# taz.de -- Rassismus-Beauftragte*r gefordert: Eine Stelle gegen Hass | |
> Rassismus soll aktiv bekämpft werden: Dafür sollte es eine*n | |
> Beauftragte*n des Landes geben, fordert der Bremer Rat für Integration. | |
Bild: Integration erfordert viele Opfer: Die Ex-Bremerin Marwa Sherbini wurde 2… | |
BREMEN taz | Die Funktion eine*r Antirassismusbeauftragte*n zu schaffen, | |
fordert der Bremer Rat für Integration (BRI). Zu verstehen sei diese | |
„analog zur Frauenbeauftragten“, heißt es in einer Stellungnahme zum | |
„Rahmenkonzept Diversity“, das der Senat derzeit erarbeiten muss. | |
Behördenübergreifend sollte diese Zentralstelle arbeiten und personell mit | |
mindestens zwei Vollzeitkräften ausgestattet sein, so die Idee des BRI. | |
Außerdem regt der Rat an, im Gesundheitsressort ein eigenes Referat „Armut, | |
Migration und Gesundheit“ zu schaffen. Insgesamt sei es wichtig, die | |
Verwaltung über die bisherige erfolgreiche Gleichstellungspolitik hinaus | |
für „intersektionale Frauenpolitik“ zu sensibilisieren. | |
Der Begriff Intersektionalität bezeichnet den Umgang mit der Tatsache, dass | |
den meisten Diskriminierungserfahrungen ein Zusammenspiel von | |
unterschiedlichen mit Vorurteilen behafteten Eigenschaften und | |
gesellschaftlich negativ bewerteten Zuschreibungen zugrunde liegt. | |
Ein besonders krasses Beispiel ruft der BRI in Erinnerung: Am 3. November | |
war in Huchting eine Schwarze Frau im Nachtbus rassistisch und sexistisch | |
beleidigt worden, bevor die Angreifer sie mit Schlägen und Tritten | |
krankenhausreif geprügelt hatten. Gebot der Stunde sei deshalb ein | |
inklusiver Feminismus, „der über Gewaltschutz- und Sprachprogramme | |
hinausgeht“ so der BRI, „und sich eingehender mit den Belangen von allen | |
Frauen* befasst.“ | |
## Beteiligung gefordert | |
Zur Stellungnahme war der Rat von der Sozialsenatorin aufgefordert worden: | |
Vor einem Jahr hatten [1][alle Fraktionen der Bürgerschaft beschlossen], | |
dass die Verwaltung ein „Rahmenkonzept gesellschaftliche Teilhabe und | |
Diversity“ bis Ende 2020 solle – und migrantische Selbstorganisationen und | |
die Öffentlichkeit daran zu beteiligen seien. Corona hat die Prozesse | |
verlangsamt. | |
Noch ist die Beteiligungsphase nicht ganz abgeschlossen, aber die meisten | |
Vorschläge sind eingereicht. Und ein bisschen wirkt man bei Soziales | |
überrumpelt vom konkreten Ergebnis: „Ich weiß nicht, ob in einem solchen | |
Rahmenkonzept die Forderung Platz hat, die Stelle eines Beauftragten zu | |
schaffen“, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Senatorin. Ob die Spitze des | |
Hauses eine entsprechende Empfehlung aussprechen werde, steht auch nicht | |
fest: „Das ist eine Frage, die im politischen Raum erörtert werden muss“, | |
so Schneider. | |
Das Argument des BRI ist dabei nicht von der Hand zu weisen: | |
Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und rassistischer Zuschreibung | |
nimmt zu. Ein starker Indikator dafür sind die bei der | |
Antidiskriminierungsstelle des Bundes dokumentierten Rassismusfälle, deren | |
Zahl sich seit 2014 verdoppelt hat. | |
Die Studien, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit messen, bestätigen | |
das Vordringen xenophober Einstellungen und das Anschwellen von diffusem | |
Hass. Während die bereits beschlossene Antidiskriminierungsstelle in erster | |
Linie Beschwerden aufnehmen soll, hätte ein*e Antirassismusbeauftragte* | |
eine gestalterische Aufgabe. | |
Statt nur immer neue Opfergeschichten aufzeichnen zu müssen und ihnen | |
nachzugehen, könnte sie dem Trend zum Hass entgegenwirken, Schulungen | |
anbieten, für Aufklärung sorgen – und für Empowerment. | |
## Grüne reagieren mit Wohlwollen, CDU mit Skepsis | |
Unterstützung signalisiert die Linksfraktion: „Eine Anlaufstelle, die der | |
ZGF gleichgestellt wäre, wäre angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung | |
nur legitim“, sagte deren Vorsitzende Sofia Leonidakis der taz. „Wir | |
begrüßen das Positionspapier des BRI als wertvollen Beitrag zur Debatte.“ | |
Auch die Grünen schauen mit Wohlwollen auf den Vorschlag, allerdings | |
verhaltener: „Angesichts der Entwicklung kann ich die Forderung gut | |
verstehen“, begrüßte Sahhanim Görgü-Philipp zwar die Stellungnahme des BR… | |
darauf festlegen könne sie sich indes derzeit nicht, so die | |
stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bürgerschaftsgrünen: „Wir haben | |
sehr viel angestoßen“, sagt sie, deshalb müsse man schauen, wie die | |
Maßnahmen insgesamt zusammenpassen. | |
Mit Skepsis reagiert die CDU auf den Vorstoß: Die Bürgerschaft habe im | |
vergangenen Jahr beschlossen, einen Aktionsplan Antirassismus zu erstellen | |
und eine Antidiskriminierungsstelle einzurichten, erläuterte die | |
Integrationspolitikerin Sigrid Grönert der taz. Das seien „Beschlüsse, mit | |
denen sich das Thema Rassismusbekämpfung aus Sicht der CDU gut abdecken“ | |
lasse. „Deshalb werden wir uns nicht hinter die Forderung stellen.“ | |
15 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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