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# taz.de -- Nasa landet auf dem Mars: Auf der Suche nach Leben
> Am Donnerstag landet der Nasa-Rover „Perseverance“ auf dem Mars. Bisher
> ist kein außerirdisches Leben entdeckt worden – doch die Indizien mehren
> sich.
Bild: Illustration des Nasa-Rovers „Perseverance“, wie er sicher auf dem Ma…
Berlin taz | Die Wettervorhersage für den Jezero-Krater auf dem Mars?
Gewinnt an Bedeutung. Denn da landet am Donnerstag, 18. Februar um 21.50
Uhr deutscher Zeit, die Nasa mit [1][ihrem nächsten großen Ding, dem Rover
„Perseverance]“.
Nun, das Wetter lässt sich zumindest stichhaltig vermuten: Das nächste
Thermometer ist, via Google Mars grob geschätzt, 3.200 Kilometer entfernt,
im Bauch der Mars-Veteranin „Curiosity“. Sie rollt seit über 3.000 Sol,
also Mars-Tagen von je 24 Stunden und 39 Minuten, im Gale-Krater umher.
Dort ist gerade angenehmer Spätsommer mit Temperaturen von nachts bis zu
minus 73 Grad.
Curiosity befindet sich leicht südlich des Äquators, Perseverance wird
leicht nördlich des Äquators landen. Aber die Temperaturen dürften dort
ähnlich sein, gleiche Klimazone, nur recht windig. Und in den Dünen dort
liegen vermutlich die Trümmer der 2003 bei der Landung zerschellten
britischen Sonde Beagle 2 rum.
Seit 1960 gab es 49 Mars-Missionen, inklusive der gescheiterten und der
beiden Sonden der Vereinigten Arabischen Emirate und Chinas, die kürzlich
in die Umlaufbahn eingeschwenkt sind. Politisch geht es dabei immer um die
Eitelkeiten der Nationen, ihre Ingenieurskunst unter Beweis zu stellen,
wissenschaftlich um [2][die ewige Frage: Gibt es außerirdisches Leben?]
## Nicht die kleinste Mikrobe
Noch ist nichts entdeckt, nicht die kleinste Mikrobe. Aber die Hinweise,
dass auf dem Mars was war oder ist, verdichten sich, dank Generationen von
Wissenschaftler*innen, deren Job eben diese Suche ist.
Genau vier Missionen haben und hatten die Möglichkeit an Bord, Leben
nachzuweisen – oder dessen seit Milliarden Jahren im Boden schlummernde
Überreste: [3][Die beiden Viking-Sonden der Nasa] in den 1970er Jahren;
Curiosity, die seit 2012 kleine Löcher bohrt, Bodenproben nimmt und Daten
funkt; und nach Perseverance soll 2023 noch „Rosalind Franklin“ kommen, der
Rover der europäischen Raumfahrtagentur ESA und der russischen Roskosmos.
„Rover“ ist bei Perseverance untertrieben, das Ding hat die Maße eines
Kleinwagens. Drei Meter lang, eine Tonne schwer, die Wetterstation an Bord
ist ausgefeilt. Im Kopf ein Haufen Kameras, die 360-Grad-Fotos machen, 3D
und in Farbe, mit Zoom, dazu Mikrofone, um den dumpfen Sound der dünnen
Marsatmosphäre aufzuzeichnen. Ein brotkastengroßes Gerät mit
Klappkorb-Design namens Moxie soll aus dem CO2 der Marsluft, aus dem sie zu
96 Prozent besteht, Sauerstoff gewinnen. Einfach nur, um zu zeigen, dass es
möglich ist.
## Bis Ende der 2030er Menschen zum Mars
Schließlich versprach Barack Obama, bis Ende der 2030er Jahre Menschen zum
Mars zu senden. Das Landesystem von Perseverance, mit Jetpack und
Bodenradar, entscheidet spontan selbstständig, wo es den Rover exakt
absetzt. An Bord ist auch Ingenuity, ein Helikopter mit 1,2 Meter
Spannweite, der weitestgehend autonom rumfliegen soll. Um zu zeigen, dass
das in der dünnen Marsatmosphäre geht.
Der Rover ist vor allem eines: eine Demo-Mission für die neusten
Space-Technologien, schreibt auch die Nasa. In Sachen Suche nach Leben
könnte ein anderer Teil der Mission der Durchbruch sein: Perseverance soll
Bodenproben entnehmen und versiegeln. Die soll dann irgendwann bis 2031 die
europäische Raumfahrtagentur ESA mit einem Roboter aufsammeln und zur Erde
bringen.
Daniel P. Glavin, Astrobiologe, ist bei der Nasa in dem Team, das die
Bodenproben nehmen soll. Er ist Vizedirektor für Forschungsstrategie im
Curiosity-Team und hat früher auch schon mal ein paar Wochen in der
Antarktis nach Mars-Meteoriten gesucht. Leben auf dem Mars? „Ich bin immer
noch optimistisch. Für mich ist die Frage nicht, ob, sondern wo es Leben
auf dem Mars gibt“, sagt er der taz. Curiosity habe „signifikante
Entdeckungen“ geliefert.
Es sei nun erwiesen: Der Gale-Krater war vor 3,5 Milliarden Jahren ein See.
Und zwar einer mit perfekten Bedingungen für Leben. Nicht zu sauer, nicht
zu salzig, mit allen wichtigen Elementen, sagt Glavin. Schon vor Curiosity
galt es als ziemlich sicher, dass der Mars in seiner Frühphase ein Zwilling
der Erde war.
## Leben als echte Plage
Caroline Freissinet vom französischen Latmos-Forschungsinstitut ist eine
der Wissenschaftler*innen, die sich seit Jahren über die Daten beugt, die
Curiosity zur Erde funkt. Ehe sie sich der Astrobiologie zuwendete,
forschte sie auch schon an der Mikrobiologie neuseeländischer Schafe. „Wenn
auf einem Planeten Leben entstanden ist, dann bekommen Sie das nie wieder
los, das ist eine echte Plage“, sagt Freissinet im Videochat.
Heute ist der Mars staubtrocken, wird von ultravioletter Strahlung
gegrillt, Wasser auf der Oberfläche ist bisher nur am Nordpol nachgewiesen,
gefroren. „Es kann gut sein, dass Leben auf dem Mars entstanden ist und,
als sich die Bedingungen verschlechterten, hat es sich in den wärmeren
Untergrund zurückgezogen und lebt in kleinen Wassereinschlüssen, wo es
seine Energie aus Mineralien gewinnt“, sagt Freissinet.
Und dann gibt es da noch Gilbert Levin, der Freissinet und Glavin – sie
sagen das so nicht direkt – wohl ein wenig auf die Nerven geht. Gil, wie
sie ihn nennen, debattiert immer wieder mit Glavin und Freissinet. Der Mann
ist ein Tausendsassa, der schon einen kalorienarmen Süßstoff und ein Mittel
gegen Diabetes Typ 2 und vieles mehr patentiert hat. 1941 hat er
angefangen, an der Johns-Hopkins-Universität Ingenieurwissenschaften zu
studieren, und er ist immer noch im Space-Business.
Levin behauptet bis heute, gemeinsam mit seiner Kollegin Patricia Ann
Straat 1976 Leben auf dem Mars nachgewiesen zu haben. Gemeinsam mit einer
Handvoll anderer Wissenschaftler*innen [4][publizierten die beiden]
immer wieder neue Auswertungen der alten Daten in seriösen
Fachzeitschriften wie Astrobiology.
## Viking-Sonden auf dem Mars
Damals, 1976, landeten die beiden Nasa-Sonden Viking 1 und 2 auf dem Mars.
Levin war der Chefwissenschaftler eines Experiments, das nach Leben suchen
sollte: Die Viking-Sonden nahmen Bodenproben, versahen sie mit einer
Nährlösung, erwärmten sie behutsam und prüften, ob da etwas im Boden die
Lösung konsumiert und Gase ausatmet. Und das passierte, immer wieder. Die
restlichen Daten waren aber widersprüchlich. Der Nasa und einem Großteil
der Wissenschaftsgemeinde war das viel zu dünn für die große Sensation.
Die taz forderte Levin schon 2017 zu einer investigativen Recherche auf:
„Warum hat die Nasa das einfache wissenschaftliche Prinzip ignoriert, das
Experiment von damals zu wiederholen, um es zu validieren oder zu
verwerfen?“ Kürzlich schrieb er in einer E-Mail an die taz, Curiosity habe
Kerogen entdeckt, ein Gemisch organischer Materie, das hätten ihm
Freissinet und Glavin erzählt. Das sei nur durch den Zerfall von einstigem
Leben zu erklären. Erdöl ist beispielsweise ein Kerogen.
Caroline Freissinet klingt fast schon sauer, wenn man mit ihr über Levins
Behauptungen spricht. Offenbar dreht er ihr das Wort im Mund um: Sie
erzählte ihm, sie hätten in den Curiosity-Daten den Nachweis sogenannter
Alkene im Marsboden gefunden. Die könnten einst Fettsäuren gewesen sein,
wie sie in lebenden Zellen zu finden sind. Sie könnten aber auch einfach
nur zufällig auf dem Ur-Mars entstanden sein. Levin macht daraus die
Behauptung, die Nasa hätte Fettsäuren entdeckt.
## Ein „stinkender, modriger Matsch“
In allen Debatten um Leben auf dem Mars ist wichtig zu wissen: „Organische“
Stoffe sind alle Arten von einfachen oder komplexen Molekülen auf Basis von
Kohlenstoff. So etwas findet sich überall, auch auf Asteroiden. Gleiches
gelte auch für Kerogen, schreibt Glavin. Dessen Existenz sei kein Nachweis
von Leben.
Ein „stinkender, modriger Matsch“ könne solche Organik sein, dabei
mausetot, sagt Fred Goesmann. Er ist Physiker am Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung und Chefwissenschaftler des MOMA, des Instruments im
ESA-Rover Rosalind Franklin, das Leben nachweisen könnte. Start ist im
September 2022, Landung am 10. Juni 2023. „Der exakte Landetermin ergibt
sich irgendwie zwingend aus der Bahndynamik der Planeten, verstanden hab
ich es auch nicht“, sagt Goesmann.
Er kennt Levin nicht persönlich, der sei aber sicherlich ein sympathischer
Kerl und habe durchaus einen Punkt: Egal, was man auf der Erde an Chemie
zusammengeschüttet habe, die Viking-Daten seien bisher nicht hinreichend
ohne biologische Vorgänge reproduzierbar – mit allerdings auch nicht.
„Suche nach Leben, das ist eine Puzzlearbeit. Solange uns auf dem Mars kein
Hamster vor der Kamera vorbeihoppelt, glaubt das doch sowieso niemand, dass
wir was gefunden haben.“ Und lebt der Mars? Es sei ihm schon wichtig, das
herauszufinden. „Aber ich komm eher aus der Bastelecke und freue mich, wenn
mir jemand sagt: ‚Das schafft ihr auf dem Mars nicht‘, und dann
funktioniert es doch“, sagt er.
## Spuren von Leben in 2 Metern Tiefe
Goesmann spricht von einem wissenschaftlich spektakulären Vorhaben, das die
Indizien über einen einst belebten Mars komplettieren könnte: Der Rover
Rosalind Franklin wird den Untergrund des Mars nach Leben absuchen. „Wir
werden dort landen, wo es mal lehmiges, toniges Zeug gab“, sagt er.
Das sei seit der Frühphase des Mars ein paar Milliarden Jahre unter Lava
geschützt gewesen und für planetare Zeitskalen erst seit Kurzem, vielleicht
30 Millionen Jahren, freigelegt. „Da buddeln wir bis zu zwei Meter rein, da
könnten Spuren von Leben konserviert sein“, sagt er. „Das wäre dann etwas
anderes als diese wuschige Chemie, die wir bisher gefunden haben.“
Der Massenspektrometer an Bord des Rovers kann die Proben so detailliert
untersuchen, dass mögliche Ordnungsstrukturen und Muster in den Molekülen
zu sehen sind, wie es nur Leben hinterlässt, egal wie das einst aussah.
Auch wenn Curiosity laut Nasa offiziell nicht nach Leben suchen sollte,
wohl, um die Erwartungen an die Mission nicht zu hoch zu hängen: So etwas
hätte auch die alte Veteranin aufspüren können. Hat sie aber nicht. Kein
„rauchender Colt in Sachen Leben“, sagt Glavin.
Perseverance wiederum kann zwar nach chemischen Verbindungen suchen, in dem
es den Marsboden röntgt. Aber das zeige nur, „wie das Zeug im Boden
leuchtet, wenn man es bestrahlt“, sagt Goesmann. Details, die bei der Suche
nach Leben helfen, seien damit kaum zu finden, meint er.
## Epochale Suche, entscheidender Fehler
Und wahrscheinlich ist den beiden Raumfahrtagenturen Esa und Nasa beim
Design ihrer beiden Rover Rosalind Franklin und Perseverance ein für die
epochale Suche entscheidender Fehler unterlaufen: Sollte es noch
mikrobiologisches Leben geben, dann am ehesten im geschützten Untergrund,
da wo Goesmann hinein bohrt. Ein Traum wäre, würden diese tiefen
Bodenproben auch zur genauen Analyse zur Erde geschickt, sagt Freissinet.
Aber das geschieht nicht, Rosalind Franklin ist zu klein, um neben einem
Bohrer auch noch die Vorrichtung zum Verpacken von Bodenproben mit zu
nehmen: Sie wird, ganz ökologisch, auch nur mit Solarzellen angetrieben.
Auf Perseverance, ausgestattet mit einer mächtigen Plutonium-238-Batterie,
war bei all der Demo-Technologie wiederum kein Platz für einen Bohrer. Also
verpackt die Nasa nur Proben von der Oberfläche. Die Europäer sollen die
dann mit einem noch zu konstruierenden, ganz neuen Roboter einsammeln. Und
so kommt es, dass die Wissenschaft 10 Jahre, bis 2031, warten wird, bis
Bodenproben vom Mars auf die Erde kommen – und die könnten wenig aussagen,
weil sie von der mit UV-Strahlen gegrillten Oberfläche stammen.
Gilbert Levin engagiert sich unterdessen im „Internationalen Komitee gegen
Marsproben auf der Erde“, weil er fürchtet, extraterrestrische Mikroben
könnten die Erde verseuchen. Glavin sorgt sich eher, dass die Proben nicht
heil ankommen. Goesmann sieht die Sache so: Die Nasa kündige seit 50 Jahren
an, in 10 Jahren Marsproben auf die Erde zu schaffen. Mal sehen. Vielleicht
erledigt auch Elon Musk das. Kürzlich versprach er, im Jahr 2024 Menschen
auf den Mars zu schicken.
Für Goesmann ist das keine gute Vorstellung: „Sobald Menschen auf dem Mars
rumhirschen, ist der unwiderruflich mit irdischen Mikroben verseucht“, sagt
er. Und dann ließe sich das Rätsel, ob auf dem Mars unabhängig von der Erde
Leben entstand, womöglich nie lösen. Doch wenn das so wäre, dann lebt es
wohl auch überall sonst im All, wo die Bedingungen stimmen: Es soll allein
in unserer Galaxie, der Milchstraße, bis zu 300 Millionen erdähnliche
Planeten geben.
17 Feb 2021
## LINKS
[1] https://mars.nasa.gov/mars2020/
[2] /Leben-auf-dem-Mars/!5660903
[3] /50-Jahre-Mondlandung/!5611323
[4] http://gilbertlevin.com/pdf/Astrobiol_Paper_10-16_Levin_and_Straat.pdf
## AUTOREN
Ingo Arzt
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