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# taz.de -- Bundestagswahlen 2021: Lieber Alexander Lambsdorff!
> Verbotspartei, Inkompetenz, Journalistische Klima-Propaganda: Warum gehen
> nun alle auf die Grünen los? Weil sie sie ernst nehmen.
Bild: Am 14. März finden die Landtagswahlen in Baden-Württemberg statt
Die Zwickmühle, in der die Grünen sich jahrelang hin- und herjagen ließen,
besteht aus zwei simplen Behauptungen: 1. Es ist viel zu viel (oder
schlimm), was die Grünen an Klimapolitik wollen. 2. Es ist viel zu wenig
(oder total angepasst), was die Grünen wollen. Aber es ging immer bloß um
das richtige Sprechen, gelebt wurde selbstverständlich fossil.
Der Paradigmenwechsel, den [1][Ministerpräsident Winfried Kretschmann]
personifiziert und den der Co-Bundesvorsitzende Robert Habeck in seinem
Bestseller „Von hier an anders“ mit einer politischen Theorie unterlegt
hat, besteht darin, dass die Grünen die Phase des „Wollens“ hinter sich
gelassen haben und in die Phase des Machens übergegangen sind – Habeck tat
dies viele Jahre als Vizeministerpräsident von Schleswig-Holstein. Das
bedeutet, selbstbewusste Ausübung der politischen Macht im Auftrag der
Gesamtgesellschaft. Es bedeutet vor allem aber auch, dass das real
Erreichte niemals zu viel ist, sondern immer zu wenig. Das ist auch bei
Kretschmanns Klimapolitik so, wenn man sie nicht an landespolitischen
Möglichkeiten misst, sondern an der Radikalität, mit der die Krise
daherrast. Da hilft aber nicht Verdammung der Grünen, sondern
klimapolitische Konkurrenz durch die anderen Parteien – und letztlich nur
ein gesamtgesellschaftlicher Pakt.
Wenn wir uns die Aufregungen dieser Tage ansehen, haben wir von ökolinks
die üblichen Nicht-grün-genug-Zuschreibungen und aus liberalkonservativer
Ecke das klassische [2][Verbots-Framing], in das Anton Hofreiter vom
Spiegel hineingesetzt wurde. Dazu die beliebten Inkompetenz-Vorwürfe. Und
als besonderes Schmankerl die Vorwürfe, etwa vom FDP-Abgeordneten
Lambsdorff, journalistische Klimakrisenberichterstattung sei
[3][Grünen-Werbung]. Da weiß man wirklich nicht mehr, ob man lachen oder
weinen soll.
Was heißt das? 1. Die Deutschen sind besessen von ihren Grünen. 2. Das
liegt auch daran, dass die anderen Parteien inhaltlich und personell wenig
anzubieten haben. 3. Wenn die AfD nicht zündeln kann, und jenseits von
Corona kreisen alle Parteien nur noch um die Grünen und ihre zwei
Vorsitzenden. Kurzum: So ernst wurden die Grünen noch nie genommen.
## Rhetorik des Kalten Krieges
Die Aufregung käme sicher nicht, wenn die Liberalkonservativen dächten,
dass sich mit den Grünen als starker Koalitionär eh nichts ändert, wie die
Linksökologen unterstellen. Sie fürchten, dass sich zu viel ändert. Weshalb
die letzten Fundis auf Fortsetzung der Fossil-Koalition mit einer noch
kleineren SPD setzen. Die Union-Realos dagegen wollen die Grünen mit
Kalter-Krieg-Rhetorik (Verbote, Verstaatlichung, Deindustrialisierung) aus
dem Zentrum der Gesellschaft zurück in ihre alte Ecke schieben. Sagen wir
in Richtung sechzehn Prozent. Damit könnte man gemütlicher Schwarz-Grün
machen, weil man ja den gesellschaftlichen Auftrag hätte für das eigene
„Weiter so“ und gegen das neue Paradigma des „Von hier an anders“.
Jetzt darf man eben nicht denken, es gebe einen zentralistischen Masterplan
wie im autoritären Sozialismus oder einen radikal-ökologischen Pfadwechsel
ab Oktober. „Anders“ bedeutet, als Ganzes durchzustarten und mit Trial and
Error und Kompromissen machen, was, wie und mit wem geht.
Was immer in diesem pandemischen Wahljahr an Themen, Aufregungen,
Ablenkungen hochgezogen werden wird, die entscheidende Frage dahinter
lautet: Gehen wir ab 2022 mit sozialökologischem Schwerpunkt die Klimakrise
an – oder machen wir weiter wie bisher?
Das, lieber Alexander Lambsdorff, ist die Entscheidung, die die
Mehrheitsgesellschaft zu treffen hat. Als Journalist werde ich mein
Möglichstes tun, damit wir sie nicht aus den Augen verlieren.
28 Feb 2021
## LINKS
[1] /Spitzenkandidat-Winfried-Kretschmann/!5623360
[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/anton-hofreiter-ich-finde-es-ric…
[3] https://twitter.com/Lambsdorff/status/1363537142471876616
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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