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# taz.de -- Vergessener Horrorautor Arthur Machen: Schrecken vor ruhiger Landsc…
> Vielen gilt er als Vater der modernen Horrorgeschichte, hierzulande
> jedoch blieb er Geheimtipp. Eine Werkausgabe zu Arthur Machen soll das
> ändern.
Bild: Der walisische Schriftsteller Arthur Machen war literarischer Exzentriker…
Während des Ersten Weltkriegs kommt es in Großbritannien zu einer Reihe von
seltsamen Todesfällen. Die Opfer sind zum Teil grausam verstümmelt, andere
scheinen erstickt zu sein oder stürzten aus unerklärlichen Gründen von
Steilküsten herunter. Schon bald macht die Verschwörungstheorie die Runde,
die Deutschen hätten heimlich ein unterirdisches Tunnelsystem angelegt, wie
schon in Frankreich geschehen, und führten von diesem Hinterhalt Schläge
gegen Zivilisten aus, als Teil der psychologischen Kriegsführung.
Der erstmals 1917 erschienene Roman „Der Schrecken“ des walisischen
Schriftstellers Arthur Machen beginnt zunächst wie eine Polemik gegen die
Einschränkung der Pressefreiheit zu Kriegszeiten. Denn die geschilderten
ominösen Vorkommnisse werden in den Zeitungen nicht erwähnt. Sofern
Einzelne es ausnahmsweise doch tun, gehen sie kurz darauf sang- und
klanglos ein.
Das alles berichtet Dyson, ein Erzähler, der sich aus dem Geschehen
heraushält, manchmal aber, bevorzugt mit einem Arzt, Gespräche führt, um,
stets mit der gebotenen britischen Nüchternheit, nach Erklärungen für die
Vorgänge zu suchen. An Deutsche unter Tage auf dem Territorium Englands
glauben beide nicht.
Ihre Konversationen erinnern dabei ein wenig an die dialogische
Ermittlungsarbeit, wie sie der Detektiv Sherlock Holmes und sein Freund Dr.
Watson führen. Die Auflösung dieser Schreckensserie ist dann einerseits
prosaischer als die Hirngespinste der Verschwörungstheoretiker,
andererseits weit verstörender, weil die Motive für die Todesfälle
ungeklärt bleiben.
Arthur Machen genießt im englischen Sprachraum den Ruf des Vaters der
modernen Horrorgeschichte. Dort wurde er allerdings, obwohl sich Autoren
wie [1][H. P. Lovecraft], [2][Stephen King] oder Jorge Luis Borges auf ihn
beriefen, wiederholt gern vergessen. Im deutschsprachigen Raum ist er über
den Rang eines Geheimtipps nie groß hinausgekommen.
Die derzeit im Elfenbein Verlag erscheinende Werkausgabe, übersetzt von
Joachim Kalka, unternimmt den Versuch, Machen hierzulande endlich
vertrauter zu machen. Vier der insgesamt sechs geplanten Bände sind bisher
erschienen.
## Plastische Detailgenauigkeit
Bei Machen herrscht ein kühl distanzierter Ton vor, der mit plastischer
Detailgenauigkeit einhergeht. So beginnt sein Roman „Die drei Häscher“ mit
der akribischen Darstellung der Fassade eines verlassenen und verfallenen
Hauses am Rande Londons. Die Rahmenhandlung begleitet denn auch die Herren
Dyson und Phillips, zwei vorbildlich dem Müßiggang frönende Flaneure, auf
ihren Streifzügen durch die Stadt.
Nach und nach begegnen sie den drei im Titel genannten Häschern – oder
Betrügern, wie die wörtliche Übersetzung des Originaltitels „The Three
Impostors“ lautet –, die ihnen Schauergeschichten auftischen. In vielen
dieser Geschichten, wie in den Texten Machens insgesamt, nimmt die
anschauliche Landschaftsbeschreibung einen wichtigen Platz ein, am liebsten
wählt er die raue und wilde Natur von Wales als Sujet.
So auch in „Der geheime Glanz“, einem eigentümlichen Entwicklungsroman
inklusive einer boshaften Abrechnung mit dem englischen Bildungssystem der
Public Schools. Von deren rigiden Methoden angewidert, beginnt der
Protagonist Ambrose Meyrick sich zum Exzentriker zu entwickeln, der sich in
die mystischen Welten eines „Graals“ flüchtet, wo er seine Freiheit von den
engstirnigen und sadistischen Lehrern sucht. Ätzende realistische Satire
steht hier direkt neben entrückt-fantastischen Passagen über die inneren
Erfahrungen Meyricks.
## Britische Tradition der Exzentriker
Machen selbst, der sich durchaus für Mystik interessierte, war einige Zeit
Mitglied der magischen Gesellschaft Hermetic Order of the Golden Dawn, zu
der auch William Butler Yeats und Aleister Crowley gehörten. Anscheinend
hat er sich von der okkulten Vereinigung jedoch nicht allzu sehr
beeinflussen lassen, wie Joachim Kalka im Nachwort zu dem Roman schreibt:
Machens „magisches Interesse war subjektiv-innerlich, es widersetzte sich
der Verallgemeinerung durch ritualistische Vorschriften“.
Eher scheint Machen einfach der britischen Tradition der Exzentriker
zuzurechnen zu sein. So wie diese sich von der Mehrheitsgesellschaft
unterscheidet, grenzt sich Machens Schreiben von der vorherrschenden
Realität ab und erweitert sie ins Fantastische.
Manchmal mit großem Erfolg: Seine 1914 in den Evening News veröffentlichte
Kurzgeschichte „Die Bogenschützen“, in der englische Soldaten in der
Schlacht bei Mons gegen die deutsche Armee übernatürliche Hilfe erhalten,
wurde seinerzeit für bare Münze genommen und war Anlass für das Gerücht
über die „Engel von Mons“.
16 Dec 2020
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## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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