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# taz.de -- Politische Graffiti in Göttingen: Kunst oder Sachbeschädigung?
> Im Streit über Graffiti hat die Stadt noch keine Entscheidung getroffen.
> Der Staatsschutz ermittelt weiter. Das Museum will die Bilder bewahren.
Bild: Politische Forderung nach offenen Grenzen: eines der umstrittenen Graffit…
Göttingen taz | Die großformatigen und aufwendig gestalteten Graffiti, die
Unbekannte Mitte Dezember an eine Mauer in Göttingen gemalt haben ([1][taz
berichtete]), bleiben ungeachtet von Ermittlungen des Staatsschutzes
zunächst erhalten. Während die Stadt noch nicht über den Umgang mit den
Wandgemälden entschieden hat, will das Städtische Museum die Bilder
dauerhaft sichern. Der Mitte Dezember entstandene Zyklus thematisiert unter
anderem die elende Lage von Bootsflüchtlingen und Gewalt gegen Frauen.
Die Graffiti stießen gleich nach Bekanntwerden in der Öffentlichkeit auf
viel Zuspruch, in sozialen Medien wurden sie schnell verbreitet. Unter
anderem sicherte die Göttinger Fotografin, Web-Designerin und Bloggerin
Katrin Raabe die Bilder auf ihrer Homepage. Grünen- und Linkenpolitiker aus
der Region fordern ebenso den Erhalt der Kunstwerke wie der Verein
„Stellwerk“. Das Netzwerk der Göttinger Kreativwirtschaft mit nach eigenen
Angaben 85 Mitgliedern hat angeregt, die Wandgemälde als hochauflösende
Fotografien im Fotoarchiv des Museums für die Zukunft zu bewahren.
„Es geht hier nicht bloß um Sachbeschädigung oder um die Frage, ob es sich
dabei um Kunst handelt“, sagte Göttingen Oberbürgermeister Rolf-Georg
Köhler (SPD) der taz. Die Aufrufe, die Stimme für die Stärkung von
Frauenrechten zu erheben und für sichere Häfen zu sorgen, „kann man als
politisch verstehen und diese Inhalte unterstützen wir als Stadt und ich
als Oberbürgermeister“.
„Eine Aufforderung zu Gewalt kann und werde ich allerdings nicht dulden“,
so Köhler mit Blick auf einen Teil des Wandgemäldes, der das Gebäude des
Neuen Rathauses mit dem Schriftzug „Kommt Zeit – kommt Rat – kommt
Farbanschlag“ übertitelt. Kritik zu äußern und sich mit den schwierigen
Themen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen sei zwar wichtig.
Allerdings sei schon der Aufruf zu Gewalt wie beispielsweise Farbanschlägen
das absolut falsche Mittel, um sich für eine Sache einzusetzen. Neben der
juristischen Bewertung wäge die Stadt folglich ab, inwieweit inhaltlich auf
das Graffiti reagiert werden soll.
Aus Sicht des Göttinger Museums handelt es sich bei den Graffiti um
erhaltenswerte „Kunst im öffentlichen Raum“. „Wir haben uns gefreut, dass
‚Stellwerk‘ uns die Fotodokumentation angeboten hat“, sagte Museumsleiter…
Andrea Rechenberg der taz. Das Museum verfüge über ein großes Fotoarchiv,
das auch viel für wissenschaftlich Zwecke genutzt werde. „Wir sehen es
daher als unsere Aufgabe, diese Bilder und die dazugehörige
Auseinandersetzung um deren Inhalt zu dokumentieren.“ Denn auch diese
Auseinandersetzung sei von stadtgeschichtlichem Interesse.
Im Übrigen sei „die Geschichte voll mit Berichten über Bilderstreite“, so
Rechenberg. „Sie sind immer symptomatisch für die gesellschaftlichen und
politischen Verhältnisse einer Zeit.“ Die strittigen Graffiti bildeten
aktuelle politische Themen ab, die breit in der Gesellschaft diskutiert
würden. Ein Museum sammele und dokumentiere ja auch für spätere
Generationen. Diese wollten wissen, „wie wir zu unserer Zeit mit
gesellschaftlichen Herausforderungen umgegangen sind, worüber gestritten
wurde oder was Konsens war.“
Unterdessen ermittelt die Polizei weiter gegen die Urheber der Graffiti.
Sie geht „aufgrund der Inhalte von einer politisch motivierten
Protestaktion aus“, deshalb habe das Staatsschutzkommissariat Ermittlungen
wegen Sachbeschädigung aufgenommen. Weil die Erstellung der Graffiti
„vermutlich mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden gewesen“ sei, hofften
die Ermittler/innen auf Zeugen, die das Vorhaben beobachtet hätten. Die
Polizei habe gar keine andere Wahl gehabt, als den Staatsschutz
einzuschalten, begründete Sprecherin Jasmin Kaatz gegenüber der taz die
polizeilichen Abläufe. Wenn ein politischer Hintergrund einer Straftat
angenommen werde, komme automatisch der Staatsschutz ins Spiel.
Sachbeschädigung gehört zu den relativen Antragsdelikten. Antragsdelikte
sind zunächst Straftaten, denen die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich
nur auf Antrag des Geschädigten nachgehen. Relative Antragsdelikte können
hingegen auch ohne Strafantrag durch den Geschädigten verfolgt werden, wenn
die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der
Strafverfolgung bejaht. Im Fall der Graffiti hatte die Stadt Anzeige
gestellt.
20 Jan 2021
## LINKS
[1] /Staatsschutz-ermittelt-wegen-Graffitis/!5740943
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Göttingen
Graffiti
zeitgenössische Kunst
Staatsschutz
Politische Kunst
Polizei Niedersachsen
Graffiti
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