# taz.de -- Entschädigung für AKW-Abschaltung: 2,4 Milliarden für Atom-Aus | |
> Regierung und Konzerne einigen sich auf Entschädigung für den | |
> Atomausstieg. Eine „Irrsinnssumme“ für die Unternehmen, kritisieren die | |
> Grünen. | |
Bild: Nichts geht mehr im AKW Krümmel | |
BERLIN taz | Kurz vor dem 10. Jahrestag der Nuklearkatastrophe im | |
japanischen Fukushima haben sich in Deutschland Bundesregierung und | |
Stromkonzerne auf Schadensersatz für den beschleunigten [1][Atomausstieg] | |
von 2011 geeinigt. Die Bundesrepublik zahlt danach insgesamt 2,4 Milliarden | |
Euro an die Energieunternehmen Vattenfall, RWE, E.on und EnBW, erklärten | |
die Ministerien für Umwelt, Wirtschaft und Finanzen am Freitag. | |
Mit der Einigung sind auch alle Klagen der Konzerne vom Tisch. Allerdings | |
müssen die Gremien der Konzerne und die EU-Kommission noch grünes Licht | |
geben und das Geld in einem Nachtragshaushalt vom Bundestag beschlossen | |
werden. Am Atomausstieg bis Ende 2022 ändert sich nichts. | |
Anlass für das Verfahren war das gesetzlich verfügte Aus für acht deutsche | |
Meiler im Juni 2011. Erst im Oktober 2010 hatte die schwarz-gelbe | |
Bundesregierung Merkel allerdings die Laufzeiten der AKWs verlängert, nach | |
dem GAU von Fukushima aber ein Moratorium verhängt und die Meiler danach | |
abgeschaltet. | |
Daraufhin begannen jahrelange Prozesse: Die Konzerne argumentierten, ihnen | |
stünde Schadensersatz für Gewinne aus dem Strom zu, den sie nicht mehr | |
produzieren durften. Das Bundesverfassungsgericht hielt 2016 ihren Anspruch | |
auf Entschädigung für berechtigt, auch wenn es den Ausstieg als zulässig | |
absegnete. [2][2020 verwarf das Gericht die von der Regierung geplante | |
Entschädigungsregelung] und drängte zur Eile. | |
## Klage in Washington erledigt | |
Nun einigten sich die Kontrahenten außergerichtlich. Damit ist vor allem | |
auch die Klage von Vattenfall vor dem Internationalen Schiedsgericht in | |
Washington in dieser Sache erledigt. Bei einer Niederlage dort hatte der | |
deutsche Fiskus Risiken zwischen 6 und 7 Milliarden Euro befürchtet. | |
Vattenfall bekommt mit 1,4 Milliarden den größten Teil der Zahlungen, weil | |
2011 seine AKW Krümmel und Brunsbüttel vom Netz gingen, ohne dass deren | |
Strommengen auf andere Kraftwerke übertragen wurden. | |
RWE erhält 880 Millionen, EnBW 80 Millionen und Eon 42,5 Millionen Euro. | |
Der größte Teil der Summe bezieht sich auf Erlöse aus den entgangenen | |
Strommengen. 142,5 Millionen Euro davon fließen für „entwertete | |
Investitionen“, die an den Standorten im Vertrauen auf die Verlängerung der | |
Laufzeiten zwischen Herbst 2010 und Abschaltung im Sommer 2011 getätigt | |
wurden. | |
Die Einigung habe einen „bitteren Beigeschmack“, sagte der Vorsitzende des | |
Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Olaf Bandt. „Die offene Frage der | |
Ausgleichszahlungen hat endlich ein Ende gefunden, aber zu einem viel zu | |
hohen Preis.“ Die „überzogenen Zahlungen“ ließen sich nur mit Verzicht … | |
Vattenfall auf eine Klage erklären. Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth | |
(SPD) dagegen meinte, die „Einigung liegt deutlich unter den Vorstellungen | |
der Unternehmen“ und der Summe, die im Schiedsverfahren gedroht hätte. | |
## Vattenfall begrüßt Einigung | |
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte die Lösung, weil der Staat | |
wie auch beim Kohleausstieg mit „Irrsinnssummen“ die Energiekonzerne | |
finanziere: „Wäre Merkel damals beim rot-grünen Atomausstieg geblieben, | |
wäre gar keine Entschädigung fällig“. Allerdings hätte es nach dem | |
ursprünglichen Ausstiegsplan auch kein schnelles Aus für die AKWs im Jahr | |
2011 gegeben. | |
Sie begrüße die „Einigung, die langen Jahren eines teuren und | |
zeitaufwändigen Streits ein Ende bereitet,“ sagte Vattenfall-Chefin Anna | |
Borg. „Deutschland ist ein wichtiger Markt für uns, wir werden fossile | |
Brennstoffe hinter uns lassen und in klimafreundliche Heizsysteme und | |
Erneuerbare investieren.“ | |
An diesem Wochenende wollen [3][Atom-KritikerInnen zehn Jahre nach Beginn | |
der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima an die Gefahren der | |
Atomenergie]-Nutzung erinnern. In Berlin veranstalten lokale Initiativen | |
eine Demonstration am Samstag, dem 6. März, am AKW Neckarwestheim bei | |
Stuttgart am 7. März. In etwa 20 Städten sind Mahnwachen geplant. | |
5 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Nuklear-Exporte-aus-Deutschland/!5739118 | |
[2] /Gerichtsurteil-zu-Atomentschaedigung/!5723653 | |
[3] https://www.ausgestrahlt.de/mitmachen/jahrestag-fukushima/ | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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