# taz.de -- Rassismus im deutschen Alltag: Die gefährliche weiße Frau im Park | |
> Menschenfeindlichkeit ist leider allgegenwärtig. Doch während sie in | |
> Sozialen Medien stets sichtbar ist, kommt sie auf der Straße oft | |
> überraschend. | |
Bild: Spazieren ist gesund, doch können einem Rassisten dabei begegnen | |
Und wie war euer Jahreswechsel so? Meiner eher entspannt. Endlich musste | |
ich keine Rechtfertigungsmonologe halten, um an Silvester auf der Couch zu | |
lungern und kurz nach Mitternacht ins Bett zu gehen. So war ich auch am 1. | |
Januar fit und machte mit zwei Bekannten, was man halt so in | |
[1][Pandemiezeiten an Gruppenaktivitäten] machen kann: mit Abstand und | |
Maske im Park eine Runde drehen. | |
Wir haben auf Arabisch über dies und das gesprochen, Updates ausgetauscht, | |
ein wenig geschmunzelt. Es war 18 Uhr und schon dunkel, als aus dem Nichts | |
diese weiße Frau vor uns stand. Es ist nicht ganz klar, ob sie joggte oder | |
auf uns zurannte. Auf dem verwaisten, großzügigen Weg zwischen den kahlen | |
Bäumen liefen wir alle drei außen rechts – wie es sich für die Alman | |
Straßenverkehrsordnung gehört. | |
White Woman kam auf uns frontal zu und grüßte uns ungebeten mit einem „Ihr | |
dreckigen Araber“. Meine Begleiter*innen und ich waren: sprachlos. Ich | |
selbst habe einfach nicht damit gerechnet, wollte etwas sagen, blieb aber | |
lediglich erschrocken und wie versteinert stehen. Dabei machte die weiße | |
Frau munter weiter. | |
Sie nannte uns auf Englisch mehrmals „fucking bitches“ und „fucking | |
faggots“ und servierte uns damit innerhalb weniger Sekunden die hässliche, | |
rassistische, sexistische und queerfeindliche [2][Fratze dieser | |
Gesellschaft]. Sie rannte dann weg und ich rief ihr (nicht so laut) nach: | |
Racist Shit! Mehr war nicht drin. Sie drehte sich daraufhin um und spuckte | |
auf den Boden, dann verschwand White Woman hinter dem Gebüsch. | |
## Rassismus unterschätzt | |
Und jetzt? Einige Tage später? Ich ärgere mich noch immer. Vor allem über | |
mich selbst. Ich mache hier in meiner Kolumne auf sassy und schlagfertig | |
(das Ding heißt Nafrichten!). Auf Instagram und Twitter labere ich | |
andauernd von Empowerment und erkläre, wie Betroffene auf | |
Menschenfeindlichkeit reagieren können. Ich werde bezahlt, um Bücher zum | |
Thema zu schreiben. Und dann, im entscheidenden Augenblick, kommt mir | |
nichts über die Lippen. Schwache Leistung, Mohamed! | |
Es kann sein, dass meine Zurückhaltung am Setting gelegen hat. Dunkler Park | |
mit flackernder Beleuchtung, wie der erste Akt aus einem Fall bei | |
„Aktenzeichen XY“. Ich vertraue in diesen Situationen rassistischen weißen | |
Frauen nicht. Sie sind zu allem fähig. Es kann auch sein, dass wir uns | |
spontan mit Deeskalation nicht in Gefahr bringen wollten, dass manchmal die | |
beste Verteidigung das Einigeln ist. | |
Es ist am Ende so: Auch ich bin oft überfordert, wenn sich Rassismus, | |
Sexismus oder Queerfeindlichkeit vor meinen Augen zeigen. Klar, auf | |
sozialen Medien bin ich darauf vorbereitet, [3][dass jemand etwas | |
menschenfeindliches sagt oder macht.] | |
Jemand sagt oder macht immer etwas menschenfeindliches. Aber so habe ich | |
nicht damit gerechnet. Wie naiv von mir, die Spontaneität Deutschlands und | |
White Women wieder mal unterschätzt zu haben. | |
7 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Mohamed Amjahid | |
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