Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reisepassgesetz in Iran: Der Kampf um den Pass
> Frauen in Iran dürfen ohne Genehmigung ihres Mannes das Land nicht
> verlassen. Ein neues Gesetz soll das ändern. Klappt es diesmal?
Bild: Keine Reise zur EM: Samira Zargari, Trainerin der Frauen-Ski-Nationalmann…
Berlin taz Eigentlich wollte Sara* nur ihre Familie im Iran besuchen. Mit
ihrem Ehemann war die Iranerin nach Schweden ausgewandert. Doch als sie auf
dem Rückweg in Teheran in den Flieger steigen wollte, hieß es, sie dürfe
das Land nicht mehr verlassen. Ihr Ehemann hatte ihr die Ausreise verboten.
„Wir hatten Streitigkeiten“, sagt Sara, „aber ich hätte nicht gedacht, d…
er so weit gehen würde.“ Seitdem antworte ihr Mann nur noch selten auf
Nachrichten. Bis heute wisse sie nicht, warum er das getan habe. Nun lebt
Sara im Iran, ihr Mann in Schweden. Verheiratet sind sie weiter, denn im
Iran dürfen sich Frauen nur aus besonderen Gründen scheiden lassen und das
Familiengericht hielt Saras Grund nicht für „ausreichend“. Seit drei Jahren
lebe sie nun „in einem Zwischenzustand“, erzählt sie am Telefon.
Dass Saras Ehemann ihr die Ausreise verbieten konnte, macht das
Reisepassgesetz der Islamischen Republik möglich. Demnach darf eine
verheiratete Frau nur mit schriftlicher Erlaubnis ihres Mannes einen Pass
beantragen. Anschließend kann der Mann den Pass seiner Frau jederzeit
konfiszieren lassen.
International für Schlagzeilen sorgte im Februar Samira Zargari, die
Trainerin der Frauen-Ski-Nationalmannschaft, als ihr Ehemann von der
Regelung Gebrauch machte und verhinderte, dass sie ihr Team zur
Weltmeisterschaft nach Italien begleitete. Mittlerweile haben 50.000
Iraner:innen [1][eine von Zargari gestartete Petition] unterschrieben,
in der sie vom Parlamentspräsidenten fordert, das Reisepassgesetz zu
überarbeiten.
## 2015 scheiterte ein Gesetzesvorstoß
Selbst unter den Verantwortlichen des Regimes sorgte der Fall für
Aufregung. Am 20. Februar [2][teilte Masoumeh Ebtekar], seit 2017
Vizepräsidentin im Ressort Frauen und Familie, mit, dass die Regierung beim
Parlament einen Gesetzentwurf eingereicht habe. Diesem zufolge dürfe ein
Mann seiner Ehefrau die Ausreise ohne Grund nicht mehr verbieten. Tue er
dies dennoch, könne die Frau von einem Gericht die Ausreiseerlaubnis
bekommen.
Dass sich der Entwurf tatsächlich durchsetzt, ist allerdings
unwahrscheinlich. Schon 2015 hatte es einen ähnlichen Vorstoß gegeben,
nachdem der Mannschaftsführerin der
Frauen-Hallenfußball-Nationalmannschaft, Niloufar Ardalan, kurz vor dem
Abflug zur Asienmeisterschaft gesagt wurde, sie habe Ausreiseverbot.
Ardalans Ehemann war ein bekannter Moderator religiöser Sendungen im
Staatsfernsehen.
Auch damals forderten mehr 6.000 Menschen in einer Petition eine
Gesetzesänderung. Shahindocht Molaverdi, die damalige Vizepräsidentin im
Ressort Frauen und Familie, erklärte zudem, sie habe zahlreiche Beschwerden
bekommen und suche einen Weg, das Reisepassgesetz zu ändern.
Doch Ayatollah Jafar Sobhani, ein hochrangiger Kleriker in Ghom, dem
Zentrum der schiitischen Geistlichkeit, erklärte, die Theologen seien sich
einig, dass Frauen nur mit Erlaubnis reisen dürften. „Sollte Molaverdi ihre
Forderungen weiterverfolgen, wird Ghom härter reagieren,“ drohte er.
Umweg über die Zivilgesellschaft
Die Ausreise ist nicht das Einzige, was ein Mann seiner Frau verbieten
beziehungsweise vorschreiben kann. Nach dem iranischen Familiengesetz
dürfen Männer über den Aufenthaltsort der Familie entscheiden, den
Ehefrauen das Arbeiten verbieten und haben im Fall der Scheidung
automatisch das Sorgerecht.
Statt auf Gesetzesänderungen zu warten, haben iranische Frauen versucht,
Rechte innerhalb der bestehenden Gesetze zu erkämpfen. Beispielsweise warb
die „Kampagne der gleichberechtigten Familie“ dafür, dass Männer und Frau…
bei der Eheschließung sogenannten „zusätzlichen Vertragsbedingungen“
zustimmen.
Auf diesem Weg kann der Ehemann der Ehefrau Vollmacht in Sachen
Ehescheidung, Reiserecht und Arbeit geben. In den vergangenen Jahren haben
immer mehr Frauen und Männer, besonders in der jüngeren Generationen, einen
solchen zusätzlichen Ehevertrag notariell beurkunden lassen.
Doch selbst dagegen regte sich Widerstand. Zwei Aktivist:innen, die Najmeh
Vahedi und Hoda Amid, wurden 2018 festgenommen und über zwei Monate
verhört, obwohl ihr Engagement den Vorschriften der geistlichen Autorität
im Iran völlig entsprach. Sie hatten mit Workshops in allen Ecken des
Landes für die „zusätzlichen Vertragsbedingungen“ geworben. Erst im
vergangenen Februar bestätigte das Teheraner Berufungsgericht das Urteil
des Revolutionsgerichts gegen sie: Vahedi wurde zu sieben Jahren und Amid
zu acht Jahren Haft verurteilt.
## Nach vielen Proteste sind Frauen ihre Rechte bewusster
Das Urteil müsse man politisch sehen, sagt die Frauenrechtsaktivistin Asieh
Amini, die in den vergangenen 20 Jahren die Frauenbewegung im Iran
beobachtet hat. „Die Wahrheit ist, dass das Regime eine Kampagne der
Einschüchterung führt gegen die Frauen und alle, die sich für Frauenrechte
einsetzen, auch wenn dieses Engagement im rechtlichen Rahmen des Regimes
ist.“
Dies deute darauf hin, dass eine sinnvolle Veränderung, die nicht einfach
umgekehrt werden kann, im Rahmen dieses Systems und dieser Verfassung nicht
möglich ist, glaubt Amini. „Denn im ideologischen Kern und auch in der
Verfassung der Islamischen Republik sind die Frauen Bürgerinnen zweiter
Klasse.“
Doch auch wenn sich rechtlich kaum etwas verändert habe, sagt Amini, seien
durch die zahlreichen Proteste in den 41 Jahren der geistlichen Herrschaft
im Iran weiten Teilen der Bevölkerung, insbesondere den Frauen im Iran,
ihre Rechte bewusster geworden.
26 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.karzar.net/women-demands
[2] https://twitter.com/ebtekarm_ir/status/1363220739059548160
## AUTOREN
Omid Rezaee
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Reisen
Reform
Frauenrechte
Frauenbewegung
Iranische Revolutionsgarden
Schwerpunkt Iran
Frauenrechtlerin
Schwerpunkt Iran
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues zur Petition #FreeNahid: Einfach weggesperrt
Nahid Taghavi ist in Teheran zu zehn Jahren und acht Monaten Haft
verurteilt worden. Ihre Tochter kämpft von Deutschland aus um ihre
Freiheit.
Atominspektionen im Iran: Länger hinschauen, weniger sehen
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) darf Irans Nuklearanlagen für
weitere drei Monate kontrollieren. Allerdings verliert sie Zugang zu
Videoaufnahmen.
Frauenrechtlerin Beshid Najafi: Im Ruhestand, aber nicht in Ruhe
Behshid Najafi floh aus dem Iran nach Deutschland. Hier setzt sie sich seit
Jahrzehnten für Menschenrechte ein. Jetzt geht sie in Rente.
Iranische Anwältin im Hungerstreik: Schutzlos in Haft
Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh fordert die Freilassung der
politischen Gefangenen im Iran. In Haft gebe es keinen Schutz vor Corona.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.