# taz.de -- Frauenrechtlerin Beshid Najafi: Im Ruhestand, aber nicht in Ruhe | |
> Behshid Najafi floh aus dem Iran nach Deutschland. Hier setzt sie sich | |
> seit Jahrzehnten für Menschenrechte ein. Jetzt geht sie in Rente. | |
Bild: Beshid Najafi war ihr Leben frauenpolitisch aktiv. Jetzt geht sie in Rente | |
27 Jahre sind genug, findet Behshid Najafi: „Jetzt mache ich Platz für | |
jüngere Frauen.“ Wann sagen Menschen solche Sätze? Richtig, wenn sie in den | |
Ruhestand gehen. Genau das tut die 64-Jährige. Am 31. Dezember verlässt | |
Najafi den [1][Frauenverein agisra in Köln], hinter dessen Namenskürzel | |
sich die Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische | |
Ausbeutung verbirgt. | |
Agisra ist eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen und | |
Frauenhilfeprojekte in Deutschland, er setzt sich für Migrantinnen und | |
geflüchtete Frauen ein. Najafi hat ihn 1993 mitgegründet, sie ist die | |
älteste und längste Mitarbeiterin dort und, wenn man so will, dessen | |
Herzstück. | |
Najafi weiß, wovon sie spricht, wenn sie seit 27 Jahren die Türen zur | |
Beratungsstelle im Kölner Latin Quarter [2][für migrantische und | |
geflüchtete Frauen] öffnet. Sie selbst floh 1984 als 28-Jährige mit ihrem | |
Mann und dem kleinen Sohn aus dem Iran zunächst nach Aserbaidschan und zwei | |
Jahre später nach Deutschland. Im Iran und in den USA hatte sie | |
Politikwissenschaften und Pädagogik studiert und sich schon sehr früh für | |
Frauen- und Menschenrechte eingesetzt, teilweise im politischen Untergrund. | |
Das machte sie im eigenen Land zu einer Persona non grata, sie musste | |
gehen. | |
1988 kam sie nach Köln und baute gemeinsam mit anderen Engagierten einen | |
deutsch-iranischen Frauenverein auf, für den sie ehrenamtlich arbeitete. | |
Bis die Idee mit agisra entstand. Eine Beratungsstelle für Migrantinnen war | |
damals „etwas außergewöhnliches“, sagt Najafi. Es gab | |
Schwangerschaftsberatungsstellen, Frauencafés und Antigewaltprojekte. Aber | |
Hilfsangebote für Frauen nichtdeutscher Herkunft waren selten. „Dabei | |
kennen fast alle migrantischen Frauen Gewalt, Diskriminierung, | |
Ausgrenzung“, sagt Najafi. | |
## Beratungen in 16 Sprachen | |
In diesem Jahr unterstützte agisra – trotz erschwerter Coronabedingungen – | |
773 Frauen, die Zahl der Anfragen und Kontakte ist vier Mal so hoch. | |
Darunter sind [3][zwangsverheiratete, genitalverstümmelte und von | |
Partnerschaftsgewalt] betroffene Frauen. Frauen, die finanziell von ihren | |
Ehemännern abhängig sind oder einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben. Bei | |
agisra treffen sie auf Mitarbeiterinnen, die all das aus ihrem eigenen | |
Leben kennen und daher mit Empathie – und in 16 Sprachen – beraten können. | |
„Unsere Betroffenheit nutzt uns als Stärke“, sagt Najafi. | |
2015 war die Deutsch-Iranerin [4][für den taz-Panterpreis nominiert], unter | |
anderem weil sie sich für papierlose Frauen engagierte. | |
Najafi will agisra auch im Ruhestand „eng verbunden bleiben“. Wer Najafi | |
erlebt hat, ahnt, was sie meint: Ich bin da, wenn ihr mich braucht. Im | |
kommenden Jahr startet agisra ein neues Hilfsangebot für behinderte Frauen. | |
„Behinderte Frauen werden zwei bis dreimal stärker als andere Frauen | |
diskriminiert“, sagt Najafi: „Bei [5][behinderten migrantischen Frauen] ist | |
die Diskriminierungsrate noch einmal erhöht.“ | |
Es gibt dazu kaum Datenmaterial, aber Behshid Najafi kennt die Berichte von | |
Frauen, die in die Beratungsstelle kommen. Macht das auch mal müde und | |
krank? „Nein“, sagt Najafi: „Aber traurig. Und wütend.“ Sie ist jetzt … | |
im Ruhestand, aber ruhig ist sie deswegen noch lange nicht. | |
29 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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