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# taz.de -- Stasiaufarbeitung und DDR-Opposition: Bürgerrechtler gegen Bürger…
> Das Bürgerkomitee Leipzig schottet seine Stasi-Ausstellung gegen
> Veränderungswillige ab. Fördermittel werden jetzt an Bedingungen
> gebunden.
Bild: Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Gebäude der …
Dresden taz | Aus Sicht des Westens bekamen DDR-Oppositionelle pauschal das
Etikett „Bürgerrechtler“ aufgeklebt und erwiesen sich doch als sehr
heterogene Minderheit. Das zeigt ihre Ankunft in völlig entgegengesetzten
politischen Lagern nach 1989. Und das zeigt auch die aktuelle
Auseinandersetzung über das Leipziger Bürgerkomitee.
Der gemeinnützige Verein entstand in der Wendezeit aus dem Bürgerkomitee
für die Auflösung der Staatssicherheit der DDR. Heute ist er Träger des
Leipziger Museums Runde Ecke unweit der Thomaskirche. Dort war einst der
Sitz der [1][Stasibezirksverwaltung]. Schon länger gibt es dort nun Streit
über den Vereinsbeitritt von weiteren Aktiven der Friedlichen Revolution
1989. Zum Jahresende 2020 wurde den einstigen MitstreiterInnen dieser nun
endgültig verwehrt.
Vor 16 Monaten bereits hatten zehn LeipzigerInnen einen Mitgliedsantrag
gestellt. Unter ihnen sind die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar,
die im Stiftungsrat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
sitzt, und die ehemalige Bürgerrechtlerin und grüne Europaabgeordnete
Gisela Kallenbach. Eine erste Ablehnung beantworteten sie im April 2020 mit
einem offenen Brief und einer Plakataktion vor der Runden Ecke.
Das Bürgerkomitee reagierte wiederum scharf. Es lobte zunächst seine „sehr
erfolgreiche“ Arbeit und sprach von einer parteipolitisch motivierten
„konzertierten Aktion“. Auch witterte es eine „erinnerungspolitisch
motivierte Kampagne“ gegen die Gedenkstättenarbeit.
## Vorwurf der Parteilichkeit
Auch jetzt begründet Museumsleiter Tobias Hollitzer die endgültige
Aufnahmeablehnung mit einem drohenden Verstoß gegen das satzungsgemäße
Neutralitätsgebot: „Die kommen alle überwiegend aus einer parteipolitischen
Richtung.“
Unter den Antragstellern sind vier Bündnisgrüne, zwei CDU-Mitglieder und
vier Parteilose. „Man möchte möglicherweise nicht, dass frischer Wind in
das Konzept des Museums kommt“, vermutet die abgewiesene Gisela Kallenbach
gegenüber dem MDR. Der sächsische Stasilandesbeauftragte Lutz Rathenow
spricht gar von einer „etwas autoritär wirkenden Abwimmelungsstrategie“.
Sie sei nicht glaubhaft und werde nicht funktionieren.
Hinter dem Aufnahmestreit steckt eine schon länger währende
Auseinandersetzung über die seit mehr als 25 Jahren fast unveränderte
Ausstellung. „Die Art und Weise, wie man aus dem Erleben der Friedlichen
Revolution heraus unmittelbar nach 1990 eine Dokumentation der Geschehnisse
in Leipzig und insbesondere der ab Dezember 1989 besetzen Stasizentrale
aufgebaut hat, wäre selbst schon ein Aspekt einer künftigen neuen
Ausstellung, die auch die Geschichte des Erinnerungsortes reflektieren
sollte“, sagt Sven Riesel, Geschäftsführer der Sächsischen
Gedenkstättenstiftung.
## Modernisierung der Ausstellung gefordert
Die Ausstellung müsse 30 Jahre nach der Deutschen Einheit auch
Veränderungen in der Erinnerungskultur widerspiegeln und anhand zeitgemäßer
Vermittlungsformen in der Gegenwart ankommen, so Riesel. Wichtigstes
Anliegen bleibe aber die fortgesetzte Öffnung der Runden Ecke als
historischer Ort des Unrechts und der Verfolgung sowie als einer der
Schauplätze der Friedlichen Revolution.
Erstmals hat die Stiftung den Landeszuschuss von jährlich 205.000 Euro nun
an Auflagen gebunden: nämlich die Ausstellung inhaltlich und didaktisch zu
modernisieren. Veränderungen, die auch die Beitrittswilligen wünschen. Auch
die Stadt Leipzig hat Fördermittel nur teilweise ausgezahlt, weil der
Verein Bedingungen nicht einhielt.
Seit 2019 häuften sich kritische Medienberichte, die vom
beratungsresistenten Gedenkstättenleiter Hollitzer stets heftig
zurückgewiesen wurden. Er galt als letzter Verbündeter des nach ähnlichen
Vorwürfen zurückgetretenen Stiftungsgeschäftsführers Siegfried Reiprich.
Nun soll Nachfolger Riesel im Leipziger Konflikt vermitteln, regt der
Stasibeauftragte Lutz Rathenow an. Dem würde sich Riesel nicht verweigern,
er bringt aber auch den Stiftungsrat als Moderator ins Spiel. „Es müsste
nur mindestens eine der Konfliktparteien mit dieser Bitte an mich
herantreten.“
11 Jan 2021
## LINKS
[1] /Tatort-thematisiert-DDR-Zwangsarbeit/!5738663
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Opposition
Bürgerrechtler
Stasi
Stasi-Gedenkstätte
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Schwerpunkt taz Leipzig
DDR
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