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# taz.de -- Arbeitskampf bei Hagenbecks Tierpark: „Führung nach Gutsherrenar…
> Nach der Kündigung von neun MitarbeiterInnen will der neue
> Geschäftsführer nicht mit dem Betriebsrat verhandeln – und kündigt dem
> Betriebsratschef.
Bild: Ungemütliche Zeiten in Hagenbecks Tierpark – nicht nur für die Tiere
Hamburg taz | Gern pflegt Hagenbecks Tierpark in Lokstedt das Image des
familienfreundlichen Idylls. Unterstützt wird diese Außendarstellung von
Heile-Welt-Reportagen über die rund 1.850 Tiere und die PflegerInnen des
Zoos, etwa im NDR-Fernsehen in der Sendung „Leopard, Seebär & Co“, die
beinahe täglich über die Bildschirme flimmert. Doch hinter den Kulissen des
1907 gegründeten Tierparks herrscht zurzeit eine raue Atmosphäre. Die
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) spricht von einer
„Führung nach Gutsherrenart“, MitarbeiterInnen von einem „Klima der Angs…
Konkret geht es um die Einführung von Kurzarbeit während der Schließung des
Parks im Lockdown und die Auswirkungen auf die Beschäftigten. Darüber
wollten ArbeitnehmervertreterInnen und die Geschäftsführung des Zoos
eigentlich verhandeln und eine Betriebsvereinbarung schließen. Eskaliert
sei die Situation überraschend kurz vor Weihnachten, sagt
IG-Bau-Vize-Regionalleiter Dirk Johne.
Da die Arbeit des Gros der TierpflegerInnen auch in Coronazeiten
unverzichtbar ist – bestenfalls fallen die publikumsträchtigen öffentlichen
Fütterungen weg –, beträfe die Kurzarbeit vor allem MitarbeiterInnen des
Empfangs, des Service, der Gastronomie und der Verwaltung. Insgesamt
arbeiten 160 Menschen in dem Zoo.
Beim ersten Corona-Lockdown im Frühjahr hatte der Tierpark für alle
Betroffenen das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit auf 100
Prozent des bisherigen Gehalts aufgestockt. Doch inzwischen hat es einen
Wechsel in der Geschäftsführung des Zoos gegeben – und der neue Chef Dirk
Albrecht änderte den Umgangston.
Schon vor dem ersten Treffen am 21. Dezember sei neun MitarbeiterInnen
gekündigt worden – „offenbar, um den Betriebsrat einzuschüchtern“, sagt
Gewerkschafter Johne.
Beim letzten Treffen habe sich Albrecht geweigert, mit dem Betriebsrat zu
verhandeln, wenn auch VertreterInnen der IG Bau mit am Tisch sitzen würden.
Doch die BetriebsrätInnen hätten darauf beharrt, dass die Gewerkschaft
bleibe – und die Geschäftsführung darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat
während der Betriebsratssitzung Inhaber des Hausrechts sei, sagt Johne.
Daraufhin habe Albrecht die Verhandlungen abgebrochen, die Verantwortung
für das Scheitern jedoch nachträglich der Arbeitnehmerseite zugeschoben.
„In einer Demokratie ist es selbstverständlich und gesetzlich klar
geregelt, dass sich Betriebsrat und Gewerkschaft austauschen – auch wenn
das Herrn Albrecht ein Dorn im Auge ist“, kritisiert Johne.
Darüber hinaus seien den Betriebsratsmitgliedern Informationen zur
wirtschaftlichen Lage des Zoos und der gemeinnützigen GmbH vorenthalten
worden, die aber die Grundlage für Verhandlungen zur Kurzarbeit seien.
Bei einem Rundgang im Zoo im Anschluss an die abgebrochenen Verhandlungen
habe sich die Lage dann noch weiter zugespitzt – Geschäftsführer Albrecht
rief sogar die Polizei.
Die GewerkschafterInnen und der Betriebsrat hatten eigentlich einen
Rundgang durch 16 Gehege geplant, um die Belegschaft zu informieren.
Albrecht habe ihnen dies untersagt und die Polizei informiert. Der
Betriebsrat habe dann den Rundgang abgebrochen, um eine weitere Eskalation
zu vermeiden. Die anwesenden Betriebsratsmitglieder hätten dafür
Abmahnungen kassiert.
Geschäftsführer Albrecht macht auch gegenüber der taz seinen Standpunkt,
nicht mit der Gewerkschaft verhandeln zu wollen, deutlich. Da nicht alle
Beschäftigten Mitglied der IG BAU seien, sei es „unzulässig“, wenn die
Gewerkschaft eine Vereinbarung für alle 160 Beschäftigten mitverhandeln
wolle. „Die Vertretung ist ausschließlich Aufgabe des Betriebsrates“, sagt
Albrecht. Die Gewerkschaft könne nur beratend tätig werden.
Da nicht nur Corona, sondern auch Schweinepest und Vogelgrippe die Tiere
gefährdeten, gebe es strenge Seuchenauflagen, sodass betriebsfremden
Personen der Zutritt zum Tierpark nur mit Genehmigung der Geschäftsführung
gestattet sei. „Diese Vorgaben haben Betriebsrat und die Vertreter der
Gewerkschaft missachtet“, sagt Albrecht. Er habe daher polizeiliche Hilfe
in Anspruch genommen.
Inzwischen hat Albrecht auch den Betriebsratsvorsitzenden Thomas Günther
beurlaubt und dessen Kündigung beantragt. Johne sieht darin einen weiteren
Einschüchterungsversuch. Das Betriebsratsgremium habe mittlerweile allen
Kündigungsanträgen widersprochen, sodass Albrecht wegen Günthers Kündigung
nun beim Arbeitsgericht ein Amtsenthebungs- und Kündigungsersatzverfahren
einleiten muss.
Gegenüber der taz sagte der Geschäftsführer: „Die arbeitsrechtlichen
Auseinandersetzungen mit dem Vorsitzenden des Betriebsrates haben mit der
Kurzarbeitvereinbarung nichts zu tun.“ Er wolle das Verfahren aus
„rechtlichen Gründen“ aber nicht weiter kommentieren. Der Konflikt dauert
also an.
Auch die geplante Betriebsvereinbarung landet nun vor der nächsthöheren
Instanz. Johne kritisiert, dass ihnen durch den Abbruch der Verhandlungen
keine andere Möglichkeit geblieben sei, als eine Einsetzung einer
Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht zu beantragen.
Es sei bedauerlich, dass sich durch dieses Procedere die Einführung von
Kurzarbeit verzögere und durch die Einigungsstelle Kosten verursacht
würden, sagt Johne. „Dieses Geld und die verbundene Arbeitszeit hätte
sinnvoller in den Tierpark investiert werden können.“
Eigentlich war Geschäftsführer Albrecht von den zerstrittenen
Familienteilen der Hagenbecks im April 2020 eingestellt worden, um den
Tierpark zu befrieden. Jahrelang standen sich Patriarch Claus Hagenbeck
sowie sein Widersacher und angeheirateter Neffe Joachim Weinlig-Hagenbeck
unversöhnlich gegenüber.
In einem Brandbrief an eben diese beiden fordert die IG BAU nun, „dafür
Sorge zu tragen, dass Herr Albrecht die Geschäfte des Tierparks so führt,
wie es unserer rechtsstaatlichen Grundordnung gebührt“. Denn nicht nur
Tiere, sondern auch Menschen müssten gut behandelt werden.
In der SPD-Fraktion der Bürgerschaft ist der Vorgang bekannt. Eine
„Einflussnahme sei schwer“, sagt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der
Sozialdemokraten, Jan Koltze. Sollte Hagenbeck aber auf die Idee kommen,
staatliche Coronahilfen in Anspruch nehmen zu wollen, setze dies natürlich
einen ordentlichen Umgang mit seinen Beschäftigten und der Mitbestimmung
voraus.
7 Jan 2021
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Arbeitskampf
Tierpark
Hamburg
Gewerkschaft
Zoo
Tierpark
Tierpark
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Rassismus
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