| # taz.de -- BBC-Experte über Medienfinanzierung: „Kein reines Abomodell“ | |
| > Das Publikum ist bereit, für Inhalte zu bezahlen, sagt Jim Egan, alter | |
| > Chef von BBC Global News. Trotzdem sollte BBC nicht wie Netflix | |
| > funktionieren. | |
| Bild: Der britische Premierminister Boris Johnson ist kein Fan der öffentlich-… | |
| taz: Herr Egan, warum haben Sie einen Topjob bei der BBC gegen eine | |
| Tätigkeit für einen Investmentfonds getauscht? | |
| Jim Egan: Es tat mir sehr leid, die BBC zu verlassen. Ich habe da eine | |
| ziemlich lange Zeit gearbeitet. Aber ich hoffe, im neuen Job viel von dem, | |
| was ich bei der BBC gelernt habe, auf unsere Projekte anwenden zu können. | |
| Denn die Herausforderung bleibt dieselbe: Es geht darum, Antworten zu | |
| finden, wie man Qualitätsjournalismus langfristig kommerziell möglich | |
| machen und absichern kann. | |
| Und wie könnte das funktionieren? | |
| BBC Global News hat sich überwiegend über Anzeigen finanziert, was im | |
| letzten Jahrzehnt immer schwieriger wurde. Dazu kamen die Einnahmen von | |
| Pay-TV-Betreibern, die unser Programm übernommen haben. Jetzt sehe ich aber | |
| ganz klar den Trend, dass das Publikum bereit ist, direkt für die Inhalte | |
| zu bezahlen – egal ob über Paywall, eine Mitgliedschaft oder ein Abomodell. | |
| Hierüber denkt auch die BBC mit Blick auf ihre kommerziellen Angebote sehr | |
| intensiv nach. | |
| Nun fordern ja einige konservative Politiker*innen in Großbritannien, die | |
| gesamte BBC auf so eine Art Netflix-Modell umzustellen und die licence fee | |
| abzuschaffen. Halten Sie das für machbar? | |
| Nein, denn da werden ein paar wesentliche Punkte bewusst ausgelassen. Ein | |
| reines Abomodell könnte nie für die gesamte Gesellschaft da sein und würde | |
| den universellen Ansatz der BBC abwürgen. Denn der beruht ja darauf, dass | |
| alle etwas bezahlen und alle – auch Minderheiten und kleine | |
| Interessengruppen – etwas dafür zurückbekommen. Ich glaube, die | |
| Coronapandemie hat gezeigt, wie wichtig das ist. | |
| Als Ihr neuer Arbeitgeber MDIF in den 1990er Jahren gegründet wurde, ging | |
| es vor allem um Projekte in Ländern und Regionen, in denen freier | |
| Journalismus unterdrückt wurde. Es scheint ein bisschen, als verfolge MDIF | |
| heute einen anderen Kurs. | |
| Nein, diese Kernidee ist geblieben. Aber wir haben auch neue Ziele | |
| identifiziert. Dazu gehören Märkte, die einfach nicht kommerziell | |
| funktionieren. Da geht es um Zugang zu Krediten, Investitionsmitteln oder | |
| Technologien. Hier haben wir vor allem die sogenannten Schwellenländer im | |
| Blick. | |
| Die Medien sind aber auch in vielen Industrienationen in der Krise. In den | |
| USA gibt es keine Unterdrückung der freien Presse, aber für ein paar Wochen | |
| noch einen Präsidenten, [1][der während seiner gesamte Amtszeit gegen | |
| unabhängige Medien Stimmung gemacht hat]. Dazu kommt vielerorts die Krise | |
| des Lokaljournalismus. Könnten das auch „neue Märkte“ für MDIF sein? | |
| Das stimmt, und natürlich sehe ich das kritisch. Aber die USA sind immer | |
| noch kein Land wie die Philippinen oder Weißrussland. Und in Europa, vor | |
| allem in Deutschland, ist die Lage doch noch ziemlich entspannt. | |
| Zurück zu Ihrem alten Arbeitgeber: Der neue BBC-Chef Tim Davie setzt | |
| angesichts massiver Kritik vor allem der Konservativen auf impartiality, | |
| also politische Ausgewogenheit. Ist das der richtige Weg? | |
| Ja, absolut. Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Wenn Menschen zum | |
| Klimawandel, oder zum Coronavirus ganz andere Positionen haben, ist es sehr | |
| schwer, neutral zu bleiben. Aber am Ende wird sich ausgewogener, | |
| faktenbasierter Journalismus durchsetzen. | |
| Aber [2][für Boris Johnson und seine Hardliner ist die BBC doch immer zu | |
| einseitig], egal wie sehr sie sich um Ausgewogenheit bemüht. Aus diesem | |
| Teufelskreis kommt man doch kaum raus. | |
| Natürlich ist das enorm schwierig, und man wird auch nie alle überzeugen | |
| können. | |
| Andere Kanäle wie Fox News scheren sich nicht um Ausgewogenheit und sind | |
| damit sehr erfolgreich. Was halten Sie von den Ambitionen von Fox News, die | |
| ja nach Südamerika, Deutschland und Portugal expandieren wollen? Oder von | |
| den neuen, klar konservativ gelabelten Kanälen, wie sie Rupert Murdoch in | |
| Großbritannien gerade aufbaut? | |
| Fox ist ja kein News-Network. Das ist Unterhaltung, die sich als News | |
| verkleidet. Von daher wird es Sie nicht überraschen, wenn ich das sehr | |
| kritisch sehe. Mich stimmt aber hoffnungsfroh, dass bei den kommerziellen | |
| Nachrichtenanbietern in Großbritannien wie Independent Television News | |
| (ITN) oder Sky News die journalistischen Standards gelten. Und Sky gehört | |
| auch den Murdochs. | |
| 4 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Medien-in-Krisenzeiten/!5725114 | |
| [2] /Boris-Johnson-vs-BBC/!5712042 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| Schwerpunkt Zeitungskrise | |
| öffentlich-rechtliches Fernsehen | |
| BBC | |
| BBC | |
| Kolumne Flimmern und Rauschen | |
| Kolumne Flimmern und Rauschen | |
| US-Wahl 2024 | |
| Kolumne Flimmern und Rauschen | |
| Digitale Medien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| BBC-Reform: Mögliches Krisenopfer | |
| Die öffentlich-rechtliche BBC soll bald nicht mehr aus Gebühren finanziert | |
| werden. Ein Ablenkungsmanöver? | |
| Streit um BBC-Interview mit Diana: Prinzessin im goldenen Käfig | |
| Die Kritik am BBC-Interview mit Prinzessin Diana passt britischen | |
| Konservativen. Der Journalist hat damals aber mehr richtig als falsch | |
| gemacht. | |
| Britisches Fernsehen zum Tod von Philip: Ein Hauch Nordkorea | |
| Nach dem Tod von Prince Philip hat die BBC ihr komplettes Programm | |
| eingefroren, um den Prinzen zu beweinen. Dafür hagelte es Beschwerden. | |
| Medien in Krisenzeiten: Trump, Retter der freien Presse | |
| Medien profitieren von gesellschaftlichen Krisen wie der Coronapandemie | |
| oder Donald Trump. Leider nutzt das den Journalist:innen wenig. | |
| Boris Johnson vs. BBC: Immer draufhauen | |
| Premierminister Johnson disst die BBC mal wieder als weltfremd-linksliberal | |
| abgedriftetes Etwas. Senderchef Davie springt brav über die Stöckchen. | |
| Digitale Geschäftsmodelle: Ein Netflix für Journalismus | |
| Es gibt Netflix, Spotify, aber kein vergleichbares Portal für | |
| Zeitungsartikel. Die Branche sucht verzweifelt nach Modellen. Wo liegt das | |
| Problem? |