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# taz.de -- Geflüchtete in Lipa: Das immer gleiche Drama
> Die verantwortlichen Politiker*innen schieben sich angesichts der
> Not der Geflüchteten die Verantwortung gegenseitig zu. Und tun nichts.
Bild: Geflüchtete in der Kälte von Lipa
Sie stapfen in Flipflops durch eine zentimeterdicke Schneedecke, trinken
verunreinigtes Wasser, schlafen bei Minusgraden unter freiem Himmel.
Kleinkinder leiden an der Krätze, weil es keine Möglichkeit gibt, sich zu
waschen. Erwachsene klagen über Schmerzen in ihren Organen, in ihren
Muskeln, in ihren Knochen, die Kälte hat ihren Körper durchdrungen.
Das Coronavirus ist hier ihre kleinste Sorge. Die Menschen haben Angst,
nachts einzuschlafen und einfach zu erfrieren. Einige von ihnen haben
mehrfach versucht, ihr Menschenrecht auf Asyl in der EU zu beantragen,
wurden vom europäischen Grenzschutz und von kroatischen Beamt*innen
illegal zurück nach Bosnien-Herzegowina geschubst.
Die Rede ist von den Geflüchteten in dem eingeschneiten Camp Lipa in den
bosnischen Bergen im Westen des Balkanlands an der EU-Außengrenze zu
Kroatien.
Ein Team des Nachrichtenmagazins Spiegel konnte im und rund um das
teilweise abgebrannte Camp [1][filmen]. Die Journalist*innen geben an,
dass sie von den bosnischen Sicherheitsbehörden an ihrer Arbeit gehindert
wurden. Es hat aber gereicht für eine ausführliche Dokumentation der
Schande Europas. Wieder mal. Ich bin so müde. Zu diesem politisch
gewollten, menschenverachtenden Elend kann ich kaum noch Neues schreiben.
Es soll hier aber nicht um mich gehen, während Menschen in Lipa sterben.
Das Drama wiederholt sich, und jene, die es ändern können, kümmern sich
nicht darum oder freuen sich, dass ein paar Menschen (er)frieren. Das pure
Böse in blau mit ein paar gelben Sternen. Was für eine hässliche Farbkombi.
Herzlose Entscheider*innen
In der Spiegel-Reportage kommen auch einige Anwohner*innen aus Lipa
vor, die eine Mahnwache halten und wollen, dass die Geflüchteten aus ihrem
Dorf verschwinden. Sie dulden keine Geflüchteten in ihrer Nachbarschaft und
drohen mit einem Aufstand „von bis zu 2.000 Menschen“, falls die Regierung
in Sarajevo hier ein dauerhaftes Camp errichten sollte. Man kommt schnell
in Versuchung, diese kaltherzigen Menschen zu verurteilen und ihnen eine
Kolumne zu widmen … aber diese armen Lauchs, sie sind dann doch nichts
gegen die herzlosen Entscheider*innen in Brüssel, in Berlin, in Wien,
in Zagreb und in Sarajevo.
Wie ich die verantwortlichen Politiker*innen verachte! Beim Blick nach
Lampedusa, auf die Kanarischen Inseln, auf Lesbos oder jetzt auf Lipa,
immer führen die Spuren zu Staats- und Regierungschefs, zu
Parlamentarier*innen oder Parteipolitiker*innen, die gemütlich in
allen Fraktionen hocken, sich gegenseitig die Schuld zuschieben oder sich
an der Not der Menschen erfreuen und auf ein paar Wahlstimmen von
Rechtsextremen schielen.
Alle europäischen Politiker*innen, die diese Katastrophe direkt oder
indirekt zu verantworten haben, sollten für 24 Stunden das durchmachen, was
die Geflüchteten in Lipa durchmachen müssen. Denn Worte erreichen dieses
Europa einfach nicht mehr.
21 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/watch/?v=414520976642523
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
## TAGS
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