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# taz.de -- Expertin über Bundeshaushalt 2021: „Geschlechterpolitische Black…
> Am Freitag soll der Bundeshaushalt beschlossen werden.
> Politikwissenschaftlerin Regina Frey erklärt, ob Frauen dabei genug
> berücksichtigt werden.
Bild: Die Hälfte? Eher nicht: Ein Großteil des Bundeshaushalts fördert indir…
taz: Frau Frey, am Freitag wird der Bundeshaushalt beschlossen. 2021 ist
eine [1][Neuverschuldung von fast 180 Milliarden] Euro geplant. Wie viel
davon kommt Frauen zugute?
Regina Frey: Das ist schwer zu sagen. Eine Analyse, wie der Haushalt
gleichstellungspolitisch wirkt, fehlt bisher. Es gibt aber zumindest
Hinweise darauf, dass das Konjunkturpaket, das einen wesentlichen Teil der
Neuverschuldung ausmacht, keineswegs geschlechtergerecht ist.
Welche Hinweise sind das?
Die Bundesregierung fördert über das Konjunkturpaket viele Bereiche, deren
Beschäftigungseffekte vor allem Männern zugutekommen,
Wasserstofftechnologien zum Beispiel oder die Bauwirtschaft. Also: Die
Baubranche bekommt Aufträge, Arbeitsplätze von Männern werden gesichert
oder ausgebaut. Eine aktuelle Studie der Hochschule Fulda besagt, dass 73
Prozent des Konjunkturpakets auf Branchen und Bereiche entfallen, in denen
mehrheitlich Männer beschäftigt sind. Nur 4,2 Prozent gehen an Branchen und
Bereiche, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten.
Nur einzelne Bereiche des Haushalts wurden also geschlechterpolitisch
analysiert – und das nicht einmal von der Regierung selbst?
Geschlechterpolitisch ist der Haushalt derzeit eine Blackbox. Zudem sind
viele Bereiche, die konkret Frauen betreffen, beispielsweise im
Konjunkturpaket, gar nicht enthalten. Zum Beispiel könnte die bezahlte und
unbezahlte Sorgearbeit durch eine Subventionierung haushaltsnaher
Dienstleistungen immens entlastet werden, das kommt aber nicht vor.
Alleinerziehende wurden zwar entlastet, aber nur mit etwa 0,9 Milliarden
Euro. Allein die Förderung der Wasserstoffstrategie umfasst zehnmal so
viel. Da stellt sich schon die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.
Es gibt einige wenige explizit gleichstellungsorientierte Maßnahmen: die
Gründung einer Gleichstellungsstiftung zum Beispiel. Hat das
geschlechterpolitische Effekte?
Davon ist auszugehen. Aber das sind im Vergleich sehr geringe Summen. In
vermeintlich geschlechtsneutralen Bereichen finden wir nicht selten im
Grunde Männerförderung – das wird nur nicht so benannt. Bei der
[2][Förderung von Elektromobilität] durch Kaufprämien wissen wir: Männer
kaufen häufiger E-Autos und eher im hochpreisigen oder Dienstwagensegment.
Gleichzeitig wäre wichtig, zu schauen, wofür die Gelder ganz konkret
fließen.
Was meinen Sie?
Frauenministerin Franziska Giffey sagte, das Zukunftsprogramm Krankenhäuser
führe zu einer Aufwertung der Arbeit von Pflegekräften. Wenn man sich aber
anschaut, dass die Maßnahmen vor allem bauliche Investitionen betreffen und
die direkten Fördereffekte wiederum in die Baubranche gehen, wird die
Arbeit der Pflegekräfte nur mittelbar aufgewertet. Und einmalige Boni an
Pflegekräfte haben eben keine langfristigen Effekte.
Der Gleichstellungsauftrag ist im Grundgesetz verankert. Wie kann es
überhaupt sein, dass nicht klar ist, welche geschlechterpolitischen
Auswirkungen der Haushalt hat?
Dass die Verteilung öffentlicher Gelder gesellschaftliche Wirkungen
entfaltet und welche das sind, will die Bundesregierung bisher nicht
wirklich wissen. Der Haushalt ist ein Spiegel der politischen
Schwerpunktsetzungen, sie werden in Geld „übersetzt“. Es gibt erste zarte
Ansätze, die Mittelverwendung auf Wirkungen zu analysieren und dabei auch
Geschlecht zu berücksichtigen. Das ist aber noch in den Kinderschuhen.
Was wäre nötig?
Eine systematische Wirkungsanalyse des Haushalts: Alle Ressorts müssten
schauen, welche Maßnahmen welchen sozialen Gruppen nützt, Frauen, Männern,
Älteren, sozial Benachteiligten. Bisher gibt es einige wenige Ressorts, die
das punktuell machen, das Bundesministerium für Arbeit etwa.
Die setzen europäische Fördermittel um, von denen Gleichstellung und
Antidiskriminierung Bestandteil ist. Aber das müsste systematisch unter der
Federführung des Finanzministeriums passieren. Meiner Ansicht nach betrifft
all das zentrale Fragen von Gerechtigkeit und der Zielgenauigkeit
staatlichen Handelns. Länder wie Österreich haben das früher erkannt.
Was macht Österreich besser als Deutschland?
Dort müssen die einzelnen Ressorts Gleichstellung in ihre Wirkungsziele
integrieren. Im internationalen Kontext ist das längst nichts Exotisches
mehr, rund ein Drittel der OECD-Länder setzt eine Form von Gender Budgeting
um. Deutschland hinkt hinterher. Wozu gibt der Staat Geld aus, wie
rechtfertigt er das sachlich? Das sind Fragen, die wir bei jedem Haushalt
stellen müssen.
11 Dec 2020
## LINKS
[1] /Bundeshaushalt-in-der-Coronakrise/!5729463
[2] /Programm-fuer-E-Mobilitaet/!5727310
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Feminismus
Haushaltsdebatte
Geschlechtergerechtigkeit
Gleichstellung
Antifeminismus
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