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# taz.de -- Nach Attentat auf Atomwissenschaftler: Iran will nicht in die Falle…
> Nach dem Mord am Leiter ihres Atomwaffenprogramms zeigt sich die
> iranische Führung zurückhaltend. Rache wäre im Sinne der Angreifer.
Bild: Menschen tragen den Sarg des ermordeten iranischen Atomphysikers Mohsen F…
Kairo taz | Nach dem [1][Anschlag auf den iranischen Atomphysiker] Mohsen
Fachrisadeh sucht Irans Führung nach einer geeigneten Reaktion. Fachrisadeh
wurde am Freitag in einem Vorort Teherans getötet. Nach Angaben des
iranischen Staatsfernsehens explodierte eine auf einem Lkw platzierte Bombe
in dem Moment, als Fachrisadehs Wagen vorbeifuhr. Bewaffnete seien
daraufhin aus Verstecken gekommen und hätten auf das Auto geschossen,
berichtete die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim.
Bisher hat sich niemand offiziell zu dem Mord bekannt. Iran beschuldigte
die USA und Israel, für das Attentat verantwortlich zu sein. Fachrisadeh
galt als wichtiger Kopf im iranischen Atomprogramm. Er soll Anfang der
2000er Jahre dessen militärisches Atomprogramm Amad (Hoffnung) geleitet
haben. 2003 wurde das Programm eingestellt, aufgrund seiner Tätigkeit
verhängte der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Fachrisadeh.
Dem US-Außenministerium zufolge soll der Ermordete zuletzt die iranische
Organisation für Verteidigungsinnovation und Forschung geleitet und das
Programm inoffiziell fortgeführt haben. Sein Tod bedeutet für Iran nicht
nur den Verlust an wichtigem nuklearem Wissen, sondern aufgrund des großen
öffentlichen Interesses auch einen erheblichen Druck, sich militärisch zu
rächen.
Der Anschlag ist in einer Reihe von Explosionen und Angriffen auf iranische
nukleare Anreicherungsanlagen, Raketenstandorte, petrochemische Zentren und
Kraftwerke in diesem Sommer zu sehen, für die Irans Führung ebenfalls die
USA und Israel verantwortlich macht. Im Januar tötete ein US-Drohnenangriff
zudem den iranischen General Kassem Soleimani. Damals hatte Iran mit
Raketenangriffen auf Stellungen der USA im Irak reagiert.
Vergeltungsschlag wäre Angriffsgrund für Trump
Falls die iranische Führung dieses Mal mit einem Vergeltungsschlag
antwortet, wäre es für Nochpräsident Trump ein Rechtfertigungsgrund,
offiziell nukleare Zentren anzugreifen. Irans Präsident Hassan Ruhani
antwortete dementsprechend zurückhaltend. Er sagte, die iranische Nation
werde „zu gegebener Zeit“ auf den Tod von Mohsen Fachrisadeh reagieren.
Hingegen forderte der oberste Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei am
Samstag eine „entschlossene Bestrafung“ der Täter und Strippenzieher.
Doch Ruhani und die moderaten Kräfte müssen einen kühlen Kopf bewahren –
nicht zuletzt, damit der Mord an Fachrisadeh der Annäherung an die neue
US-Regierung unter Joe Biden nicht im Weg steht. Denn Präsident Ruhani
setzt große Hoffnungen in Biden und seine Administration: Mit ihr will er
über ein Ende der Sanktionen verhandeln. So soll sich die miserable
wirtschaftliche Situation im Land bessern.
Sicherlich hat der Anschlag Auswirkungen auf mögliche wiederkehrende
Verhandlungen rund um ein neues Atomabkommen mit Iran. Der 2015 erlangte
Deal war 12 Jahre lang verhandelt worden. Er sah vor, dass Iran seine
nuklearen Aktivitäten einschränkt sowie Kontrollen durch die Vereinten
Nationen, die Europäische Union und die USA – damals unter Barack Obama–
zuließ. Im Gegenzug wurden Sanktionen gelöst und mehr Handel zugelassen.
Doch [2][2018 kippte Trump den Deal.]
Der Anschlag provoziert nun möglicherweise eine militärische Konfrontation
noch vor dem Ende von Trumps Amtszeit am 20. Januar. Denn mit dem Wahlsieg
Bidens steht für Trump seine Strategie auf dem Spiel, Israel zu stärken und
den iranischen Einfluss zu vermindern. Sicherheitsexpert*innen diskutieren
daher, ob die USA und Israel gemeinsam hinter dem Mord stecken. Nach seiner
Wahlniederlage hatte sich Trump US-Medien zufolge nach Optionen für ein
militärisches Vorgehen gegen Iran erkundigt.
US-Geheimdienstbeamte machen Israel verantwortlich
Die New York Times berichtete, Israel sei für den Anschlag verantwortlich,
und berief sich dabei auf drei ungenannte US-Geheimdienstbeamte. Israels
Kabinettsminister Tzachi Hanegbi erwiderte, er habe „keine Ahnung“, wer
hinter der Ermordung steckt. „Ich rate der israelischen Führung dringend,
zu schweigen“, sagte der ehemalige Leiter der Direktion für militärische
Geheimdienste der israelischen Verteidigungsstreitkräfte, Aluf Yadlin, bei
einer Pressekonferenz in Jerusalem. „Alle weiteren Informationen, die Iran
helfen würden, sich für eine Vergeltung gegen Israel zu entscheiden,
sollten vermieden werden.“
Weil Präsident Ruhani eine Eskalation vor Bidens Amtsbeginn vermeiden
möchte, erklärte Irans Regierungssprecher Ali Rabiei, sie würden „nicht in
die Falle tappen“, die diplomatischen Bestrebungen auf Eis zu legen. Auch
während der Atomgespräche zwischen 2005 und 2015 habe es Anschläge auf
iranische Kernphysiker gegeben, doch die Verhandlungen wurden fortgesetzt,
sagte er dem iranischen Nachrichtenportal Alef.
Zwar gilt Präsident Ruhani als moderat, doch seine Amtszeit endet bereits
im Juni 2021. Viel Zeit bleibt also nicht, um die diplomatischen
Beziehungen mit den USA in dieser Krise zu stärken.
29 Nov 2020
## LINKS
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[2] /Atomabkommen-mit-Iran/!5589921
## AUTOREN
Julia Neumann
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