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# taz.de -- Neue Musik aus Berlin: An der Grenze von Ton und Geräusch
> Klangforschung: Die Komponistin Clara Iannotta präsentiert auf ihrem
> neuen Album „Earthing“ Musik für Streicher mit elektronischen Zusätzen.
Bild: Lässt fremde Welten entstehen: Clara Iannotta
Wenn man über die Berliner Komponistin Clara Iannotta sagt, sie schreibe
Streichquartette, steht zu fürchten, auf Anhieb einen Teil der Leser zu
verlieren. Mit dem Wort verbindet sich halt gern die Vorstellung von
gediegenem „Hochkultur“-Programm. Um diese Vorurteile zu zerstreuen,
empfiehlt sich aber gerade Iannottas aktuelle CD „Earthing“, die ihr
komplettes bisheriges Werk für Streichquartett bietet, gespielt vom Jack
Quartet.
Clara Iannotta war im Januar, als Konzerte noch etwas ganz
Selbstverständliches waren, zu Gast beim Festival Ultraschall Berlin. Dort
führte das Jack Quartet im Heimathafen Neukölln exakt das Programm dieser
CD auf. Zu hören ist Musik für Streicher, meistens ergänzt um elektronische
Klänge. Überhaupt beschäftigt sich Iannotta in ihren Quartetten vor allem
mit Klängen, erforscht die Tiefen des Obertonspektrums der Instrumente,
arbeitet sehr präzise entlang der Grenze von Ton und Geräusch.
Das wirkt oft flüchtig und zerbrechlich, zugleich so sehr mit Spannung
aufgeladen, dass die Klänge mitunter zu zersplittern scheinen. In ihrem
frühesten Streichquartett „A Failed Entertainment“ von 2013, dem einzigen
ohne elektronische Zusätze, ist diese akustische Forschungshaltung schon
deutlich ausgeprägt.
Mit erstaunlichen Resultaten: Oft meint man etwas anderes als herkömmliche
Streichinstrumente zu hören. Hölzerne Schläge, singende Töne wie von einer
Glasharmonika, dazu allerlei Gurgeln, Schmirgeln und Klingeln. Gut,
Iannotta präpariert die Streicher schon mal mit Objekten, wie einst John
Cage bei seinem „prepared piano“, was beim Erweitern des Klangspektrums
definitiv hilft.
Iannotta, 1983 in Rom geboren, gehört zur jüngeren Generation von
Gegenwartskomponisten. Nach ihrem Kompositionsstudium in Mailand zog sie
2010 nach Paris, wo sie unter anderem Kurse am auf elektroakustische Musik
spezialisierten Institut Ircam belegte. 2013 kam sie als Daad-Stipendiatin
nach Berlin, 2018 gewann sie schließlich den Komponistenpreis der Ernst von
Siemens Musikstiftung.
Unterwasserwelten oder auch Insekten waren es, an denen sich Iannotta beim
Komponieren orientierte. Fremde Welten sind es allemal, die sie entstehen
lässt. Langweilig sind sie an keiner Stelle.
15 Dec 2020
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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