Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ende von US-Räumungsmoratorium: Mieterangst in New York City
> Am 31. Dezember endet in den USA ein Moratorium. Es schützt bislang die
> Menschen, die wegen der Pandemie ihre Miete nicht zahlen können.
Bild: New York, Stadt der MieterInnen, nicht nur der Wolkenkratzer
New York taz | Eine der wenigen positiven Nebenwirkungen der Pandemie ist,
dass die plötzliche Anhäufung von Möbeln, Spielsachen und Küchengerät auf
einem Bürgersteig in den letzten Monaten in den USA rar geworden ist.
Hinter der Szene steckt immer eine Katastrophe: Menschen, die ihre Miete
nicht gezahlt haben, werden im Auftrag eines Vermieters mit ihrem Hab und
Gut auf die Straße gesetzt.
Für viele beginnt damit der Abstieg in die Obdachlosigkeit. Wer keine
Angehörigen mit Besuchersofa hat, „wohnt“ anschließend in einem
Billig-Motel am Highway, auf einem Campingplatz, auf dem Rücksitz eines
Autos oder gleich auf der Straße.
Als im Frühjahr dieses Jahres über Nacht zig Millionen Menschen arbeitslos
wurden, verfügten einzelne Bundesstaaten vorübergehende Räumungsstopps. Im
Spätsommer machte die Gesundheitsbehörde CDC daraus ein bundesweites
Räumungsmoratorium. Sie begründete es medizinisch: In einer Pandemie ist
Obdachlosigkeit ein Gesundheitsrisiko.
In New York, einer der Städte mit den höchsten Mieten des Landes, tauchten
schon im Frühling Transparente mit der Aufschrift auf: „Cancel the Rent“ �…
streicht die Miete! Aber der Gouverneur des Bundesstaates dachte gar nicht
daran, der Aufforderung zu folgen. Der Demokrat Andrew Cuomo entschied
zwar, dass vorübergehend niemand, der wegen Covid-19 seine Miete nicht
zahlen kann, geräumt wird. Doch [1][für die Mietzahlungen verfügte er
lediglich einen Aufschub].
## New Yorks Vermieter sind effiziente Lobbyisten
Als Resultat sitzen jetzt Hunderttausende von New Yorkern auf Mietschulden,
die sie selbst dann nicht zurückzahlen könnten, wenn sie ihre schlecht
bezahlten alten Jobs zurückbekämen. Ihre durchschnittlichen Mietrückstände
betragen über 5.000 Dollar.
Am 31. Dezember läuft das Moratorium aus. Mitten im Winter und auf dem
Höhepunkt der tödlichsten Welle der Pandemie droht dann bis zu 30 Millionen
Menschen in den USA die Straße. In New York haben Tausende Vermieter schon
die zurückliegenden Monate genutzt, um Räumungsklagen anzustrengen. Jetzt
warten sie nur noch darauf, zur Tat schreiten zu dürfen.
Vermieter in New York – zu denen auch Donald Trump und sein Schwiegersohn
gehören – sind eine effiziente Lobby, die Druck machen kann, wenn ihre
Interessen berührt sind. Als das Parlament in Albany in diesem Monat
beginnt, eine Verlängerung des Räumungsmoratoriums für den Bundesstaat zu
diskutieren, werden umgehend die Vermieter vorstellig.
In der zurückliegenden Woche ist die Reihe an den Verbänden der „kleinen“
New Yorker Vermieter. „Der Wohnungsmarkt von New York steht vor einer
Katastrophe“, drohen sie, „wenn wir keine Mieteinnahmen haben, können wir
unsere Steuern nicht mehr zahlen. Dann übernehmen die
Immobilienspekulanten.“
## Entscheidend: Die 20 Tage vor Bidens Amtseinführung
Eine der wenigen anderen positiven Nebenwirkungen der Pandemie ist, dass
die Mieten in New York erstmals seit sehr langer Zeit gesunken sind. Von
einer Stadt, in der die Vermieter das Sagen haben, ist New York in diesem
Jahr eine „Mieterstadt“ geworden, in der das Angebot größer ist als die
Nachfrage nach Wohnungen. Weil Hunderttausende wegen der Pandemie die Stadt
verlassen haben, steht Wohnraum leer.
Als ich diese Konjunktur nutzen will, um in eine Wohnung umzuziehen, die 20
Prozent weniger Miete kostet, stellt mir meine Vermieterin ein Beinchen.
„Du kannst ausziehen“, sagte sie, „aber deine Miete musst du bis zum Abla…
des Vertrags weiterzahlen.“ Die Mietervereine, bei denen ich Rat suchte,
sind mit Räumungsklagen beschäftigt. Ich bleibe. Und ich hoffe darauf, dass
New York immer noch eine „Mieterstadt“ ist, wenn mein Vertrag abläuft.
In einem Land fast ohne Mietrecht ist es nicht einfach, gegen Vermieter zu
gewinnen. Während der Pandemie haben einige von ihnen gegen das
Räumungsmoratorium des CDC geklagt. Es sei verfassungswidrig. An mehreren
Orten des Landes entscheiden Richter zu ihren Gunsten. Auch in New York
gibt es deswegen seit November schon wieder vereinzelt Räumungen.
Die Mieterverbände halten die 20 Tage zwischen Jahresende und dem
Amtsantritt des neuen Präsidenten für die gefährlichsten. Ihre Hoffnung
ist, dass [2][Joe Biden] bei seinem Amtsantritt ein neues Bundesmoratorium
gegen Räumungen verfügt.
19 Dec 2020
## LINKS
[1] /Mieterschutz-in-New-York/!5699771
[2] /Joe-Biden-als-US-Praesident/!5723555
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Schwerpunkt Coronavirus
USA
New York
Zwangsräumung
Kapitalismus
USA
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt Coronavirus
US-Wahl 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Brand in New Yorker Mietskaserne: Mieter in der Feuerfalle
Bei einem Feuer in der Bronx, dem ämsten Stadtteil New Yorks, kommen
mindestens 19 Menschen ums Leben. Viele lebten auf engstem Raum.
Trump begnadigt Unterstützer und Söldner: Massaker, na und?
US-Präsident Trump hat innerhalb von zwei Tagen fast 50 Menschen begnadigt
oder ihre Strafe umgewandelt. Neben Geschäftspartnern und Freunden auch
vier Söldner.
Dekret während Corona in Spanien: Niemand wird auf die Straße gesetzt
Zahlungsunfähigen darf in der Pandemie nicht die Grundversorgung gekappt
werden. Auch vor Verlust der Wohnung gibt es besonderen Schutz.
Mieterschutz in New York: Wenn zum Wohnen nichts mehr bleibt
Ein Viertel zahlt nicht mehr die volle Miete. Bislang waren die New
YorkerInnen in ihren Wohnungen trotzdem halbwegs geschützt. Das ändert sich
bald.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.