# taz.de -- Zauberkünstler Uri Geller: Der Trick ist er | |
> Uri Geller begeisterte mit seinen scheinbar übernatürlichen Fähigkeiten. | |
> Heute führt der 74-Jährige durch sein Museum. Ein Besuch in Tel Aviv. | |
Bild: Uri Geller macht im Jahr 1974 das, was er am besten kann: Löffel verbieg… | |
taz | TEL AVIV-JAFFA Es war ein denkwürdiger Fernsehmoment, als der damals | |
61-jährige Zauberkünstler Uri Geller ein deutsches Millionenpublikum zur | |
kollektiven mentalen Kraftanstrengung aufforderte. Die Menschen im Saal und | |
vor den Fernsehern sollten Besteck zur Hand nehmen und es, ganz wie der | |
selbsternannte Mentalist, mit Gedankenkraft beeinflussen. Geller hatte kurz | |
zuvor einen Löffel auf der Bühne scheinbar nur durch minimales Reiben mit | |
den Fingern zerbrochen. Wenn man es nur richtig anstelle, könne jeder diese | |
verborgenen Kräfte in sich wecken, versicherte er. | |
„Es wird Ihnen helfen, wenn Sie dazu die folgenden Worte sagen: echat, | |
steim, schalosch.“ | |
Der Live-Übersetzer sparte die drei magischen Vokabeln aus. In den Ohren | |
des deutschen Publikums dürfte das, was auf Gellers Muttersprache Hebräisch | |
lediglich „eins, zwei, drei“ bedeutet, wie eine mysteriöse Zauberformel | |
geklungen haben. Diese kollektive Wahrnehmungsverzerrung war immer Teil | |
seines Erfolgsprinzips: In Gellers Welt war jede Banalität, jedes seltsame | |
Geräusch im heimischen Wohnzimmer nur noch durch übernatürliche Fähigkeiten | |
erklärbar – die eigenen oder Gellers. | |
Heute muss er ein bisschen lachen, wenn er an den Eins-zwei-drei-Spruch | |
zurückdenkt. Seit seinem kurzlebigen Comeback in Deutschland mit der | |
Fernsehshow „The Next Uri Geller“ 2008 auf ProSieben sind einige Jahre | |
vergangen. Geller ist mittlerweile 74 und wieder in seine Heimat Israel | |
zurückgezogen. Der Multimillionär lebte lange Zeit in einem opulenten | |
Anwesen nahe der britischen Stadt Reading. Vieles von dem, was vorher in | |
seiner Villa stand, stellt er heute in einem 2020 fertiggestellten Museum | |
aus, im prestigeträchtigen Altstadtbezirk Jaffa von Tel Aviv. Vor dem | |
Eingang steht ein riesiger gebogener Löffel. | |
Aufgrund der Pandemie wurde das Museum nie richtig eröffnet, ausgewählte | |
Gruppen dürfen aber an Führungen teilnehmen – durchgeführt von Geller | |
persönlich. An einem sonnigen Tag empfängt der schlanke, braun gebrannte | |
Mann in sehr kurzen Hosen und Turnschuhen eine besondere Riege: ehemalige | |
Kameradinnen und Kameraden aus der israelischen Armee. Eine rüstige Truppe | |
von etwa 20 Personen, Frauen und Männer, drängt sich in das Kellergewölbe | |
einer ehemaligen Seifenfabrik. Alle hier sind, wie Geller, um die 70. Er | |
selbst hat 1967 als Fallschirmjäger im Sechstagekrieg gekämpft, jenem | |
Konflikt, der bis heute die Geopolitik des Landes bestimmt. | |
## 2.600 verbogene Teelöffel | |
Die rüstige Truppe steht einem Geller gegenüber, der mit juveniler | |
Begeisterung durch die Sammlung führt. Es ist eine Art Chronik seines | |
jahrzehntelangen Lebens als weltbekannter Zauberkünstler. Beinahe jeder | |
Quadratmeter des Museums ist mit kleinen und großen Devotionalien gefüllt – | |
einige Gemälde, mehrere Kristalle, ein VW Beetle, eine Vespa, signierte | |
E-Gitarren in Glasvitrinen, viele Fotos und allerlei merkwürdige Figuren, | |
die aussehen wie übergroße Kinderspielzeuge. | |
Üblicherweise stammen die Stücke aus Gellers unzähligen Kontakten mit | |
Prominenten auf der ganzen Welt: [1][Michael Jackson, Donald Trump, John | |
Lennon.] Die Liste lässt sich ewig fortsetzen. „Einige Begegnungen sind | |
einfach so passiert, aber in den 70er Jahren habe ich Ruhm und Reichtum | |
auch gesucht. Ich war auf einem Ego-Trip“, sagt er. | |
In einer Ecke fällt sofort ein Cadillac aus dem Jahr 1976 ins Auge, auf dem | |
etwa 2.600 verbogene Teelöffel montiert wurden. Eine Tafel nennt die | |
zahlreichen Persönlichkeiten, die ihre von Geller verbogenen Löffel für das | |
Auto hergegeben haben. Die Liste liest sich wie eine Rückschau auf die | |
Prominenz des 20. Jahrhunderts: Prinzessin Diana, Kurt Cobain, Boris | |
Becker. | |
Noch hat das betagte Publikum keinen Trick gesehen, staunt und wundert sich | |
aber zusammen mit einem atemlos durch das Museum rauschenden Geller. Der | |
erzählt zu jedem Stück eine Geschichte, etwa wie ihm Muammar al-Gaddafi, | |
der libysche Diktator, ein Modellflugzeug schenkte. Das Abbild einer Boeing | |
727 sollte Geller daran erinnern, was „die Israelis“ Gaddafis Landsleuten | |
„angetan“ hatten. 1973 schossen israelische Kampfflugzeuge eine solche | |
libysche Passagiermaschine ab, die versehentlich unbefugt israelischen | |
Luftraum erreichte. | |
Eine andere Story handelt davon, wie Geller 1972 auf Einladung der | |
amerikanischen Regierung den Nazi und „Vater“ der V2-Rakete, Wernher von | |
Braun, traf: „Eine sehr seltsame Anfrage, als Juden wurden viele meiner | |
Familienangehörigen von den Nazis ermordet.“ Auch dieser war von Gellers | |
übernatürlichen Fähigkeiten beeindruckt, als der einen Ring verbog, ohne | |
dass von Braun ihn dafür aus der Hand gab. | |
Selbst die ehemalige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir schien von | |
Gellers Fähigkeiten überzeugt. 1972 sollte sie hinter verschlossener Tür | |
ein Bild zeichnen, das Geller korrekt nachmalte – es war ein Davidstern. In | |
einem Interview wurde Meir kurz darauf nach der Zukunft Israels befragt und | |
antwortete: „Fragen Sie nicht mich, fragen Sie Uri Geller.“ Geller | |
bezeichnet diesen Moment heute als sehr wichtig für seine Karriere. | |
Zuträglich war sicher auch, dass die CIA seine Fähigkeiten bestätigte. Der | |
US-amerikanische Auslandsgeheimdienst führte 1973 mit Geller mehrere Tests | |
durch, in der Hoffnung, paranormale Fähigkeiten militärisch verwenden zu | |
können. In später veröffentlichten Geheimdokumenten werden seine | |
Demonstrationen als „überzeugend und unmissverständlich“ bezeichnet, was … | |
bis heute auf der Startseite seines Web-Auftritts vermerkt. Dokumente, | |
Videos und Fotografien sollen die Authentizität vieler Dinge untermauern, | |
die sonst nur schräge Sonderbarkeiten wären – wie etwa ein goldenes Ei, | |
durch das John Lennon mit Aliens kommuniziert haben soll („Ich fragte | |
Lennon: Was hast du genommen?“). | |
Manchmal wirkt Geller geradezu überrascht von sich selbst. Sein Publikum | |
schaut bei der Führung interessiert, wirkt aber nicht halb so begeistert | |
wie Geller von sich selbst. Immer wieder sagt er „Das werdet ihr nicht | |
glauben“ oder lässt Details bewusst aus: Bei einem [2][Besuch der | |
US-Raumfahrtbehörde NASA] will er eine geradezu außerirdische Erfahrung | |
gemacht haben („Ich war schockiert!“). Aber was genau er sah, darüber dür… | |
er nicht sprechen. | |
## Gute PR, schlechte PR | |
Die fantastische Fassade aufrechtzuerhalten, das gelang Geller während | |
seiner Karriere nicht immer. Bekannt ist etwa ein Auftritt in der | |
US-amerikanischen „Tonight Show“ im Jahr 1973, in dem seine Fähigkeiten | |
offenkundig versagten. Sein Erzrivale, der kanadische Zauberkünstler James | |
Randi, wies die Mitarbeiter*innen der Show an, Gellers Löffel durch | |
unpräparierte zu ersetzen. Randi war teil der Skeptikerbewegung, die | |
paranormale und pseudowissenschaftliche Phänomene aufklären wollte. Geller | |
scheiterte vor laufender Kamera. | |
Heute erzählt er, wie er aus dem Rückschlag lernte: „All die Skeptiker, die | |
mich attackiert haben, kreierten letztlich eine Aura und einen Mystizismus | |
um meine Person.“ Das Angebot, das Geller seinem Publikum bis heute macht, | |
blieb für viele unwiderstehlich: Auch in der modernen Welt ist nicht alles | |
rational erklärbar, und in jedem Menschen stecken unentdeckte Kräfte. | |
Seit dem PR-Desaster, so Geller, unterscheidet er nicht mehr zwischen guter | |
und schlechter PR. Weniges bereut er, wie etwa, als er im Jahr 2000 das | |
japanische Videospielunternehmen Nintendo verklagte, weil er durch eine | |
Figur aus dem Pokémon-Universum („Kadabra“ wurde mit einem verbogenen | |
Löffeln abgebildet) seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah. Kinder hätten | |
in ihm dadurch jemanden gesehen, der gegen eine ihrer Lieblingsmarken | |
vorging. | |
2019 wollte er durch telepathische Einwirkung auf [3][Theresa May | |
öffentlichkeitswirksam den Austritt Großbritanniens aus der EU] verhindern. | |
Das Ergebnis ist bekannt. Für Geller zählt, dass er im Gespräch blieb. „Ich | |
glaube, meine bizarre, seltsame, einzigartige Aura hat dazu geführt, dass | |
ich nach 55 Jahren Karriere immer noch relevant bin.“ Dass er in | |
Deutschland vor allem einmal relevant war, stört ihn nicht: „Es erscheint | |
fast jeden Tag irgendwo auf der Welt einen Artikel über mich.“ | |
## „Unglaublich, oder?“ | |
In Gellers Gegenwart gibt es keine Zufälle – und man will auch an keine | |
mehr glauben. | |
Während er vor einem Bild einer Katze – laut Geller von Andy Warhol – | |
steht, hört die Gruppe plötzlich ein lautes Miauen. Ein realer Vierbeiner | |
hat sich Zutritt zum Museum verschafft. Keine Seltenheit in Israel – aber | |
Geller weiß den Moment für sich zu nutzen: „Wow, Synchronizität!“ Er muss | |
schmunzeln, das Publikum ist begeistert. | |
Gegen Ende der Führung spielt er einen Song, ein Cover von Frank Sinatras | |
„My Way“, das er einst selber sang: „The record shows, I took the blows“ | |
(„Die Bilanz zeigt: Ich habe einstecken müssen“) – das Publikum, zwischen | |
70 und 90 Jahren alt, summt die Melodie und stimmt mit ein – „… and did it | |
my way“. Ein paar Armee-Storys werden ausgetauscht. Der Zauberer sei auch | |
ein Held, meint ein Besucher. Geller bedankt sich herzlich. So ernst wie | |
einst im deutschen Fernsehen nimmt er sich heute nicht immer. | |
Zum Abschluss kündigt er dann doch noch einen Trick an, zeigt aber nur auf | |
seinen rechten Arm: Ein Tattoo zeigt einen Löffel, der sich biegt, wenn er | |
den Ellenbogen beugt. „Unglaublich, oder?“ | |
15 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Konstantin Nowotny | |
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