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# taz.de -- taz-Berlin Adventskalender 21: Onkel Nidals Gambit
> 1.500 Jahre alt und immer noch fies: Spätestens seit der Netflix-Serie
> The Queen's Gambit erlebt das gute alte Schach einen Boom.
Bild: Das Pferd kann im Schach sogar eine Gabel benutzen
Onkel Nidal konnte zaubern. Egal, was ich machte, mein entfernter Onkel
hatte auf alles am Schachbrett eine Antwort. Ich war vielleicht zehn Jahre
alt, und normalerweise besiegte ich meinen zweieinhalb Jahre jüngeren
Bruder locker. Doch dann kam Onkel Nidal in den Raum, sah, dass irgendwo
Schach gespielt wurde, und flüsterte meinem kleinen Bruder nach einem
kurzen Blick mit einem Grinsen etwas ins Ohr. Zwei Züge später war ich
meine Dame los, dann ging Nidal eine rauchen.
Keine Ahnung, wie die Partie damals ausgegangen ist. Aber ich kann mich
genau an diesen Moment erinnern, als ich das erste Mal in eine sogenannte
Gabel, einen fiesen Doppelangriff, gelaufen bin. So nennt sich ein
wunderschöner Schachzug, bei dem das Pferd bzw. der Springer so zieht, dass
er gleichzeitig den König ins Schach setzt und die Dame bedroht. Ich musste
zähneknirschend und ein bisschen verzweifelt meinen König aus dem Schach
ziehen und die Dame war futsch. Ich hatte damals nicht die geringste
Ahnung, wie es dazu kommen konnte.
Seitdem sind 25 Jahre vergangen, und Schach habe ich seitdem nur ein paar
Mal gespielt. Heute weiß ich, dass Nidal zwar sehr gut im Schach ist, aber
dass es zumindest kein Hexenwerk war: Viele Grundzüge, Taktiken und Tricks
sind gar nicht so schwer, wie man sich das vorstellt. Und das gilt nicht
nur für das [1][Vier-Züge-Schäfermatt], das man in drei Minuten
durchdringen und dann damit vor Kindern angeben kann – wie mein Onkel
Nidal.
Spätestens seit der Netflix-Serie „The Queen’s Gambit“ gibt es einen
[2][Schachboom]. Das 1.500 Jahre alte Spiel durchläuft gerade bestimmt
nicht seine erste Renaissance, und mit [3][Online-Tutorials] und
Youtube-Videos kann man die Grundbegriffe in kurzer Zeit lernen. Überhaupt:
Onlineschach. Warum hat mir keiner davon erzählt, dass es die gratis
[4][Open-Source-Seite Lichess] gibt, bei der man seine Partien umsonst von
einem Schachcomputer analysieren lassen kann?
## Eric Rosen schlägt Magnus Carlsen beim Tee
Und mit der Wiederentdeckung von Schach kam bei mir ein weiteres Guilty
Pleasure hinzu: Es gibt kaum etwas Beruhigenderes als die Schachpartien vom
[5][Internationalen Meister Eric Rosen], der seine Blitzschach-Partien live
ins Internet streamt und seinem stetig wachsenden Publikum erklärt, was er
da gerade warum macht.
Dort hat er bei einem Blitzturnier auch zufällig mal den anonym
angetretenen [6][Schachweltmeister Magnus Carlsen besiegt], ohne dass er
wusste, dass er gegen ihn spielt. Youtube-Gold. Und Schach ist auf einmal
so einfach und logisch, wenn Rosen mit ruhiger Stimme und Tee trinkend
erklärt, wie er die sizilianische Verteidigung spielt oder warum er so
gerne mit dem Londoner System eröffnet.
Nach zwei Wochen Training habe ich dann meinen Bruder mal wieder
herausgefordert. Ich dachte, dass Eric Rosen, ich und die
10-Minuten-Blitzschachuhr ihn locker fertigmachen würden. Tja, falsch
gedacht. Er besiegte mich mit 4 zu 2 Partien. Onkel Nidal wäre stolz
gewesen.
Erforderlich: Schachbrett oder Internet
Zielgruppe: Geduldige
Wer das spielt, spielt auch: Senet, Go, das königliche Spiel von Ur
21 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.chess.com/de/article/view/schafermatt-matt-in-4-zugen
[2] https://www.spiegel.de/sport/schach-boom-auf-twitch-und-youtube-wie-ein-150…
[3] https://www.chess.com/de/lessons
[4] https://lichess.org/
[5] https://www.youtube.com/channel/UCXy10-NEFGxQ3b4NVrzHw1Q
[6] https://www.youtube.com/watch?v=WB-CP4OyJ8I
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Schach
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