| # taz.de -- Klinikchef zur Lage der Krankenhäuser: „Das sind dramatische Zah… | |
| > Vielen Krankenhäusern droht 2021 die Zahlungsunfähigkeit, sagt der | |
| > Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Es brauche Geld vom | |
| > Staat. | |
| Bild: Zum täglichen Behandlungsmarathon auf den Stationen kommen jetzt noch fi… | |
| taz: Herr Gaß, wie steht es denn aktuell um die deutschen Krankenhäuser? | |
| Gerald Gaß: Gar nicht gut. Es fehlt an Liquidität, die Krankenhäuser haben | |
| massive wirtschaftliche Probleme. Wenn wir jetzt nichts tun, müssen wir | |
| davon ausgehen, dass es bereits im ersten Quartal 2021 eine Vielzahl von | |
| Krankenhäusern geben wird, die die Gehälter ihrer Mitarbeiter nicht mehr | |
| bezahlen können. Diese Sorge kommt jetzt zu den tagtäglichen | |
| Herausforderungen in den Kliniken noch dazu und wir brauchen jetzt ein | |
| Signal vom Bundesgesundheitsminister, wie er sich die Finanzierung für | |
| Januar, Februar, März und darüber hinaus vorstellt. | |
| Laut dem gerade vorgestellten [1][Krankenhausbarometer] des Deutschen | |
| Krankenhausinstituts gehen 70 Prozent der großen Krankenhäuser davon aus, | |
| dass sie 2020 rote Zahlen schreiben. | |
| Das sind schon dramatische Zahlen, aber die Befragung des | |
| Krankenhausbarometers ist aus den Monaten Juli und August. Da konnten wir | |
| noch gar nicht damit rechnen, wie heftig die zweite Welle wird. Diese | |
| Prognose dürfte sich noch einmal deutlich verschlechtert haben. | |
| Was sind die Gründe für die wirtschaftliche Schieflage? | |
| Das Problem ist, dass das reguläre Finanzierungssystem der Krankenhäuser | |
| faktisch außer Kraft gesetzt wurde. Normalerweise speist sich die | |
| Finanzierung aus jeder einzelnen Behandlung, es gibt keinerlei Grundbudget. | |
| Nur wenn ich Patienten behandle, kann ich Rechnungen an Krankenkassen | |
| schreiben. | |
| In den vergangenen Jahren hatten wir zumindest was diese Fallzahlen | |
| betrifft, eine recht stabile Situation. Das ist aber durch die Pandemie im | |
| Jahr 2020 und perspektivisch auch noch 2021 nicht der Fall. Wir haben | |
| aktuell kein einziges Krankenhaus mehr, dass auch nur annähernd seine | |
| Fallzahlen aus der Zeit vor der Pandemie erreicht. | |
| Anstelle der sonstigen Behandlungen gibt es doch aber nun die | |
| Covidpatienten. | |
| Es ist aber nicht so, dass deren Behandlung besonders hoch vergütet wird. | |
| Wir haben da ja noch gar keine richtige Finanzierungsgrundlage. Neue | |
| Behandlungsformen müssen erst durchkalkuliert werden, da werden wir | |
| frühestens Ende 2021 eine entsprechende Fallpauschale haben. Covidpatienten | |
| sind sehr behandlungsintensiv. Das führt dazu, dass Personal | |
| zusammengezogen und die Regelversorgung eingeschränkt werden muss. | |
| Außerdem fallen immer mehr Mitarbeiter selbst durch Erkrankung oder | |
| Quarantäne aus. Und drittens haben wir den Effekt, dass aus dem | |
| niedergelassenen Bereich kaum noch Patienten für planbare Behandlungen und | |
| Operationen eingewiesen werden. | |
| Für diese Ausfälle hat das Bundesgesundheitsministerium einen | |
| Rettungsschirm gespannt. | |
| Zunächst hat der auch funktioniert. Die Bundesländer konnten die | |
| Krankenhäuser melden, die unter diesen Rettungsschirm fallen sollen und | |
| diese haben dann sogenannte Freihaltepauschalen für wegfallende Patienten | |
| in der Regelversorgung erhalten. Ende September lief dieser Rettungsschirm | |
| aber aus und es gab zunächst keine Anschlussregelung. | |
| Dabei ging die dramatische Situation für die Krankenhäuser dann erst los. | |
| So ist es. Erst seit Mitte November gibt es überhaupt einen neuen | |
| Rettungsschirm. Danach erhalten aber nur noch 25 Prozent aller Kliniken | |
| Ausgleichszahlungen. Und die betragen auch nur noch 90 Prozent der | |
| Freihaltepauschalen vom Sommer. | |
| Woran sind die Hilfen jetzt gekoppelt? | |
| Zum einen bekommen nur noch Schwerpunkt- und Maximalversorger die | |
| Ausgleichzahlungen, obwohl rund die Hälfte der Covidpatienten in Kliniken | |
| ohne diese Versorgungsstufen behandelt werden. Außerdem ist die Auszahlung | |
| an die Auslastung der Intensivbetten und die Inzidenz im Landkreis | |
| gekoppelt. Die erforderliche Inzidenz von 200 haben wir aber im Moment – | |
| Stand Dienstag – nur bei 18 Prozent der Landkreise. | |
| Der Bundesgesundheitsminister will den Kliniken 2021 mit [2][3 Milliarden | |
| Euro] unter die Arme greifen – so viel wie noch nie. Nützt das nichts? | |
| Das ist ein Investitionsprogramm, aus dem keine laufenden Kosten wie Löhne | |
| und Gehälter bezahlt werden können, sondern ausschließlich Investitionen | |
| vor allem in die Digitalisierung finanziert werden sollen. | |
| Was genau müsste Ihrer Ansicht nach passieren? | |
| Die Bundesländer haben den Gesundheitsminister bereits aufgefordert, den | |
| Rettungsschirm noch einmal deutlich nachzubessern. Aber da ist bisher noch | |
| nichts passiert. Wir fordern statt der Freihaltepauschalen monatliche | |
| Liquiditätshilfen für die Krankenhäuser, die sich daran orientieren, was | |
| die Krankenhäuser 2019 an Budget hatten. | |
| Das wird sicherlich nicht zu hoch sein, aber dafür sorgen, dass die | |
| Krankenhäuser ihre Gehälter bezahlen können. Dann kann man Ende 2021 immer | |
| noch in den einzelnen Krankenhäusern einen genauen Jahresabschluss machen. | |
| Könnte man nicht auch nach Bedarf nur den Krankenhäusern helfen, die jetzt | |
| tatsächlich in die Zahlungsunfähigkeit rutschen… | |
| Das Problem dabei ist, dass man dann für jeden einzelnen Fall eine | |
| individuelle Regelung finden muss. Und dann ist die Frage, wer einspringt: | |
| Der Bund, das Land, die Krankenkassen, die Stadt oder der Landkreis. Ich | |
| finde, das ist angesichts einer deutschlandweiten Pandemie mit | |
| flächendeckenden Auswirkungen kein angemessenes Vorgehen. | |
| Eines muss noch gesagt werden: Die wirtschaftliche Misere vieler | |
| Krankenhäuser ist immer wieder ein Thema. Gibt es diesen Negativtrend nicht | |
| bereits seit Jahren? | |
| Das stimmt und es gab auch vor der Pandemie jedes Jahr Krankenhäuser, die | |
| in die Insolvenz gerutscht sind. Aber 2020 und 2021 sind da noch einmal | |
| absolute Ausnahmejahre, weil die ganze Finanzierungslogik des | |
| Krankenhaussystems außer Kraft gesetzt wird. Diese Ausnahmejahre brauchen | |
| jetzt eine Ausnahmefinanzierung. Wenn wir das hinter uns haben, müssen wir | |
| überlegen, wie wir die Regelfinanzierung krisenfester gestalten. | |
| 30 Dec 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dki.de/sites/default/files/2020-12/Krankenhaus%20Barometer%2020… | |
| [2] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/… | |
| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
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