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# taz.de -- Covid-19 in Brasilien: Wenn der Sauerstoff ausgeht
> In der Regenwaldmetropole Manaus explodieren die Infektionszahlen. In den
> Krankenhäusern sind viele auf private Sauerstoffflaschen angewiesen.
Bild: Eines von vielen Begräbnissen auf einem Friedhof in Manaus Anfang Januar…
Berlin taz | Die Luftbilder der Massengräber in Brasilien gingen zu Beginn
der Coronapandemie um die Welt. Nun macht die Regenwaldmetropole Manaus im
Norden des Landes erneut traurige Schlagzeilen. Am Donnerstag meldeten
Krankenhäuser, dass ihnen der Sauerstoff ausgegangen sei.
Mitarbeiter*innen sollen bereits versuchen, Patient*innen manuell zu
beatmen. In sozialen Medien [1][gehen Videos von Menschen viral], die
privat angeschaffte Sauerstoffflaschen für ihre kranken Verwandten in
Krankenhäuser tragen. Der Direktor des größten öffentlichen Krankenhauses
verschickte einen dramatischen Appell über Whatsapp-Gruppen: „Wenn
irgendjemand helfen kann, die Beatmung aufrechtzuerhalten, bitte, wir
brauchen Sie!“
206.000 Menschen sind [2][in Brasilien bereits an Covid-19 gestorben] – das
ist die zweithöchste Zahl nach den USA. Manaus war bereits zu Beginn der
Pandemie schwer von der Gesundheitskrise betroffen. Nun sind die Zahlen
erneut explodiert: Alleine in den ersten zwölf Tagen des neuen Jahres waren
mehr als 2.000 Neuinfizierte in die Krankenhäuser eingeliefert worden.
Hunderte stehen auf Wartelisten für Intensivbetten und viele Menschen sind
bereits erstickt, ohne behandelt worden zu sein.
Der rapide Anstieg der Neuinfektionen könnte laut Expert*innen auf eine
Virusmutation zurückzuführen sein, die [3][im Amazonas-Bundesstaat]
entdeckt wurde. Doch auch die laxen Isolationsmaßnahmen und die
Nachlässigkeit der Bevölkerung werden als Grund genannt.
Der deutsche Übersetzer Klaus Reuss, der in Manaus lebt, sagte der taz,
dass sich in den letzten Wochen viele Menschen nicht an die Vorschriften
gehalten hätten. So hätten Partys mit tausenden Gästen stattgefunden,
Menschen gingen ohne Mundschutz auf die Straße, die Geschäfte und Bars
seien voll gewesen. Viele Weihnachts- und Neujahrsfeste fanden ohne
Einschränkungen statt.
## Sauerstoff aus Krisenstaat Venezuela
Der Gouverneur des Amazonas-Bundesstaats, Wilson Lima, gestand am
Donnerstag auf einer Pressekonferenz die dramatische Lage ein und
verkündete eine Ausgangssperre zwischen 19 und 6 Uhr. Coronapatient*innen
sollen nun in andere Bundesstaaten ausgeflogen werden und ausgerechnet mit
dem Nachbar- und [4][Krisenstaat Venezuela] wurde eine Notversorgung mit
Sauerstoff vereinbart. Internetnutzer*innen und Prominente sammeln derweil
Spenden, um privat Sauerstoffflaschen in den Amazonas-Bundesstaat
verschicken zu können.
Expert*innen hatten lange vor einem erneuten Zusammenbruch des
Gesundheitssystems gewarnt und erklärt, dass in der schwer gebeutelten
Millionenstadt nicht mit einer Herdenimmunität zu rechnen sei. Ende
Dezember nahm der rechte Gouverneur Lima ein Dekret für einen neuen
Lockdown nach öffentlichem Druck zurück. Diese Entscheidung wurde von
rechten Politiker*innen, wie dem Sohn von Präsident Jair Bolsonaro,
gefeiert.
Vizepräsident Hamilton Mourão erklärte am Donnerstag, Sauerstoffflaschen
mit Militärflugzeugen in den Bundesstaat einfliegen zu lassen. Präsident
Bolsonaro meldete sich am Donnerstagabend an der Seite seines
Gesundheitsministers Eduardo Pazuello zu Wort. In einem Live-Video erklärte
Bolsonaro, der Corona mehrmals als „kleine Grippe“ bezeichnete, Kranke
verspottete und Warnungen der Weltgesundheitsorganisation WHO ignorierte,
dass die Verantwortung für das Chaos in Manaus bei der Landesregierung und
Stadtverwaltung liege.
Der Ex-Militär pries erneut das [5][umstrittene Malaria-Medikament
Chloroquin] als Wundermittel gegen Covid-19 an. Die Regierung steht
außerdem für ihre Impfstrategie in der Kritik. Bolsonaro macht aus
politischen Gründen Stimmung gegen einen chinesischen Impfstoff und
erklärte mehrmals, sich selbst unter keinen Umständen impfen zu lassen.
Klare Worte fand der linke Politiker Marcelo Freixo auf Twitter: „Das ist
keine Inkompetenz. Was wir derzeit in Manaus beobachten, sind die
Konsequenzen von vorsätzlichen Verbrechen Bolsonaros und seiner Komplizen.“
15 Jan 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/RiodeNojeira/status/1349844955456528384
[2] /Corona-in-Brasilien/!5692357
[3] /Coronapandemie-in-Brasilien/!5699127
[4] /Corona-in-Venezuela/!5672057
[5] /Bayer-stellt-Malariamittel-her/!5676443
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
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