arbeitsumgebung zu trennen und ins Exil zu gehen.
Um ihnen einen organisatorischen Zusammenhalt anzubieten, gründeten Irina
Novarese, Christa Fülbier und Mika Clemens, Mitglieder der B.L.O. Ateliers,
die Initiative „Hier und Jetzt: Connections“. Sie stellt Netzwerk und Räume
zur Verfügung und zeigt jährlich eine Ausstellung. Nachdem deren aktuelle
Ausgabe im Dezember verschoben werden musste, sind die Arbeiten nun in
dieser Woche bis Freitag am Haus im Kaskelkiez zu sehen.
## Gemeinsamkeiten herausstellen
Dabei sei es zwar naheliegend, die besondere Installation der Schau an der
Fassade des Museums mit den Aspekten Pandemie und Exil in Verbindung zu
sehen, sagt Kuratorin Kristen Cooper. „Aber es ist ein Anliegen, die
Künstler aus den Schubladen Migration und Exil zu befreien und den Blick
auf ihre Arbeiten an sich zu richten.“ Die Werke erzählen von der Situation
Ihrer Schöpfer*innen, die keineswegs nur sie betreffen. Sie stellen
Gemeinsamkeiten heraus, die Individuen zu einer Gesellschaft verbinden.
„Kaum Freiraum“, mit diesen Worten persifliert Zoltan Kunckel in seiner
Installation in Fenstern des Gebäudes das große Graffito am Giebel, das von
„Raum für Freiraum“ spricht. Der wird für alle Künstler*innen, die gerade
wegen der hier bislang verfügbaren Orte in Berlin leben und arbeiten, immer
weniger. [1][Mit jedem abgerissenen oder umgewandelten Atelier und jeder
beendeten Zwischennutzung für eine Galerie] nimmt das kreative und
subversive Potenzial ab. Die Installation an der Fassade dreht dabei die
gegenwärtigen Einschränkungen für Museumsbesuche in einen Vorteil, da sie
von der vorbeifahrenden S-Bahn aus zu sehen ist und damit für ein Publikum
über die üblichen Museumsbesucher hinaus.
„Nobody came to my party“ von Ruba Saleh schildert ein in wohl allen
Gesellschaftsteilen verbreitetes Pandemieproblem. Die Party kann man hinter
den Fenstern im zweiten Stock nur durch flackernde Discolichter erahnen.
Die Installation bietet allerdings auch eine Lösung an: Ein QR-Code bringt
eine Playlist aufs Handy, die mit Songs wie „Gimme! Gimme! Gimme!“ von Abba
oder Anne Clarks düsterem Wave-Klassiker „Our Darkness“ ein breites
Publikum einlädt, sich auf dem Bürgersteig in die vermeintliche Party im
Haus hineinzufantasieren.
## Geschichten flattern auf Passanten
Die interaktive Installation „The Glide“ von Ramin Parvin gibt etwas aus
dem Museum auf die Straße heraus und macht das verbindende Element von
Erzählung physisch greifbar: Aus der ganzen Welt können Menschen ihre
Geschichte an einen Drucker senden, der im dritten Stock des Museums am
offenen Fenster steht. Der bringt sie auf Papier und lässt sie den
Passanten in Lichtenberg zuflattern.
Ein tatsächlich zu besuchendes Event, natürlich unter den gegebenen
Einschränkungen, wird die Finissage am Freitag sein. Die ursprünglich
hierzu geplante Performance hängt noch von den Entwicklungen und
entsprechenden Maßnahmen der kommenden Tage ab. Sicher darf aber mit
künstlerischen Interventionen gerechnet werden, die die laufende Schau noch
erweitern. In der Zusammenarbeit von Museumsarchivar Dirk Moldt mit „Hier
und Jetzt: Connections“ sind Filme aus dem Bestand des Hauses gehoben
worden, die an diesem Abend gezeigt werden.
Und schließlich kommt das Projekt doch noch auf das Thema Migration zurück,
allerdings im verbindenden Ritual des gemeinsamen Essens: Uli Westphal hat
Rezepte der Kunstschaffenden aus unterschiedlichen Regionen gesammelt und
umgesetzt. In hygienischen Einzelportionen verpackt werden sie zum
Abschluss der Schau verteilt und genossen. Es wäre schade, diese Party zu
versäumen.
10 Mar 2021
## LINKS
[1] /Ateliernot-in-Berlin/!5575390
## AUTOREN
Jan Bykowski
## TAGS
Kunst
Berlin-Lichtenberg
Open Air
Pandemie
Migration
Schwerpunkt Coronavirus
Finanzsenator Matthias Kollatz
Schlosstheater Celle
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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