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# taz.de -- Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern: Auf Wiedersehen im Februar
> Kanzlerin Merkel und die LänderchefInnen beschließen eine Verlängerung
> des Lockdowns bis Monatsende. In Corona-Hotspots wird der Bewegungsradius
> eingeschränkt.
Bild: Kanzlerin Merkel bei der Pressekonferenz zum Bund-Länder-Gipfel am Diens…
Berlin taz | [1][Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen] müssen sich die
Menschen in Deutschland für die kommenden drei Wochen auf weitere
Beschränkungen einstellen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
RegierungschefInnen der Länder einigten sich am Dienstag auf eine
Verlängerung des Lockdowns bis zum Monatsende. Jener galt ursprünglich bis
zum 10. Januar.
Einige Verschärfungen kommen nun hinzu: Die Bund-Länder-Runde vereinbarte
nach einer mehrstündigen Online-Konferenz noch strengere
Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich. „Die Maßnahmen, die wir
beschlossen haben, sind einschneidend“, betonte Merkel am Abend. „Es ist
jetzt keine Zeit für Halbherzigkeit“, sagte Berlins Regierender
Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Merkel sagte, im zweiten Quartal dieses Jahres werde es „nach menschlichem
Ermessen“ [2][deutlich mehr Impfdosen] geben. Auf konkrete, verbindliche
Ankündigungen, wann spätestens mit flächendeckenden Covid-19-Impfungen zu
rechnen ist, verzichtete die Runde jedoch. „Ich rate dazu, keine falschen
Versprechungen zu machen“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
(CSU).
Seit dem 16. Dezember sind viele Geschäfte in Deutschland, aber auch die
Schulen und die meisten Kitas dicht. Es gelten zudem strenge Beschränkungen
etwa für private Treffen. Gaststätten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen
mussten bereits mehrere Wochen vorher schließen.
## Private Treffen künftig nur noch mit einer Person
Ziel der Maßnahmen ist es, Kontakte zwischen Menschen und damit
Ansteckungen mit dem Coronavirus massiv zu reduzieren. Zusätzlich sollen
nun auch Betriebskantinen nach Möglichkeit schließen oder nur noch Speisen
zum Mitnehmen anbieten.
Private Treffen sollen künftig nur noch mit einer Person, die nicht zum
eigenen Haushalt gehört, möglich sein. Die bislang geltenden Ausnahmen für
Kinder im Alter bis zu 14 Jahren gibt es nicht mehr. Das heißt zum
Beispiel, dass sich zwei Paare nicht mehr zum Essen verabreden und zwei
Kinder nicht ein weiteres Kind zuhause besuchen dürfen. Auch Großeltern
dürfen nicht mehr zu zweit zu Besuch kommen.
In dem Beschluss vom Dezember, der von den Ländern in eigenen, zum Teil
leicht abweichenden Verordnungen umgesetzt wurde, stand eine großzügigere
Regel: „Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind
weiterhin auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem
Falle auf maximal 5 Personen zu beschränken. Kinder bis 14 Jahre sind
hiervon ausgenommen.“ Im aktuellen Beschluss heißt es jetzt: Es „werden
private Zusammenkünfte im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und
mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet.“
Die Länder sollen zudem für Kreise, in denen sich binnen sieben Tagen mehr
als 200 Menschen pro 100.000 Einwohner neu infiziert haben, den
Bewegungsradius der BürgerInnen auf 15 Kilometer um den Wohnort begrenzen.
Wer in einem solchen Corona-Hotspot lebt und sich weiter von seinem Wohnort
entfernen will, müsste dafür dann einen triftigen Grund vorbringen, etwa
die Fahrt zum Arbeitsplatz. Aktuell weisen laut Robert-Koch-Institut 68
Kreise einen entsprechend hohen Inzidenzwert auf.
In Deutschland gibt es einen eingeschränkten Bewegungsradius bereits in
Sachsen, wo die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen drei Monaten
stark angestiegen war. Hier dürfen sich die Bürger nur maximal 15 Kilometer
von ihrem Wohnort entfernen, etwa um Sport zu treiben oder zum Einkauf. Für
das ebenfalls stark von Covid-19 betroffene Thüringen hatte
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine entsprechende Regelung
vorgeschlagen.
Andere europäische Staaten haben bereits Erfahrungen mit solchen Maßnahmen
gesammelt. Allerdings waren und sind diese dort oft mit anderen
Einschränkungen kombiniert worden – etwa einer nächtlichen Ausgangssperre �…
und teilweise auch deutlich strenger.
Um die BewohnerInnen von Alten- und Pflegeheimen gleichzeitig vor Covid-19
und vor Vereinsamung zu schützen, wollen Bund und Länder dabei helfen,
genügend Freiwillige in diese Einrichtungen zu entsenden, um Personal und
Besucher auf das Coronavirus zu testen.
## Beschlüsse klammern die Berufswelt aus
Die meisten SchülerInnen und auch viele Kita-Kinder werden wohl auch in den
nächsten drei Wochen [3][noch zu Hause bleiben müssen]. Schulen und
Kindertagesstätten sollen bis mindestens Ende Januar weitgehend geschlossen
bleiben oder nur eingeschränkten Betrieb anbieten. Wenn Eltern deshalb
nicht zur Arbeit gehen können, soll zehn Tage zusätzlich Kinderkrankengeld
gezahlt werden.
Verschärft werden sollen die Bestimmungen für Einreisende aus
Risikogebieten. Hier soll grundsätzlich bereits direkt zur Einreise ein
Corona-Test gemacht werden.
Die Beschlüsse haben zwei Schwächen. Die erste: Sie klammern die Berufswelt
weitgehend aus. ArbeitgeberInnen würden „dringend gebeten“, großzügige
Homeoffice-Möglichkeiten zu schaffen, steht dort lediglich – von einer
Pflicht ist keine Rede. „Es ist völlig unverständlich, warum die
Ministerpräsidentenkonferenz nicht die Kontakte am Arbeitsplatz stärker in
den Blick nimmt“, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
„Es muss mehr getan werden, um den Schutz der Menschen am Arbeitsplatz zu
erhöhen.“
## Entscheidung ohne sichere Daten
Auch eine zweite Schwäche ist offensichtlich: Die Runde tagte vor dem
Hintergrund einer [4][unklaren Datenbasis]. Wie haben sich die Coronazahlen
durch den verschärften Lockdown verändert, der Mitte Dezember beschlossen
wurde? Das wäre durchaus eine wichtige Information für die
MinisterpräsidentInnen und die Kanzlerin gewesen. Doch verlässliche Angaben
dazu gibt es weiterhin nicht.
Am Dienstag lag die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen im 7-Tage-Mittel mit
rund 17.500 zwar wieder auf einem ähnlichen Niveau wie zuletzt Anfang
Dezember. Aber wirklich aussagekräftig ist dieser Wert derzeit nicht. Denn
auch die Zahl der durchgeführten PCR-Tests, mit denen Corona-Infektionen im
Labor nachgewiesen werden, war in den letzten beiden Wochen stark
verringert: Über die Weihnachtstage lag die Testzahl ein Drittel niedriger
als Mitte Dezember, über den Jahreswechsel waren es sogar nur rund halb so
viele.
Einfach hochrechnen kann man die Zahl der Neuinfektionen aber auch nicht,
denn per PCR getestet wurden über die Feiertage vermutlich vor allem
Menschen mit starken Symptomen oder jene, die zuvor bei einem Schnelltest
ein positives Ergebnis hatten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Test
positiv ausfiel, dürfte damit höher gewesen sein als sonst.
Sichere Aussagen über das reale Infektionsgeschehen sind darum derzeit kaum
möglich. Dies wird in dem Beschluss auch eingeräumt. „Eine präzise
Einschätzung der Entwicklung des Infektionsgeschehens ist am Beginn des
neuen Jahres außerordentlich schwierig“, heißt es darin. Aufgrund der
zahlreichen Feiertage könne es zu Test- und Meldeverzögerungen gekommen
sein.
Dass sich die Situation durch den verschärften Lockdown zumindest leicht
entspannt hat, zeigen die Zahlen aus den Intensivstationen, die auch über
die Feiertage vergleichsweise zuverlässig gemeldet wurden: Dort geht der
7-Tage-Mittelwert der neu aufgenommenen CoronapatientInnen seit fünf Tagen
leicht zurück. Die Todesfälle, die im Zusammenhang mit Corona gemeldet
werden, sind über die Feiertage dagegen nur vorübergehend und wohl vor
allem aufgrund verzögerter Meldungen gesunken. Am Dienstag wurde mit knapp
650 Toten pro Tag im 7-Tage-Mittel der bisher dritthöchste Wert erreicht.
Weitere Ungewissheit ergibt sich daraus, dass mögliche zusätzliche Kontakte
über Weihnachten und Silvester und die daraus resultierenden Neuinfektionen
sich in den Statistiken wegen des Zeitverzugs bisher kaum niederschlagen.
Die Auswirkungen des besonderen Besuchsverhaltens während der Feiertage
zeige sich erst später im Infektionsgeschehen, heißt es im Beschluss.
Erschwert wurden mögliche Entscheidungen zudem dadurch, dass völlig unklar
ist, inwieweit sich [5][die neue Virus-Mutation aus Großbritannien] schon
in Deutschland verbreitet. Genetische Analysen, mit denen das festgestellt
werden könnte, finden in Deutschland kaum statt. In Großbritannien sind
die Infektionszahlen aufgrund der höheren Infektiösität der neuen Variante
trotz Lockdown in vielen Regionen dramatisch angestiegen.
5 Jan 2021
## LINKS
[1] /Rekord-an-Corona-Neuinfektionen/!5737305
[2] /Spahns-Impfstrategie-in-der-Kritik/!5741261
[3] /Schulschliessung-aus-Sicht-einer-Mutter/!5738030
[4] /Entwicklung-der-Coronazahlen/!5742228
[5] /Coronamutation-in-Grossbritannien/!5738106
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Ulrich Schulte
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