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# taz.de -- Impfung mit AstraZeneca: Impfstoff mit Imageschaden
> Manche Ärzt*innen und Pfleger*innen wollen sich nicht mit dem
> Impfstoff von AstraZeneca impfen lassen. Sind die Zweifel berechtigt?
Bild: Der richtige Weg zur Impfung? Im Impfzentrum Berlin Tegel
Berlin taz | Seit einigen Monaten arbeitet Robert Frantz (Name geändert,
die Red.) auf der Covid-Station eines Berliner Krankenhauses. Er hat
Menschen sterben sehen, sich selbst im Krankenhaus infiziert. Jetzt sollte
Frantz seine erste Impfung bekommen – mit [1][AstraZeneca]. „Wenn ich die
jetzt nehme, dann habe ich meinen Impfjoker verspielt“, sagt der junge
Arzt. Er lässt sich also vorerst nicht impfen und wartet darauf, dass in
seinem Klinikum wieder mit Biontech oder Moderna geimpft wird.
Er ist nicht der Einzige, der skeptisch gegenüber dem britisch-schwedischen
Impfstoff ist. Am Wochenende waren im Saarland bei einer „Sonderimpfung im
medizinischen Bereich“ 54 Prozent von 200 zur Impfung angemeldeten Personen
nicht erschienen, ohne den Termin abzusagen, beschwerte sich die
saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU). Die
Impfstoffvergabe sei schließlich kein „Wunschkonzert“. Und auch von anderen
Impfzentren im Bundesgebiet, wo der AstraZeneca-Impfstoff bereits
verabreicht wird, gibt es Berichte von Skepsis bis hin zu Ablehnung.
Der Virologe Christian Drosten hält die Bedenken gegenüber dem
AstraZeneca-Vakzin für vollkommen unbegründet und sprach sich im
NDR-Info-Podcast für einen breiten Einsatz des Präparats aus. „Es wäre
eine komplett falsche Überlegung, erst mit einer Impfung abzuwarten, bis
ein upgedateter Biontech-Impfstoff vorliegt“, sagte der Virologe und
betonte: „Der Impfstoff von AstraZeneca ist sehr gut.“ Auch
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterstrich, der
AstraZeneca-Impfstoff sei sicher, er selbst würde sich damit impfen lassen.
Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebundes, hingegen zeigt
„Verständnis für medizinisches Personal, das sich nicht mit dem
AstraZeneca-Vakzin impfen lassen will“. Die geringere Wirksamkeit ließe
sich nicht wegdiskutieren, sagte er der Rheinischen Post.
Tatsächlich hat der Impfstoff von AstraZeneca den bisherigen Daten zufolge
eine geringere Wirksamkeit als die beiden anderen in Deutschland
zugelassenen Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna. Deren
Wirksamkeitsrate liegt bei rund 95 Prozent, der von AstraZeneca wird
offiziell mit rund 70 Prozent angegeben. Bei dem Begriff Wirksamkeit denken
jedoch viele, der Impfstoff von AstraZeneca wirke nur bei 7 von 10
geimpften Personen, bei dreien nicht. Doch das ist ein Irrtum. Der Wert
drückt lediglich den Unterschied in der Zahl der symptomatischen Verläufe
bei den geimpften und nicht geimpften Studienteilnehmer*innen aus.
Allen auf den Markt zugelassenen Impfstoffen ist gemeinsam, dass sie
zuverlässig vor schweren Verläufen schützen. In den Studien musste nicht
eine vollständig geimpfte Person wegen Covid-19 ins Krankenhaus, keine
einzige starb.
Zur weit verbreiteten Verunsicherung dürfte aber auch der Umstand
beigetragen haben, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) Ende Januar das
Vakzin von AstraZeneca zwar generell empfohlen hat, aber nur für Menschen
unter 65. Italien und Spanien sprachen sich sogar nur für eine Anwendung
bei Menschen unter 55 Jahren aus. Die EU hatte auf Empfehlung der
Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) das von AstraZeneca mit der
Universität Oxford entwickelte Vakzin für alle über 18-Jährigen zugelassen.
Der Grund für die zögerliche Haltung der Stiko: Die Wirksamkeit bei älteren
Personen sei nicht ausreichend belegt, weil nicht genug Daten vorhanden
waren. Spanien und Italien fanden offenbar auch die Zahl der über
55-Jährigen Versuchspersonen nicht ausreichend. „Das heißt aber nicht, dass
der Impfstoff bei Älteren nicht wirkt“, betont Sandra Ciesek, Chefvirologin
am Klinikum Frankfurt.
## Weniger wirksam bei der Südafrika-Mutation
Der eingangs erwähnte Berliner Arzt ist diesen Zweifeln um die Wirksamkeit
keineswegs aufgesessen. Er glaubt sehr wohl, dass auch der
AstraZeneca-Impfstoff gut gegen den in Deutschland bislang vorherrschenden
Virustyp schützt. Aber gegen den habe er durch seine Infektion vor wenigen
Monaten eine gewisse Immunisierung. Deswegen war er auch nicht wie andere
Kolleg*innen Anfang Januar mit Biontech geimpft worden, sondern wurde
erst jetzt gefragt. „Gegen die südafrikanische Variante soll die
Wirksamkeit von AstraZeneca nur 10 Prozent betragen“, begründet der
Klinikarzt seine Entscheidung gegen die Impfung. Gerade im Krankenhaus käme
er schließlich auch mit Mutationen in Berührung.
Tatsächlich ergab eine klinische Studie, dass das AstraZeneca-Präparat bei
einer zunächst in Südafrika entdeckten Variante wohl weniger vor moderaten
Verläufen von Covid-19 schützt. Südafrika hat daraufhin die
Impfstoff-Einführung ausgesetzt. Virologin Ciesek hält das für verfrüht.
Bei jener Studie seien rund 2.000 Personen dabei gewesen – zu wenig, um
eindeutige Aussagen zu machen. Gegen schwere Erkrankungen habe AstraZeneca
auch bei dieser Variante gewirkt. Drosten hält für Deutschland die Variante
aus Großbritannien (B.1.1.7) für sehr viel relevanter. Deren Anteil macht
rund ein Fünftel aus und [2][wächst hierzulande]. B.1.1.7 bedeute aber nach
Drostens Kenntnisstand keinen Nachteil für die Schutzwirkung des
Astrazeneca-Impfstoffs.
Der Verband der niedergelassenen Ärzte warnte denn auch davor, den
Astrazeneca-Impfstoff schlechtzureden. Dieser sei wie die anderen
Impfstoffe von Moderna und Biontech „ein elementarer Baustein zum Weg aus
der Pandemie“, erklärte der Vorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich.
Wer das Produkt „aus Gründen des Populismus und der Selbstdarstellung“
schlechtrede, indem er die Wirksamkeit anzweifele und medizinischem
Personal von einer Impfung abrate, „macht sich mitschuldig daran, wenn der
Lockdown länger dauert als nötig und gerade die älteren Menschen weiter an
Covid-19 sterben“.
17 Feb 2021
## LINKS
[1] /Impfstoffe-gegen-Covid-19/!5747721
[2] /Entwicklung-der-Coronapandemie/!5753021
## AUTOREN
Felix Lee
Manuela Heim
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