# taz.de -- Ausblick aufs Wahljahr: Grün-Rot-Rot oder Friedrich Merz? | |
> Die Lieblingskoalition der Linkssozialdemokraten oder das | |
> Lieblingsschreckgespenst von Linksliberalen: Was wäre 2021 schlimmer? | |
Bild: Die Lagerwahlkampfsimulation in Person: Friedrich Merz | |
Liberalkonservative bei der FAZ und der Welt haben bereits angefangen, die | |
Gefahr einer grün-rot-roten Koalition nach der Bundestagswahl 2021 zu | |
beschwören, die angeblich nur das Schlimmste für dieses Land will. Aus | |
ihrer Sicht also Deindustrialisierung und Gendersternchen. | |
Nun wissen auch diese Kollegen ziemlich genau, dass die Gefahr nicht | |
besteht. Warum tun sie das dann? Weil sie seit 70 Jahren vor Kommunismus | |
und Staatsdirigismus warnen und ihnen offenbar auch nach 1989 nichts | |
Besseres einfällt. Und weil sie denken, sie könnten Opa und Oma Angst | |
machen, wenn sie die Grünen aus der Mitte nach links schieben, sodass die | |
ihr Kreuz doch wieder bei der Union machen. | |
Das Lieblingsschreckgespenst von Linksliberalen ist derweil [1][Friedrich | |
Merz]. Das ist ein liberaldemokratischer Politiker des letzten | |
Jahrhunderts. Er löst bei einigen Oldschool-Linken Angstgeilheit aus. | |
Heißt: Man fürchtet, dass er CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat werden | |
könnte – und ist gleichzeitig geil darauf. | |
Denn dann könnte man ebenfalls unter Annahme des Schlimmsten | |
Emotionalisierungs- und Polarisierungjournalismus oder -wahlkampf | |
betreiben, die Union aus der Mitte nach rechts schieben und damit Opa und | |
Oma auf dem Sofa Angst einjagen, dass sie womöglich sogar noch mal SPD | |
wählen. | |
Ich halte so eine simplizistische und nationalkulturell gedachte | |
Lagerwahlkampfsimulation nicht für zielführend. Von der Pandemie hier mal | |
ganz abgesehen: Worum geht es? Es geht darum, dass die Bundesrepublik an | |
führender Stelle in der EU die zentralen Dinge angeht: Klimapolitik, | |
Geopolitik, Digitalpolitik, den Westen neu begründen, mit ausbalanciertem | |
Verhältnis zu den USA und zu China. | |
Es geht darum, die liberale Demokratie durch politische und wirtschaftliche | |
Erfolge weiter durchzusetzen. Das geht nicht mit moralischen Abwertungen | |
und Ausgrenzungen, sondern nur mit großen und diversen Bündnissen. Man muss | |
es nicht gut finden, aber anerkennen, dass nach wie vor die meisten Leute | |
von der Union regiert werden wollen. | |
Selbstverständlich ist [2][Rot-Rot-Grün] für Linkssozialdemokraten die | |
sozialpolitische Sehnsuchtsfolie. | |
Aber die beiden sozialdemokratischen Schwestern sind ratlose, zerstrittene, | |
mit sich selbst beschäftigte Organismen. Die SPD bereite, wie der | |
langjährige Bundesaußenminister Fischer gerade sagte, „außen- und | |
sicherheitspolitisch die Opposition vor“. Das ist die [3][Anti-Olaf-SPD]. | |
Gleichzeitig werkelt die SPD als Olaf-Partei an der Fortsetzung ihrer | |
Juniorplanstelle in der Union-Bundesregierung. | |
Wie diese müde und schizophrene Olaf- und Anti-Olaf-Partei nach der Wahl | |
plötzlich ein kompliziertes rot-rot-grünes Bündnis führen und | |
globalpolitisch kraftvoll gestalten sollte? Die Linkspartei wiederum ist | |
als Protestpartei von der AfD abgelöst, basiert aber im Wesentlichen immer | |
noch auf der Idee, dass alle anderen scheiße seien, vor allem SPD und | |
Grüne. | |
Dieser Ansatz ist ideal, wenn es um die gemütliche Distanzierung von | |
Gesellschaft, Staat und Verantwortung geht. Ältere Grüne wissen das auch | |
noch. Er ist tödlich, seit die Rechtspopulisten ihn auch bearbeiten und die | |
Problemlage eine ganz andere ist. | |
Und dennoch: Wenn Annalena Baerbock und Robert Habeck es ernst meinen, | |
haben die Grünen die Verpflichtung, das Kanzleramt und damit das Zentrum | |
der künftigen Politik zu besetzen, wenn das von den Leuten in den Bereich | |
des Möglichen gerückt wird. Das hieße, mit FDP und SPD oder SPD und | |
Linkspartei etwas hinzukriegen. Es entspricht der neuen Lage, dass das kaum | |
hinhauen kann und trotzdem gehen können muss. | |
3 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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