| # taz.de -- Bundesstiftung für Gleichstellung: Kritik am Konzept | |
| > Jahrelang wurde sie gefordert, nun plant der Bund eine | |
| > Gleichstellungsstiftung. KritikerInnen bemängeln fehlende | |
| > Unabhängigkeit und eine „Männerquote“. | |
| Bild: Als Familienministerin auch für Gleichstellung zuständig: Franziska Gif… | |
| Berlin taz | Seit zehn Jahren wird sie in jedem [1][Gleichstellungsbericht] | |
| gefordert, nun soll sie kommen: Die Bundesstiftung Gleichstellung. Sie soll | |
| „bei der Entwicklung von Lösungsansätzen und deren Umsetzung“ im Bereich | |
| Gleichstellung helfen, Forschungslücken identifizieren, Forschungsaufträge | |
| vergeben sowie innovative Maßnahmen zur Verwirklichung von Gleichstellung | |
| entwickeln, wie es im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen heißt. | |
| Doch vor der geplanten Abstimmung im Bundestag über die Einrichtung der | |
| Stiftung am Donnerstag gibt es Kritik am Entwurf. Zwar begrüßen der | |
| Deutsche Juristinnenbund, Wissenschaftlerinnen mehrerer Hochschulen und | |
| Expert:innen die Pläne, das Institut mit Mitteln von 3,2 Millionen Euro | |
| in diesem Jahr und rund 5,2 Millionen ab 2022 endlich auf den Weg zu | |
| bringen. | |
| Die konkrete Ausgestaltung allerdings stößt auf „erhebliche Bedenken“, | |
| schreibt etwa der Juristinnenbund in einer Stellungnahme für eine Anhörung | |
| im Frauenausschuss, der am Montag dieser Woche stattgefunden hat. Diese | |
| betreffen vor allem die Möglichkeit der Stiftung, fachlich und politisch | |
| unabhängig zu arbeiten, die geplante quotierte Besetzung von Männern in | |
| Stiftungsgremien und die Finanzierung. | |
| ## Zivilgesellschaft fehlt | |
| Die zentralen Aufgaben der Stiftung sollen vor allem durch den Stiftungsrat | |
| bestimmt werden, der ausschließlich aus Mitgliedern des Bundestags und der | |
| Familienministerin bestehen soll. Zivilgesellschaftliche Organisationen | |
| sollen nur beratend im Beirat vertreten sein. Dergestalt aber, schreibt der | |
| Juristinnenbund, sei die Stiftung „nicht geeignet, eine von politischen | |
| Mehrheiten unabhängige und an fachlichen Kriterien orientierte Förderung | |
| der Gleichstellung von Frauen und Männern“ zu sichern. | |
| Auch Barbara Stiegler, Mitglied im Expertinnennetzwerk „Gender | |
| Mainstreaming Experts International“, befürchtet, dass die Arbeit der | |
| Stiftung „sehr stark von den politischen Kräfteverhältnissen im deutschen | |
| Bundestag geprägt sein wird.“ Der „starke Arm der Politik“ sei | |
| unübersehbar. | |
| Zudem verstoßen die Vorgaben zur paritätischen Besetzung der | |
| Stiftungsgremien laut Juristinnenbund gegen Artikel 3 des Grundgesetzes – | |
| sie führten zu einer „ungerechtfertigten Männerquote“. Gezielte Förderung | |
| sei dann erlaubt, wenn es um den Ausgleich struktureller Nachteile gehe. | |
| ## Jenseits von Mann und Frau | |
| Dass sich im Themenbereich Gleichstellung vor allem Frauen qualifiziert | |
| hätten, mit denen die Gremien dann also auch besetzt würden, habe jedoch | |
| nichts mit der strukturellen Benachteiligung von Männern zu tun. Zudem | |
| müssten bei der Besetzung Menschen berücksichtigt werden, die sich nicht | |
| als Frau oder Mann verstünden. | |
| Auch was die geplante Finanzierung angeht, gibt es Kritik. Mindestens Teile | |
| der Mittel für die Bundesstiftung sollen offenbar über den Haushalt des | |
| Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend abgewickelt | |
| werden. „Keinesfalls“ aber, so Barbara Stiegler, dürften die „relativ | |
| wenigen Mittel für Gleichstellung“ des BMFSFJ umgewidmet werden. Der | |
| Stiftung solle eine jährliche Mindestzuweisung über 7 Millionen Euro | |
| zugesichert werden, zudem solle ermöglicht werden, dass nicht ausgeschöpfte | |
| Mittel ins Stiftungsvermögen fließen können. | |
| Die frauenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Bundestag, Ulle | |
| Schauws, forderte, die Stiftung müsse sowohl politisch wie institutionell | |
| unabhängig arbeiten können und brauche einen intersektionalen Ansatz. | |
| „Wissenschaft und Zivilgesellschaft müssen Teil des Gremiums sein“, sagte | |
| sie. Zudem gehe Gleichstellung auch Männer an – Quoten aber dürfe es nur | |
| bei struktureller Benachteiligung geben, und das sei bei Männern nicht der | |
| Fall. | |
| ## Kritik von rechts | |
| Auch aus rechtskonservativen Kreisen kommt indes Kritik an der | |
| Bundesstiftung. Als eine der ersten, der der Gesetzentwurf der Fraktionen | |
| offenbar vorlag, als dieser noch gar nicht veröffentlicht war, behauptete | |
| etwa die Publizistin Birgit Kelle im „Focus“, die „ominöse“ Stiftung s… | |
| „feministische Lobbygruppen mit Macht und Geld“ versorgen. Die | |
| CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel schrieb auf „Tichys Einblick“, die | |
| Stiftung sei „teuer, ideologisch und unnötig“. Mit ihr gebe der Bundestag | |
| Kompetenz „an eine linksgrüne Vorfeldorganisation“. | |
| Die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs sind bereits für Donnerstag | |
| [2][angesetzt]. „Wie dieser Gesetzentwurf nun durchgepeitscht werden soll, | |
| macht den mangelnden Respekt gegenüber parlamentarischen Verfahren und der | |
| Expertise der Sachverständigen bei der Anhörung im Frauenausschuss sehr | |
| deutlich“, sagte Ulle Schauws. | |
| Drei Tage nach der Fachanhörung das Gesetz abzuschließen, sei kein seriöses | |
| Verfahren. Dass es der Bundesregierung mit der Berücksichtigung von | |
| Gleichstellungsexpertise ernst ist, sei nicht zu erkennen. | |
| 14 Apr 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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